Outsourcing bei der Post: Qualitätsanspruch bremst Ungeduld

Ohne viel Federlesens hat die Deutsche Post AG ihre neue Webshop-Initiative in die Hände eines neuen Outsourcing-Partners gelegt. Nachdem mit Evita ein Kundenportal für den Endverbraucher zunächst gescheitert und dann verkauft worden war und sich der Neuanfang als mühevoll herausgestellt hatte, entschieden sich die IT-Manager der ehemaligen Bundesbehörde für den Dienstleister Psinet. Die neuen Web-Shops sollen funktionieren wie “eine Post-Filiale im Internet”.
Psinet stellt der Post nunmehr über drei Jahre hinweg die komplette Hard- und Software sowie den Support in seinem Berliner Datenzentrum zur Verfügung und garantiert die Leistungen, die vertraglich vereinbart wurden. Über drei Jahre hinweg und nach den Bedürfnissen des Kunden zugeschnitten bewirtschaften die Berliner nun die Web-Shops in einer kompletten Lösung aus Hardware, Software, Oracle-Datenbank und IP-Netzwerk.

Höher springen

Zum Auftrag gehört die Bereitstellung und Implementierung der webbasierten Plattform und in der Folge die Pflege und Überwachung der Lösung, die in wenigen Wochen zur Verfügung stehen wird.

Dieter Schramm, Leiter des Berliner Datenzentrums von Psinet Deutschland, erzählt gegenüber silicon.de, wie der Vertrag aus seiner Sicht realisiert wird. “Die Deutsche Post hat ihre Web-Shops bereits mit einem anderen Serviceprovider im Testbetrieb laufen lassen. Im Aktivbetrieb, also bei Simulation der Realität mit allen Störungen oder gar im Live-Betrieb direkt, hat sich dieser Provider wohl als nicht tauglich erwiesen.”

Ausschlaggebend sei auch gewesen, so Schramm, dass “wir bereit waren, die Service-Levels besser an die Kundenwünsche anzupassen – mit einem Wort: wir waren wohl flexibler”.

Web-Wissen gefragt

Thomas Terrail, technischer Leiter der Abteilung eFiliale bei der Deutschen Post sieht das genauso: “Wir haben nach einem Provider gesucht, der hohes Internet-Know-how und hohe Flexibilität besitzt.” Psinet zeichne sich hierbei durch eine Burst-Option aus, die einen kurzfristig benötigten hohen Kapazitätsbedarf an Bandbreite ohne zusätzliche Reservierung dieses Bedarfs einfach zulässt. “Zudem”, so Terrail, “bietet Psinet neben anspruchsvollen Service Level Agreements (SLA) ein Online Monitoring, das für uns als Kunden die notwendige Transparenz und damit Vertrauen schafft.”

Er lobt besonders die Zusammenarbeit mit dem Datenzentrums-Chef: “Herr Dr. Schramm zeigte sich für alle unsere Wünsche offen, so dass wir bereits vor dem Neustart in der Lage waren, Konfigurationen zu optimieren.” Zur Anwendung kam seinen Angaben zufolge ein geclustertes System mit Web- und Applikationsservern von Sun Microsystems.

Der “Neue” parkt um die Ecke

Terrail sieht rückblickend das größte Problem bei der Projektierung weniger darin, zum neuen Provider hin als vom alten Provider wegzugehen. Er sagt: “Wir haben hier viel Lernbedarf gehabt, da wir das Thema eFiliale aus dem Projektstatus heraus in die Linie überführen wollten.” Den Abstimmungsaufwand des gesamten Umzugs bezeichnete er als “insgesamt sehr hoch, da auf der gleichen Plattform nicht nur die eFiliale, sondern auch der Online Shop für die Philateliekunden smartphil.com betrieben wird”.

“Die eFiliale ist hierbei zwar das bestimmende System, jedoch wurde darauf geachtet, das beide Shops allen Ansprüchen gerecht werden”, so der Projektleiter. Auf der neuen Plattform werden zwei bisher getrennt gehostete Anwendungen zusammengefasst. eFiliale ist die elektronische Filiale der Deutschen Post, in der man das breite Post-Angebot von Briefmarken über Strom bis hin zu Autobahnvignetten bestellen kann. Bei smartphil.com gibt es einen E-Shop speziell für Briefmarkenfreunde.

