IT-Kosten senken – ohne Risiken und Nebenwirkungen

Sparen gilt wieder als Tugend, Zahlenfetischisten haben derzeit Oberwasser. Doch wie kann man IT-Kosten einsparen ohne wichtige Funktionalitäten über Gebühr einzuschränken?

Wenn die Wirtschaft lahmt, wird in den Unternehmen gespart. Aber ist eine strikte Kostensenkung wirklich das Mittel der Wahl? In dieser Zeit der Streichungen um jeden Preis kommt die IT leicht in den Würgegriff aktionistischer Sparmaßnahmen. So himmelhochjauchzend viele Entscheider während des Hype der ‘Neuen Technologie’ waren und IT-Gelder mit vollen Händen für überzogene Projekte  hinauswarfen, so zu Tode betrübt sind die gleichen Akteure derzeit und wollen das Geld für den ‘Kostentreiber IT’ am liebsten ganz streichen. So wie meistens Extreme von Übel sind, so muss auch bei den IT-Kosten das Optimum gefunden werden und nicht das Maximum an Prestige auf der einen oder das Minimum an IT-Einsatz auf der anderen Seite.
Informationstechnologie übernimmt mittlerweile in den Unternehmen eine Funktion wie das Blut im lebenden Körper. Sie ist Motor und Garant aller ‘Lebensfunktionen’ und der Geschäftsbetrieb lässt sich ohne IT nicht mehr aufrecht erhalten. Zudem ist IT mittlerweile zu einem wichtigen Erfolgsfaktor bei Rationalisierung, der Realisierung neuer Geschäftsideen und dem Erscheinungsbild gegenüber Kunden geworden. Das soll natürlich kein Grund sein, die IT als sakrosankt zu betrachten und nicht laufend, auch bezüglich der Kosten, zu hinterfragen. Aber die derzeit in vielen Unternehmen gestarteten Sparmaßnahmen schaden eher als dass sie nutzen. Wie kann man nun das eine tun ohne das andere zu lassen, also IT-Kosten einsparen ohne wichtige Funktionalitäten über Gebühr einzuschränken?

Keine isolierte Zahlenbetrachtung

Der erste Schritt ist, dass der Fokus von der isolierten Zahlenbetrachtung, die leider immer noch vorherrscht, weggeführt werden muss. Wir haben gesehen, dass die IT mittlerweile so weit in alle Bereiche und Prozesse der Unternehmen verwoben ist, dass die in den Budgets und den Kostenrechnungen auftauchende Position ‘IT-Kosten’ nicht mehr ohne Auswirkungen auf andere Positionen verändert werden kann. Für eine wirkliche Kostenoptimierung hilft nur ein ganzheitliches Kostenverständnis, das Zusammenhänge und Abhängigkeiten berücksichtigt, Fernwirkungen aufzeigt und die aufgrund von Entscheidungen auftretenden Qualitätsveränderungen deutlich macht.

Ein Beispiel soll dies illustrieren: Wir nehmen an, in einem Unternehmen konfiguriert und verteilt der IT-Bereich für alle 20.000 Mitarbeiter den Internet-Browser mit seinen Multimedia-Komponenten. Da außer der reinen Konfiguration und Distribution noch die laufende Sicherheitsanpassung und die Beratung der Anwendungsentwickler geleistet wird, ist eine Gruppe von vier Leuten mit dieser Aufgabe ausgelastet. Man könnte nun erwägen, diese Personalkosten einzusparen, da sich die Fachbereiche “den Browser ja kostenfrei aus dem Internet herunterladen können.”

So weit die Theorie. Ein Browser ist aber nach dem Download noch lange nicht für die Unternehmensbelange konfiguriert und zudem offen wie ein Scheunentor. Also geht jeder Fachbereich daran, seine Erfahrungen selbst zu sammeln. Bereits an Primärkosten fällt jetzt mehr an als vorher. Natürlich sind dies keine IT-Kosten mehr, da der Aufwand nun irgendwo im Fachbereich unter den laufenden Kosten verschwindet, aber hilft das dem Gesamtunternehmen? Zudem leidet die Sicherheit, da kein geschlossenes Konzept mehr existiert und die Fachbereiche auch keinen Aufwand in die laufenden Sicherheitskorrekturen stecken können. Welche sekundären Kosten hier entstehen, wenn Viren und Würmer grassieren, kann man sich leicht ausmalen.

