Das Zeitalter der elektronischen Steuerprüfungen ist bereits eingeläutet worden, die ersten ihrer Art finden derzeit statt. Doch nicht jedes Archiv hält den technischen Anforderungen der Prüfer stand, denn die elektronischen Langzeitarchive bestehen zu einem Großteil aus PDF-, Tiff- und Word-Dokumenten – Formate, die etwa beim Drucken und Scannen von Rechnungen Verwendung finden. Diese aber mögen das Bundesfinanzministerium und damit die Buchprüfer gar nicht.
Schon seit dem 1. Januar 2002 darf die Finanzverwaltung aufgrund gesetzlicher Neuregelungen im Steuersenkungsgesetz die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Steuerpflichtigen durch Datenzugriff prüfen. Das Datum signalisiert zwar Brisanz, doch die meisten Steuerberater ignorierten die elektronische Steuerprüfung, bagatellisierten und warteten ab, heißt es im April-Newsletter des Forums Elektronische Steuerprüfung. “Es fehlt schlichtweg an Auslegungsregeln”, erläutert Stefan Huth, Marketing-Leiter Deutschland beim Münchner Hersteller von Archivierungssystemen Ixos Software.
<b>Was die Behörden wollen</b>
Dennoch dürfen Anwenderunternehmen die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) nicht einfach ignorieren. “Bei den steuerlich relevanten Daten, die bis 2002 entstanden sind, wird das Bundesministerium für Finanzen zwar noch nett und freundlich mit den Leuten umgehen. Das sieht in drei oder vier Jahren aber ganz anders aus. Wenn ein Unternehmen dann versäumt hat, sich mit den Regelungen vertraut zu machen, wird es Probleme kriegen – unweigerlich”, sagt etwa Bernhard Lindgens, der die praktische Umsetzung des Datenzugriffsrechts der Finanzverwaltung, die Entwicklung des Beschreibungsstandards für die Datenträgerüberlassung sowie den Fragen- und Antwortenkatalog des Bundesfinanzministeriums im Internet verantwortet.
So findet sich im selben April-Newsletter zum Beispiel ein Überblick über den dafür notwendigen technischen Stand von Datenspeichersystemen und Verfahrensdokumentationen. Unter anderem ist darin der Hinweis auf die “maschinell auswertbare Form” enthalten, in der die Daten vorliegen müssen. Darunter versteht die Finanzverwaltung “den wahlfreien Zugriff auf alle gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen mit Sortier- und Filterfunktionen”. Geprüft wird mit Hilfe des Softwareprogramms Idea, das von der Stuttgarter Firma Audicon vermarktet wird. Es soll auf den Laptops von rund 14 000 Prüfern laufen.
Die Behörden akzeptieren allerdings keine Reports oder Druckdateien, die vom Unternehmen nur ausgewählte Datenfelder und Datensätze enthalten, jedoch nicht mehr alle steuerlich relevanten Daten. Dasselbe gilt für archivierte Daten, die eine Verdichtung erfahren haben. Als unrecherchierbar definiert die GDPdU fernerhin das vielleicht meistbenutzte Tiff-Format sowie PDF-Dateien, die sich immer stärker etablieren.
Eigentlich handelt es sich bei solchen Files um Druckformate. Warum sich Dokumente in Seitenformaten in Langzeitarchiven wieder finden, erläutert Harald Gumser, Geschäftsführer des Compart Systemhauses, Böblingen. “Damit ein Telefonkunde mit dem Mitarbeiter im Kundencenter sich besser über Rechnungen austauschen kann, können diese auf dem Bildschirm die Rechnung so aufrufen, wie sei beim Kunden vorliegt. Dafür müssen die Dokumente sehr zeitnah hinterlegt werden.”
<b>Was ins Archiv wandert</b>
Die Deutsche Telekom etwa bietet ihren Kunden seit einiger Zeit Online-Telefonrechnungen an. Diese Woche konnte das Unternehmen bekannt geben, dass rund zwei Millionen Kunden das Web-Billing nutzen. Schon eine Million Online-Kunden sparen dem Konzern 206 Tonnen Papier im Monat.
Auch Debitel verschickt rund vier Millionen Rechnungen pro Monat. Insgesamt liegen fast eine Milliarde Dokumente im Archiv. Der Telekommunikationsanbieter ermöglicht seinen Kunden zudem, sich die Rechnungen in Internet anzuschauen. Als Darstellungsformat wählte das Unternehmen PDF mit der Einbindung der Hausschrift als Truetype-Font.
Das Archivformat für die Dokumente ist in diesem Fall jedoch ein anderes, nämlich Advanced Function Printing (AFP). Es handelt sich dabei um einen Druckdatenstrom, der in den 70er Jahren von IBM definiert wurde. Laut Gumser ist dieses Output-Format ebenfalls weit verbreitet und kommt zumeist dort zum Einsatz, “wo das Papier mit einem Gabelstapler in den Drucker eingespannt werden muss”, also bei hohem Datenvolumen und einer Geschwindigkeit von bis zu 1000 Seiten pro Minute. “AFP zeichnet sich durch eine exzellente Trennung von Nutzdaten und wiederkehrenden Daten wie Formulare oder bei Mehrfachdruck bei leicht geänderten Seiteninhalt aus”, sagt Gumser.
