Dank Diesel lebt Amerikas IT noch
Nach dem Jahrhundert-Stomausfall wird klar: Die Angst vor dem Jahr-2000-Problem und vor weiterem Terror hat die Vorsorge für sichere IT vorangebracht.
Nach dem massiven Stromausfall im Nordosten der USA haben die IT-Spezialisten für Desaster Recovery erstaunlich wenig zu tun. In vielen Fällen haben die Unternehmen von ihren Maßnahmen im Zuge der Terroranschläge vor knapp zwei Jahren profitiert. Obwohl viele IT-Installationen mit überlappenden, aber getrennten, Energienetzen versorgt werden, wurden offenbar ausreichend Diesel-Generatoren angeschafft, die einen Ausfall der öffentlichen Versorgung auch über mehrere Tage hinweg überbrücken können. Einen solchen Domino-Effekt und den großflächigen Ausfall einer ganzen Reihe von Elektrizitätswerken hatte niemand für möglich gehalten.
Hartnäckig halten sich deshalb Gerüchte, der Blaster-Computerwurm oder andere Malware könnte zumindest zu dem Ausfall beigetragen haben. Genährt werden solche Überlegungen durch einen Bericht des Nerc, North American Reliability Council, der nur einen Tag vor dem Stromausfall veröffentlicht wurde. Darin wird festgestellt, dass das US-amerikanische Stromversorgungssystem anfällig für Bedrohungen aus dem Cyberspace ist. Am 25. Januar dieses Jahres habe der Wurm SQL-Slammer die Steuerung von zwei Energieanlagen unterbrochen. Zwar sei daraus kein Schaden erwachsen, die Unterbrechung sei aber äußerst bedenklich, heißt es. Jetzt wird in den Fachkreisen darüber diskutiert, dass möglicherweise genau die Anlagen von außen deaktiviert wurden, die eine reihenweise Abschaltung der Elektrizitätswerke hätten verhindern sollen. Das staatlich finanzierte IT-Sicherheitszentrum Cert dagegen stellt jeglichen Einfluss von Viren oder anderen Scripten auf die Energiesysteme in Abrede.
Bewährt hat sich offenbar der automatisierte Katastrophen-Telefondienst wie ihn ‘Dialogic Communications’ anbietet. Nur wenige Minuten nach dem Ausfall starteten die Systeme die ersten von insgesamt mehr als 100.000 Anrufen, mit denen Firmen ihre Mitarbeiter per Sprachcomputer über den aktuellen Stand informieren ließen. So konnten die Angestellten auch erfahren, wann und wie beispielsweise eine firmeninterne Telefonkonferenz stattfinden sollte, auf der Anweisungen verteilt werden sollten.
Das Internet jedenfalls war als Ganzes von dem Stromausfall kaum betroffen. Aufgrund der Notstandssituation in den betroffenen Regionen war verständlicherweise die Nachfrage auf den Websites der großen Nachrichtensender besonders groß, der Web-Dienstleister Keynote stellte längere Antwortzeiten der Webserver fest. Außerdem meldete der Internet-Serviceprovider AOL, zum Zeitpunkt des Stromausfalls um 16:11 Uhr Ostküstenzeit habe sich die Zahl der eingeloggten Kunden schlagartig von 2,4 auf 2,1 Millionen verringert.
Wenig ist offenbar bei den Betreibern von Mobilfunknetzen seit den Netzausfällen im September 2001 passiert. Zwar seien einzelne Basisstationen mit Batterien ausgestattet, heißt es beispielsweise bei Nextel. Mehr als sechs Stunden könnten damit aber nicht überbrückt werden. Nachdem die Probleme in Detroit auch am Freitag nicht behoben werden konnten, versorgte Nextel dort einzelne Sendeanlagen mit Diesel-Generatoren.
Infolge dessen verzeichneten die Festnetzbetreiber eine viermal so hohe Nutzung als an durchschnittlichen Wochentagen. Selbst die vernachlässigten öffentlichen Telefonzellen waren während des Stromausfalls meist recht zuverlässig, weil ihr geringer Energiebedarf über weit verteilte Netze gedeckt wird.