Das Beispiel beschreibt nur eines von vielen möglichen Szenarien und einige der Fernwirkungen. Es zeigt aber bereits, dass die zu den in der Kostenrechnung enthaltenen Primärkosten als Auswirkung von Maßnahmen woanders auftretenden Sekundärkosten die Sparmaßnahmen ins Gegenteil verkehren können. Leider werden diese Implikationen bei den heutigen Kostensenkungsaktionen kaum berücksichtigt.

Revierkämpfe wahrnehmen

Meister der Kostentreiber sind die in Unternehmen vielgeübten Revier- und Verteilungskämpfe. Hier geht es um Macht und Einfluss, und im Rahmen des Machtstrebens bleibt im Allgemeinen die Sparsamkeit auf der Strecke. Man sollte meinen, bei der aktuellen Wirtschaftslage rücken alle Maßgeblichen zusammen und sparen. Aber weit gefehlt.

In Zeiten der Unsicherheit gehen viele daran, auf Kosten des Gesamtunternehmens ihr Revier zu vergrößern und ihre Macht zu stärken. Die Zahlenfixiertheit ihrer Umgebung ist ihnen dabei von großem Nutzen. Die Zahlen für den Abrechnungszeitraum müssen auf jeden Fall gut aussehen. Dafür interessiert sich der Boss, der Vorstand, der Aufsichtsrat, der Aktionär und die Börse. Und wenn sich alle freuen, dann stimmen auch die Tantiemen. Das ist der Hebel zur Macht. Ob die Basis der Zahlen die erforderliche Entwicklung der weiteren Zukunft tragen kann, interessiert bei der aus den USA stammenden Fokussierung auf Quartalszahlen und der damit immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne des Managements niemanden mehr.

Es ist deshalb dringend erforderlich, diese letztendlich kostentreibenden Revierkämpfe rechtzeitig wahrzunehmen und wieder zu nutzbringenden Aktivitäten überzugehen. Sonst ist besonders der IT-Bereich gefährdet, der bei Sparmaßnahmen gerne als ‘reiner Kostenverursacher’ in ein schiefes Licht gerät. Die Versuchung ist dann groß, diese Kosten ‘irgendwie’ aus der Kostenrechnung zu eliminieren.
Ein beliebtes Thema ist das Outsourcing zu einer eigenen Tochtergesellschaft oder auch zu einem externen Dienstleister. Outsourcing als Kalkül kann ein Vorteil sein, oft steht aber eine Flucht dahinter, also das Bestreben, die IT-Kosten zu Lasten sekundärer Kosten, die durch die neuen Strukturen irgendwo anders entstehen, kleinzurechnen.

Andere Unternehmen lösen den zentralen IT-Bereich auf und ordnen die Teile den einzelnen Geschäftsbereichen zu. ‘Näher am Geschäft’ heißt das Argument, ‘Machtzuwachs’ trifft es da schon eher. Die, wie aus obigem Beispiel ersichtlich, durch Wissensverlust und Mehrfacharbeit auftretenden sekundären Kosten sind enorm, aber sie erscheinen kaum als IT-Kosten.  Insoweit stimmen die Zahlen dann wieder.

Rituale kappen

Um eine ganzheitliche Kostenbetrachtung zu erreichen und Revierkämpfe zu verhindern, ist es unter anderem erforderlich, eingefahrene Rituale zu kappen. So wird Klarheit geschaffen. Die Rituale sind vielfältig. Es können endlose Budgetierungsrunden mit Kürzungen nach Salamitaktik, Verteilungskämpfen und Verstecken von Geld sein, Projektkalkulationen mit stark eingeengtem Fokus oder Kostenstellenrechnungen und -beurteilungen, die Risiken und Nebenwirkungen außer Acht lassen.