Nabelschnur als Fußangel

Das größte Problem dabei war für ihn nicht extern sondern in gewisser Weise selbstgemacht – er spricht hierauf angesprochen von der engen Netzwerkbindung ans interne Netz im Mutterhaus. Dies sei in technischer wie auch in prozessimmanenter Hinsicht der gordische Knoten gewesen.

Terrail erzählt aus der Praxis: “Die größte Hürde war sicherlich die Anbindung des Systems an das Corporate Internet der Post. Der Sicherheitsstandard wird bei der Deutschen Post groß geschrieben. Hier musste erst ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden. Letztendlich war dieser Prozess aber erfolgreich.”

Hersteller an einem Strang

Die neue Plattform für diese E-Shops nutzt Web-, Applikations- und Datenbankserver gemeinsam. Um die Performance und die Sicherheit zu erhöhen, werden Loadbalancer und zweistufige Firewall ab jetzt gemeinsam genutzt.

Jens Feistel, Senior Account Manager Psinet Germany, erklärt dazu: “Der Loadbalancer stammt von f5 Networks aus der Produktreihe “Big IP”, der im Round-Robbin-Verfahren (immer ein Server nach dem anderen, dann wieder den ersten) die Webanfragen auf die Webserver verteilt. Die Firewall beruht auf der Checkpoint-Technologie, basierend auf Nokia-Hardware, die durch ein speziell angepasstes Betriebssystem sehr schwer zu hacken sind.”

Grenzen des SLA

Feistel ist besonders stolz auf das SLA: Support-Hotline 24x7x365 unter einer einheitlichen, kostenlosen Telefonnummer, eine Reaktionszeit von weniger als 15 Minuten, eine Server-Verfügbarkeit von mindestens 99,5 Prozent im Monat, d.h. der Problemfall werde innerhalb von max. 4 Stunden behoben.

Der Manager zeigt die Grenzen auf: “Viel weniger als diese 240 Minuten geht nicht, da physikalische Grenzen (Server herunterfahren, CPU oder Platte wechseln, Backup einspielen) gesetzt sind. Und bei Nichteinhaltung gibt es sofort ab diesen 4 Stunden eine Gutschrift auf den monatlichen Servicepreis.”

Er hebt lieber die Transparenz hervor: “Diese Werte sind durch ein Web-Interface durch den Kunden objektiv nachprüfbar.” Dies sei nur möglich, da sich sein Unternehmen auf die Zuverlässigkeit der eigenen Systeme verlasse. Durch dies Web-Interface könne der Kunde die CPU-Auslastung ebenso überprüfen wie die Auslastung des Webservers oder der Firewall. Außerdem erfahre er mehr über den Systemstatus des letzten Backups. Der Anbieter rechnet mit einem sehr dynamischen Projekt, das oft Änderungen und Anpassungen unterliegen wird.

Zu guter Letzt ein Glas auf die Zukunft

Für Feistel ist rückblickend bemerkenswert: “Die Post (zumindest der Bereich, der sich mit e-Business-Applikationen befasst) ist nicht mehr der behördliche Apparat, sondern mittlerweile deutlich flexibler, praxisbewusst und pragmatisch eingestellt. Demzufolge war sofort ein gleiches Verständnis über Anforderungen vorhanden.” Entsprechend seien zum Dienstepaket für den Web-Auftritt auch derselbe Service für die Oracle-Datenbank hinzugekommen.

Anwender Thomas Terrail verrät abschließend: “Mir gefällt in erster Linie, das wir mit der Lösung eine kundenorientierte Lösung gefunden haben. Wir haben schnelle Maschinen mit einem Support dahinter, die durch Clusterung unserem Verfügbarkeitsanspruch gerecht werden.” Einziger Wermutstropfen für ihn: “Mir missfällt höchstens die Geschwindigkeit, mit der wir neue Features in die eFiliale einbauen können. Der hohe Qualitätsanspruch steht der Ungeduld häufiger im Weg.”

Silicon-Redaktion

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