Outsourcing wird die IT-Wirtschaft weiterhin treiben und mit einem Wachstum von 3,1 Prozent im laufenden Jahr die anderen IT-Sektoren überflügeln. Bis 2007 sollen es sogar 8 Prozent Jahreswachstum für die Dienstleister und Ausrüster sein, prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Gartner. Doch die kritischen Stimmen sehen den ersten Eisberg auftauchen, an dem die Outsourcing-Welle zerschellen könnte: Lohnveränderungen im globalen Maßstab sind eine Gefahr für das Offshore Outsourcing, das gerade erst anfängt, sich warmzulaufen – so die Prognose.
Dennoch wird es immer Unternehmensbereiche geben, die sich geradezu für Outsourcing aufdrängen. “Lohnabrechnung und Buchhaltung werden immer dankbare Objekte der Auslagerung bleiben”, führt Martin Reynolds, Vice President und Research Fellow bei Gartner, gegenüber silicon.de aus. “Hier macht das auch Sinn, denn anstatt sich mit den ständig wechselnden Steuergesetzgebungen auseinander zu setzen, hier Fachleute einzustellen und auf dem Laufenden zu halten, können im produktiven oder im Kernbereich wichtige und unternehmenskritische Aufgaben geleistet werden.”
Auch das Management der weltweiten Netzwerke im Unternehmen sei dafür geeignet. Schließlich, so Reynolds am Rande der Konferenz, seien Netzwerke an sich schon in fremden Händen und die Kompetenz “auf wirklich gute Fachleute weltweit verteilt”. Hier selbst Expertise auszubilden, hält er in den meisten Fällen für unsinnig. Hier sei Outsourcing nicht nur die beste, sondern die einzig wirtschaftliche Vorgehensweise.
Andererseits wird ein Unternehmensleiter wettbewerbsentscheidende Kompetenzen und Abteilungen in den seltensten Fällen auslagern, sagt er. “Auch die IT wird zunehmend zu einer solchen wunden Stelle werden, die die Unternehmen gern nahebei verwalten – da genügt ein Blick auf Virenattacken und Netzwerksicherheit im Haus; wer will da im Notfall einen Techniker, der eigentlich bei einer Fremdfirma angestellt ist, um 2.00 Uhr morgens aus dem Bett und in den IT-Hochsicherheitstrakt jagen können? In der Realität ist dies schwierig zu machen und die ersten Erfahrungen damit bestätigen diese Schwierigkeiten.” Beim gerne nach Asien verlagerten Programmieren, so sagt er, sei das Outsourcing-Glück aber “bald mit bitteren Pillen gespickt”.
Er führt aus, dass die jetzigen Billiglohnländer sich für die Outsourcing-freudigsten Unternehmen vielleicht bald zum Bumerang entwickeln könnten. “Die Lohnfrage wird bald von einer Job-Hopping-Welle abgelöst. Das bedeutet,” so Reynolds im Gespräch, “dass die indischen Programmierer und Experten, die ja meist ein hervorragendes Englisch sprechen, einfach in die Länder mit höheren Löhnen kommen.” So manches Unternehmen, das sich auf die Dauer dieses Zustands verlässt, werde eine Überraschung erleben.
Diese Tendenz sieht er bereits jetzt heraufdämmern, wo im Rahmen von Technikpartnerschaften Experten aus Bangalore in die USA gehen und mit dem verdienten Geld auch die Ansprüche nach Hause schicken. Dadurch, so Reynolds, werde sich die Lohnschere mit der Zeit wieder schließen, von der die Unternehmen mit Outsourcing-Mut jetzt noch profitieren. “Wer das nicht heute schon mit einberechnet und denkt, dass die Lohnkosten in Asien ewig so niedrig wie jetzt bleiben, dem droht ein böses Erwachen.” Schon in den nächsten fünf Jahren hält er spürbare Auswirkungen auf die Weltwirtschaft durch dieses Job-Hopping und die notwendigen Anpassungen der Löhne in den heutigen Billiglohnländern für möglich.
Reynolds: “Schon in den nächsten fünf Jahren könnte sich der Durchschnittslohn in asiatischen Silicon Valleys mehr als verdoppeln.” Und dann, so glaubt er, werde der Outsourcing-Boom vermutlich das selbe Schicksal erleiden wie der Dotcom-Boom. Einstweilen stimmt er seinen Outsourcing-optimistischen Kollegen bei Gartner aber zu: “Outsourcing ist eine starke Maschine, die so manchen Sektor wieder aus der Depression ziehen kann.”
“Unter der Bettdecke der sich dahinschleppenden IT-Entwicklung boomt Outsourcing”, sagt auch der momentan für die Outsourcing-Marktbeobachtung zuständige Analyst Roger Cox. Doch auch er ist überzeugt, dass dies kein Perpetuum Mobile werden wird.
Er ist der Überzeugung, dass vielleicht aus reinen Kostengründen auch ungeplant ausgelagert werden wird und sich noch manche Firma ein blaues Auge bei schlecht ausgehandelten Verträgen holen wird. Jedoch: “Konsolidierung und Kostenfaktoren bleiben der Treibstoff für den Trend, der noch lange anhaltend der Gesamt-IT weltweit ein Wachstum zwischen drei und fünf Prozent bescheren wird.”
Eine Neuorientierung der CEOs weg von der reinen Kostenfixierung und hin zu Innovation und Wachstum soll es auch bald geben, heißt es aus Barcelona. Die Firmen sollen demnach ihre IT-bezogenen Investitionen steigern und weiterhin Routineaufgaben auslagern. Doch die Analysten raten davon ab, “alles bis auf das Firmenschild” auszulagern. Konzentration auf das Wesentliche, so lautet ihr Wunschmotto für die kommenden Jahre.
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