Solch einschneidende Veränderungen funktionieren nur mit allerhöchster Unterstützung im Unternehmen. Hier muss das Verständnis für Zusammenhänge und längerfristige Strategien reifen und sich die Erkenntnis durchsetzen, dass mit Rechenakrobatik allein noch kein Unternehmen zukunftsfähig wird. Vielleicht ist in Teilbereichen eine ganz neue Managergeneration erforderlich. Aber hier sollte nicht zu schwarz gesehen werden. Gute Ansätze sind erkennbar und oftmals ist noch Aufklärung oder eine Lenkung der Aufmerksamkeit erforderlich.

Die Rolle des CIO

Eine Schlüsselrolle beim Übergang vom Kleinrechnen der IT-Kosten zur wirklichen Kostenoptimierung mit Berücksichtigung der Folgen kommt dem Chief Information Officer (CIO) zu. Er muss aber seine Rolle endlich vollständig leben und darf sich nicht nur als Kopf der DV-Abteilung betrachten. Er ist per Definition der Herr oder die Herrin der Informationen des Gesamtunternehmens, und zwar auf fachlicher, organisatorischer und technischer Ebene. Und nur als ganzheitlich denkender Stratege und treibender Motor, nicht als reiner Zahlenkontrolleur, kann er kreativ wirken und Zusammenhänge und Fernwirkungen auch auf der Kostenseite beurteilen.

In einem größeren Unternehmen wird der CIO von einer Crew unterstützt und bildet mit ihr zusammen eine zentrale Drehscheibe mit einem gestaltenden Willen. Gefährlich wird es, wenn jeder Fachbereich ‘seinen’ CIO hat und die übergreifende Integration fehlt. Hierbei wird den bereits geschilderten Revierkämpfen mit den implizierten Mehrfachaufwendungen und Kostenverschiebungen Tür und Tor geöffnet. Nur ein ganzheitlich verantwortlicher CIO kann ein ‘Vermittler’ zwischen Fachabteilungen und Management werden und somit die Kosten in Bezug auf das Gesamtunternehmen im Zaum halten.

Fazit


  • Die Optimierung der IT-Kosten lohnt sich immer und nicht nur bei schlechter wirtschaftlicher Lage. Sie setzt zudem Kapazitäten für die Realisierung neuer Geschäftsideen frei.
  • Dies darf aber weder als Kahlschlag (“zu Tode sparen”) noch zulasten anderer Kosten (“Zahlen verschieben”) gehen, sonst leidet das Gesamtunternehmen und die sekundären Kosten saugen frei werdende Kapazitäten auf.
  • Die zur übergreifenden Kostenanalyse und -kontrolle erforderlichen klaren Strukturen erfordern oft das Kappen eingefahrener und zum Machterhalt beliebter Rituale.
  • Eine Chance, IT-Kosten wirklich zum Vorteil des Gesamtunternehmens zu steuern, hat ein CIO dann, wenn er für alle Ebenen der Information Verantwortung trägt und in der Lage und Position ist, die Bedürfnisse der Fachbereiche zu integrieren.

Zum Autor: Theo Saleck, gelernter Bankkaufmann und IT-Spezialist, hat langjährige Erfahrungen im Projekt- und IT-Management. Derzeit ist er als Unternehmensberater und Interim Manager sowie als Fachjournalist und Fachautor tätig. Sein erstes Buch ‘Auftragsklärung in IT-Projekten: Die Ziele des Kunden erkennen und punktgenau realisieren’ erschien im Januar 2003 bei Vieweg, Wiesbaden. In der neuen Reihe ‘Chefsache’ ist als erstes Buch für Anfang 2004 der Band ‘Chefsache IT-Kosten, bezahlbare IT für Ihr Unternehmen: So sichern Sie Leistung, Gegenwart und Zukunft.’ geplant. Näheres unter www.saleck.com