Tagged Image File Format (Tiff) dagegen ist ein Format für nichtkodierte Informationen. Einmal in Tiff gewandelte Dokumente haben zum einen im Vergleich zu kodierten Formaten wie AFP erheblich höheren Platzbedarf. Der liegt bei 30 bis 100 KB pro Schwarz-Weiß-Seite. Bei der Speicherung von Farb-Scans wächst der Platzbedarf bei normaler Auflösung in Bildpunkte auf bis zu 300 KB pro Seite. Zum anderen verliert das Dokument alle textbezogenen Informationen, die aber für die elektronische Suche nach Textstellen oder zur Auswertung notwendig wären. Eine Rückgewinnung ermöglicht lediglich die Texterkennung mit Hilfe von OCR-Software (Online Character Recognition). Dass Tiff trotzdem für die Ablage als Image ein so weit verbreitetes Format ist, liegt daran, dass damit vor allem in den 80er Jahren viel dokumentiert wurde. Außerdem bildet Tiff die Grundlage für das Faxen. Die dafür notwendige Komprimierung wurde durch das Standardisierungsgremium ITU abgesegnet.
<b>Was Word verbietet</b>
Völlig untauglich für die Archivierung sind laut Gumser und Huth Word-Dokumente. Bis zur Version des Textverarbeitungsprogramms “Word 97” von Microsoft habe der Hersteller das Format gut dokumentiert. Heute jedoch wird jedes Dokument als OLE-Objekt (OLE = Object Linking and Embedding) gespeichert. Die Dokumentation habe Microsoft eingestellt.
Doch nicht nur dieser Mangel disqualifiziere das Format für Archive. Es gibt schlichtweg zu viele unterschiedliche Versionen. Zwar empfiehlt Microsoft, Dokumente im Rich Text Format (RTF) auszutauschen. Doch auch dieses sei, so Gumser, mit mehr als 100 Befehlen und einer neuen RTF-Version, die mit jedem Upgrade von Word daherkomme, für Drittanbieter zu einem nahezu unbeherrschbaren Format geworden.
Das Portable Document Format (PDF) ist im Gegensatz zu Tiff ein binäres Format mit kodierten Informationen. Entwickelt wurde es in den 90er Jahren von Adobe. Zur Verbreitung hat wesentlich das Internet beigetragen. Allerdings “zeigt es gelegentlich Kompatibilitätsschwächen”, erläutert Gumser. Der Walldorfer Softwarehersteller SAP hat sich im Prinzip für PDF als Archivierungsformat entschieden. Doch Adobe selbst sieht das nicht so. Das Bundesministerium für Finanzen hat PDF explizit als unzulässiges Format ausgewiesen.
Das Problem besteht laut Gumser darin, dass spezielle Fonts, wie beispielsweise die Hausschrift von Debitel, zur sicheren Wiedergabe in PDF-Files eingebunden werden müssen. Eine zweiseitige Rechnung etwa, die ohne Fonts nur 5 KB groß ist, wachse dadurch um etwa 50 KB. Eine separate Speicherung von Dokumenten und Fonts aber erfordere eine spezielle Software zum Zusammenführen der Informationen, bevor ein Anwender mit Hilfe eines Viewers die Informationen lesen kann.
<b>Was Buchungssysteme bieten können</b>
SAP löst jedoch das Problem, indem bei der Fakturierung außer dem PDF-Druckstrom auch ein unverwechselbarer Rechnungsdatensatz erzeugt wird. Hieraus lassen sich laut Ixos-Spezialist Huth die Exzerpte bilden, die das Finanzamt interessieren. Huth ist aber auch überzeugt, dass längst nicht alle buchhalterischen Programme einen solchen Komfort bieten. Insbesondere ältere AS/400-Systeme hat er in Verdacht. Hier liefen Anwenderunternehmen Gefahr, mit den Finanzprüfern in Konflikt zu geraten; denn: “An vielen Unternehmen dürften Fragen wie die nach dem richtigen Format vorbeigegangen sein.”
Einen Grund zur Panik liefern solche Versäumnisse dennoch nicht. Die meisten Unternehmen trauten sich den Verzicht auf ein Papierarchiv gar nicht zu, weiß Huth. Außerdem verschleppt Geldmangel in den Ländern die elektronische Steuerprüfung. Zuletzt hat im März das Land Berlin vorerst auf elektronische Prüfungen verzichtet. Die skurrile, aber pragmatische Begründung: Bayern gebe an, dass dort kein Geld vorhanden sei, die Steuerprüfer mit Notebooks auszustatten. Und solange Bayern nicht elektronisch prüfe, werde sich Berlin im föderalen Wettbewerb keine Standortnachteile einhandeln.
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