Und damit selbstverständlich nicht genug. Geld ist bekannter Maßen zwar eine feine, aber trotzdem etwas kalte Sache. Weswegen die Wortführer im IT-Geschäft in solchen Fällen ja immer tief in die philosophisch-theologische Kiste greifen, damit’s auch was für’s Gemüt hergibt und eine geschäftsfördernde Begeisterung aufkommen kann.
Ein Paradigmenwechsel sei’s, eine Vision. Jetzt gelte es bloß noch, ordentlich – und Powerpoint-gestützt – zu evangelisieren. Dann würde man es schon erreichen, das Land, in dem Milch, Honig und Rendite fließt – und Rechenleistung. Letztere quasi aus der Steckdose.
Das Grid! Eine ausbalancierte und ausfallsichere IT-Infrastruktur nach dem Vorbild der öffentlichen Stromversorgung, die dem Endanwender genau das liefert, was der braucht. Keine Rechner und keine Softwaresysteme will der ja, sondern eigentlich nur die zuverlässige Verarbeitung seiner Daten. Und zwar dann, wenn die eben ansteht. On-demand halt.
Ein aparter Gedanke. Blöd nur, dass die ursprünglichen Grids derzeit überall zusammenbrechen. Jene, mit denen man diese Idee so schön hat bebildern können. Die, bei denen am Ende keine Rechenleistung, sondern Strom aus der Steckdose kommt.
Beziehungsweise – und das ist das Problem – immer öfter kommt ja kein Strom mehr aus der Steckdose. Am Wochenende in London für eine halbe Stunde und 14 Tage zuvor an der Ostküste der USA über 12 Stunden lang. Letzteres entspricht rechnerisch der Gesamtausfallzeit des deutschen Netzes während 100 Jahren.
Angefangen hat’s in Kalifornien. Weswegen das Zentrum der IT-Industrie sich in der akuten Gefahr befindet, künftig von Arnold Schwarzenegger regiert zu werden. Nun ist der Staat, in dem schließlich Hollywood liegt, ja Vergleichbares gewohnt. Und Schwarzenegger ist im Unterschied zu seinem eventuellen Amtsvorgänger Ronald Reagan immerhin nicht bloß ein B-Movie-Star. Aber trotzdem: Die Sache mit den Power-Grids ist schon ernst.
Wenn was gehen soll in der Computerei, dann braucht’s dazu Strom – und zwar meistens viel. Man merkt’s ja selbst im Alltag. Sogar als chronischer Warmduscher verbraucht man heute mehr Energie für die heimische IT als für die Warmwasseraufbereitung.
Und selbst so eine IT-Supermacht wie Intel kommt arg in die Bredouille, wenn sie es mal eine Zeit lang der Konkurrenz überlässt, entscheidende Innovationen voranzutreiben. Als da wären stromsparende Prozessoren, wie Transmeta sie populär gemacht hat.
Aber inzwischen hat Intel die Sache ja wieder im Griff. Und das, was man an Computern zuhause so rumstehen hat, das braucht man halt. Genauso, wie empfindsame Menschen eben warmes Duschwasser brauchen. Allerdings der marode Zustand der Stromversorgung in machen Ländern, der kann einem schon zu denken geben.
Und beim Denken fällt einem dann ein, dass es an den Grünen nicht liegen kann, obwohl das so gut passen würde. Wenn die drankämen, dann gingen die Lichter aus, hat man früher ja immer gesagt.
Aber die sind eigentlich gar nicht so. Auch sonst nicht: “Basisdemokratisch und gewaltfrei”. Da kann der Außenminister und alleinige sowie völlig unquotierte heimliche Vorsitzende der Grünen doch heute nur ganz staatsmännisch drüber lächeln. Nein, die Ökos sind nicht schuld.
Die Liberalen sind’s. Die, die zwar als eigene Partei vielerorts die Größe einer Politsekte haben, aber in allen anderen Parteien innerorganisatorisch die Mehrheit – fast überall auf der Welt.
Die Liberalen sind richtige Gewinner-Typen. Ansonsten entziehen die Leute ja, wenn ein Wirtschaftssystem nicht funktioniert, den zugehörigen Politikern immer die Verantwortung und – was für die noch viel härter ist – die damit verbundenen Pöstchen und Pfründe. Und die entsprechende Theorie wirft man dann auf den Müllhaufen der Geschichte.
So war’s, als es sich nach 70 Jahren herausgestellt hat, dass die sowjetische Planwirtschaft nix taugt. Die UdSSR gibt’s nicht mehr. Und der letzte Generalsekretär der KPdSU tritt bei der CSU auf und probiert’s bei sich daheim bei Wahlen mit einer sozialdemokratischen Partei, die noch erfolgloser ist als die gleichnamige Organisation in Bayern.
Sechs Jahre versuchte Karl Schiller, die bundesdeutsche Volkswirtschaft global zu steuern. Dann – 1972 – überschritt die Arbeitslosenzahl die 200.000er Marke und der Bund musste sich mit fast 4 Milliarden D-Mark verschulden. (Nein, in diesen Zahlenangaben sind keine Kommafehler.) Daraufhin trat der genauso sensible wie kluge Professor als Wirtschaftsminister zurück. Leninismus und Keynesianismus sind seit diesen beiden Ereignissen politisch tot.
Sehr viel schneller ging’s beim wirtschaftsliberalen Ideal – der New Economy. Zwei Jahre, und ehemalige Fernmeldebehörden hatten auf deregulierten Telekommunikationsmärkten Verluste in Höhe des Bruttosozialprodukts entwickelter Volkswirtschaften eingefahren. Wegen des Kursverfalls an den Aktienmärkten sind die Altersversorgungssysteme einiger Länder zusammengebrochen. Und Fachkräfte – ein Wort das man vor kurzem nur mit der Ergänzung ‘Mangel‘ gekannt hat – finden heute keinen Job.
Da sollte man doch eigentlich erwarten können, dass die Liberalen “Tschuldigung” sagen und sich still und verschämt vom politischen und wirtschaftstheoretischen Acker machen. Aber denen ist wirklich so leicht nichts peinlich.
Und deswegen wird weiter dereguliert. Bei den Stromnetzen der US-Ost- und -Westküste und von London bis zum Blackout.
Nun kann man ja die Segnungen, die die New Economy versprochen hat, leicht verschmerzen: die über’s Internet bestellte Pizza, die Aktiengeschäfte per WAP-Handy an der Bushaltestelle… Aber sollten wegen der ständigen Liberalisiererei auch in Deutschland Warmduscher künftig des öfteren nur Kaltwasser bekommen, dann gibt’s hoffentlich mal richtig Ärger.
Ach ja, und die IT-Industrie lernt vielleicht ja noch von den Energieversorgern – nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich. Wenn man nämlich Rechenleistung wie Strom aus der Steckdose verkaufen will, dann muss man halt auch ein bisschen so wirtschaften wie ein seriöser, altmodischer kommunaler Eigenbetrieb.
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