Die kurzbehosten – wegen der über der Hose ansetzenden männlichen Rundung meist nicht sehr schön anzuschauenden – Maschinenführer setzen dabei mit Vorliebe möglichst mächtiges Gerät ein. Solches, mit dem man früher wohl die größten unter den Sowchosen bewirtschaftet hat.
Dabei beweist der vermeintlich individualistisch isolierte Eigenheim-Besitzer eine erstaunliche soziale Kompetenz. Ohne, dass es dazu einer Absprache bedürfte, versteht er es, sich mit seinen benachbarten Mäher- und Gesinnungsgenossen perfekt zu koordinieren. Gelärmt wird alternierend.
“Irgendein Depp mäht immer”, hat es Reinhard Mey im letzten Jahr einmal in einem Leserbrief für die Sylter Nachrichten ausgedrückt. Was fein beobachtet, aber doch etwas grob formuliert ist.
Dieser Umstand verwundert einen zunächst ein wenig. Schließlich ist Reinhard Mey ja ein sehr feinsinniger Mensch. Hat er doch beispielsweise seinerzeit mit einem einzigen Begriff die ultimative Bürokratie-Kritik geleistet.
Zugegeben, es ist ein etwas länglicher Begriff: der “Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt, zum Behelf der Vorlage beim zuständigen Erteilungsamt”. Aber da gibt’s ja auch einiges zu kritisieren.
Ein so wortgewaltiger Mann wie Reinhard Mey nun nimmt entnervt verbale Anleihen aus der Gosse. – Weil er mit Rasenmäher-Lärm konfrontiert ist!
Das zeigt sehr deutlich, um was für eine Macht es sich beim Lärm doch handelt. Lärm ist die Waffe der – temporär oder permanent – intellektuell Unterprivilegierten.
Wer nichts ist und kann, der kann seiner Umwelt dennoch lärmend und machtvoll klar machen, dass das manchmal gar keine Rolle spielt. So halten’s die kurzbehosten Rasenmäher im Vorgarten, die halbwüchsigen Moped-Machos vor’m Eiscafé und die oliv-gewandeten “Stillgestanden!”-Brüller auf den Kasernenhöfen.
Auch die I+K-Branche ist daran beteiligt, liefert sie doch den Urbaneren unter den Rabauken ihren Rasenmäher-Ersatz: die Handys. Jene Geräte, die vorgeblich dazu dienen, über eine per Funk aufgebaute Point-to-Point-Verbindung Individualkommunikation zu betreiben.
Wegen der Kommunikationsunfähigkeit der meisten ihrer Eigner werden sie jedoch vorwiegend dazu benutzt, um die Umgebung – Point-to-Multipoint – mit Klingeltönen zu beschallen. Wobei auch der Umstand, dass sie dabei schmalbandige Versionen klassischer Meisterwerke einsetzen, etwa von Mozarts G-Moll-Symphonie, den Krach nicht zu einem Kulturgenuss erhebt.
Ansonsten aber wird erstaunlich wenig Equipment aus der I+K-Branche zur Lärm-Produktion verwendet. Nadeldrucker gibt’s nicht mehr. Und Rechner sind leise. Wer sie mag, für den klingen ihre Lüfter wie ein Meeresrauschen.
Und wer sie nicht mag, der kann darüber hinweghören, weil es sich ja um ein gleichmäßiges Geräusch handelt, das man sehr schnell nicht mehr wahrnimmt. Wie Meeresrauschen eben.
Richtigen Lärm produzieren eigentlich nur die Lautsprecher auf den Chefetagen. Und sie legen dabei das gleiche archaische Imponiergehabe an den Tag wie die Rasenmäher und Moped-Machos. Sehr anschauliche Beispiele gab’s dafür wieder letzten Monat.
So gefiel sich der Oracle-Chef Lawrence Ellison mit der Bemerkung: “Ich liebe Tiere. Würden Graigy (sein aktueller Lieblingsfeind, der Peoplesoft-Chef Craig Conway) und sein Hund nebeneinander stehen und ich hätte nur eine Kugel, glauben Sie mir, sie wäre nicht für den Hund bestimmt.”
Das mag etwas seltsam klingen für einen Manager des 21. Jahrhunderts. Aber CEOs plustern sich halt recht häufig auf und versuchen dabei, durch Lautstärke zu beeindrucken. Viele ihrer Verhaltensmuster sind dem vermeintlich überwundenen Kampf ums Überleben aus der Entwicklungsgeschichte entlehnt.
So hält’s denn auch die mächtigste Frau in der IT, die HP-Chefin Carlton Fiorina, mit Darwin. Ihre Maxime lautet ja: “Nicht die stärksten oder die intelligentesten Spezies werden überleben, sondern diejenigen, die sich am schnellsten anpassen.” Vom Urwald direkt in die Reinraumfabrik! Am Verhalten von Teilen der menschlichen Spezies hat High-Tech nichts zu ändern vermocht.
Und genau das ist’s. Auch beim Lärm. Obwohl der meiste Lärm mit Hilfe von technischen Geräten produziert wird: Das Problem ist nicht die Technik. Die Leute sind’s, die sie für abwegige Zwecke einsetzen.
Es gibt beispielsweise auch mechanische Rasenmäher, deren Einsatz nicht nur akustisch, sondern auch optisch einen Fortschritt darstellen würde. Wegen der damit verbundenen körperlichen Ertüchtigung der Kurzbehosten und ihrer dann vielleicht nicht mehr ganz so üppigen männlichen Rundungen.
Und was die Handys anbelangt: Jedes verfügt über das Feature des Vibrationsalarms. Das fühlt sich zwar ein bisschen ekelig an. Aber man braucht dann nicht die Werke großer Meister zu schänden.
Und auch unter den IT-Chefs soll es welche geben, die leise, bedächtig und klug reden. Aber allzu viele sind das nicht.
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