Früher standen einem ja nur relativ primitive Hilfsmittel zu Gebote, wenn man sich wieder einmal so herzhaft auf die Schenkel klopfen wollte. Damals – in Uni-Zeiten – war beispielsweise die Phrasen-Dreschmaschine sehr beliebt.
Drei Kartonstreifen – jeweils einer für Adjektive wie “sozio-kulturelle”, “bürgerlich-parlamentarische” und “autoritär-repressive”, für Wortergänzungen: “Supra-“, “Pseudo”- und “De-facto-” sowie für Substantive, etwa “Institution”, “Legitimität” und “Struktur”. Das Ganze in einer Umhüllung, deren Guckloch eine 3er Kombination freigibt. Ein Brüller!
Die ganz hartgesottenen Witzbolde haben derart generierte Phrasen sogar in ihren Hausarbeiten verwendet. Und aus dem Umstand, dass sie dafür besonders gute Noten bekommen haben, konnte man mehr über den hiesigen Wissenschaftsbetrieb lernen als in jedem Hauptseminar über Hochschulpolitik.
Geht übrigens auch in der IT. Man muss dann eben “integrierte”, “optimierte” und “performante”; “Meta-“, “Hyper-“, und “Soft-” sowie “Engine”, “Plattform” und “Fabric” auf die Kartonstreifen schreiben. Man erkennt daran – um einen mit der gleichnamigen Maschine erstellten Begriff zu verwenden – die Ubiquität der Phrasendrescherei.
Gaudi im Cyberspace nun ist, wenn man eine Phrase in eine Suchmaschine eingibt und sich zusammenstellen lässt, wer sie alles drischt. Das geht auch mit unverdächtigeren sprachlichen Hohlkörpern wie beispielsweise “Unternehmenskultur”.
Wo’s die überall gibt! Phantastisch! Im wahrsten Sinne des Wortes.
Das erste Unternehmen, das Google listet, ist Siebel. Vier “Grundwerte” führt die Site dieser Firma unter der Rubrik “Unternehmenskultur” auf.
Am schönsten ist der vierte: “Die Verfolgung unserer Ziele ist die wichtigste Grundlage für unsere Aktivitäten.” (Ende) Die anderen drei sind fast genauso inhaltsschwer.
Da merkt man doch einmal wieder, was ein High-Tech-Unternehmen ist. Und welch hohe Anforderungen doch an moderne Hardware gestellt wird. Auf Kartonstreifen-Basis jedenfalls hätte man eine derartige High-Performance-Phrasen-Dreschmaschine nicht implementieren können.
Auch nicht schlecht: “We fulfill our forecasts.” Eine unternehmenskulturelle Maxime bei Siemens. Deshalb hat der Konzern wahrscheinlich gleich zwei Firmensitze – einen im protestantischen Berlin und einen im katholischen München – damit die Siemensianer so stark im Glauben sein können.
Trostpreise gibt’s für … EMC – “Unser wichtigstes Kapital ist die Zufriedenheit unserer Kunden.” … einen Baumarkt – “Spitzenleistung, Training, Teamgeist sind Werte in der OBI Unternehmenskultur.” … und für den Konzern aus Armonk – “Wir werden oft gefragt, worin die Unternehmenskultur von IBM genau besteht. Uns genügen drei einfache, aber umso bedeutungsvollere Worte: Win, execute, team.”
Früher gab’s derartigen Agitprop ja nur in totalitären Staaten: “Die Erfüllung des sechsten 5-Jahresplans durchzusetzen, ist eine sozialistische Kampfesaufgabe!” Staatsparteien existieren allerdings in Europa nicht mehr – bis auf jene, die im September in Bayern wieder die Wahl mit absoluter Mehrheit gewinnen wird. Da bleibt nur das Unternehmen als letzter Hort des Totalitarismus.
Wobei: An sich ist Kultur ja eine feine Sache. Man kommt den Lebensnotwendigkeiten derart nach, dass es einem Genuss bereitet. Ess- und Trinkkultur gibt’s, Gesprächs- und Streitkultur.
Letztere allerdings nicht so oft. Da braucht man sich nur die Politiker und die Prominenten unter ihren Wählern in Diskussionsrunden anzuhören, wenn die meinen, ein Argument widerlegen zu können, indem sie durch lautes und aufgeregtes Dazwischenreden verhindern, dass es vorgebracht wird.
Auf jeden Fall aber gehört Kultur auch in die Betriebe. Allerdings nicht in Form dessen, was gemeinhin unter der Überschrift “Unternehmenskultur” läuft. Dieser Begriff wird ja in jüngster Zeit vor allem im Zusammenhang mit Larry’s Zamperl-Terriern und mit Microsoft genannt.
Sie habe bemerkt, dass bei Microsoft alle wie Bill Gates reden. “Und sie benutzen oft die gleichen Wörter”. So analysierte jüngst Gartner-Vizepräsidentin Betsy Burton die Unternehmenskultur in Redmond, als die Financial Times sie um einen Kommentar zur beabsichtigten Peoplesoft-Übernahme durch Oracle bat.
Eine derartige Gleichförmigkeit scheint ja vielerorts vorzuherrschen. Und das erhebt die meisten Unternehmenskulturen denn auch in den zivilisatorischen Rang von Fichten-, Champignon- und Schimmelkulturen.
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