Hickhack um Raubkopie-Verfolgung: RIAA unterliegt vor Gericht
Die Musikindustrie büßt weiter Umsatz ein und der juristische Feldzug gegen die Musikpiraten gerät ins Stocken. Ein Paradeprodukt für den E-Commerce wird weiter gnadenlos verheizt.
Die Musikindustrie hat bei ihrem Bemühen, den Online-Tausch von Raubkopien ihrer Inhalte zu unterbinden, einen empfindlichen Rückschlag erhalten. Ein US-Bundesrichter in Massachusetts hat Vorladungen für unrechtmäßig erklärt, die der Branchenverband Recording Industry Association of America bei einem Gericht in Washington D.C. eingereicht wurden. Mit den mehr als 1000 Verfügungen wollte der Verband Internet-Serviceprovider dazu zwingen, die Identitäten von bestimmten Nutzern preiszugeben, die als Anbieter von umfangreichen Raubkopie-Sammlungen aufgefallen waren. Aus verfahrensrechtlichen Gründen müsste die RIAA den Großteil ihrer Vorladungsanträge jetzt am Wohnsitz der Beschuldigten einreichen, was das aufsehen erregende Vorgehen deutlich bremsen wird.
Denn schon für die kommenden Wochen hatte die RIAA angekündigt, erste Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen einzureichen. Der Verband hofft, dass damit zahlreiche Nutzer von Tauschplattformen abgeschreckt werden und statt der Downloads über ‘Kazaa’ oder ‘Morpheus’, wieder CDs im Laden kaufen.
Die RIAA hatte vor dem Bezirksgericht in Washington D.C. bereits vor gut zwei Monaten einen entscheidenden Erfolg verbucht. Das Gericht sah es als gerechtfertigt an, dass der Verband im Namen der Rechteinhaber Auskunft von den ISPs verlangt, wer hinter den User-Namen auf den Tauschplattformen steckt. Aufgrund der guten Erfahrungen wurden nach und nach mehrere hundert Vorladungen bei diesem Gericht eingereicht. Schließlich sollten die Vorermittlungen schnell vonstatten gehen. Außerdem sei das Internet als Tatort nicht örtlich gebunden, so die Argumentation der RIAA. Die Ansprüche, die im ‘Digital Millennium Copyright Act’ begründet seien, könnten daher vor jedem ordentlichen US-Gericht eingeklagt werden. Diese Auffassung wurde nun zu Fall gebracht.
Wie ernst es der Musikindustrie mit ihrem Feldzug gegen die Raubkopien ist, lässt sich allein schon am Zustand der deutschen Branche ablesen. In den ersten sechs Monaten des Jahres fiel der Umsatz in der Bundesrepublik erneut um 17 Prozent. Schon im Vorjahr konnten die Einzelhändler 10 Prozent weniger absetzen. Die Branche trifft sich in der zweiten Wochenhälfte auf der Popkomm-Messe in Köln. Den illegalen Tauschbörsen gegenüber soll dann mit ‘Phonoline’ endlich eine verlagsübergreifende legale Alternativplattform starten. Noch immer ist aber unklar, ob alle fünf großen Konzerne bis zu dem Termin den vereinbarten Bedingungen zustimmen können.
Unterdessen zwingt die schlechte Wirtschaftslage zwei der großen Fünf zur Fusion. Die Gespräche zwischen der deutschen BMG, Tochter aus dem Hause Bertelsmann, und Warner Music aus dem AOL-Time-Warner-Stall seien weit fortgeschritten, meldet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Zusammen könnten die beiden 31 Prozent des amerikanischen und 20 Prozent des europäischen Markts besetzen. Strittig ist noch die Kräfteverteilung: Die Amerikaner wollen 60 Prozent an dem Musikriesen, aber die Gütersloher wollen sich mit der Juniorrolle nicht zufrieden geben und bestehen auf einem Anteil von 50 Prozent.
Die Verunsicherungs-Strategie der RIAA hat zumindest schon einen Erfolg gezeitigt. Der niederländische ISP Wanadoo hat die ‘Peer-Cache’-Anwendung von Joltid deaktiviert. Dadurch konnten besonders häufig nachgefragte Musikdateien auf den Servern des Anbieters automatisch zwischengespeichert werden, insgesamt rund 0,8 Terabyte. Wanadoo verringerte so sein Datenaufkommen über transatlantische Leitungen nach eigenen Angaben um mindestens ein Viertel. Während der ISP der exponentiell wachsenden Datennachfrage Herr werden wollte, klagten die Musikverbände, Wanadoo unterstütze das illegale Treiben auch noch.
Angeblich testen derzeit 20 weitere ISPs die Software, die im übrigen von Kazaa-Mitbegründer Niklas Zenstrom auf den Markt geworfen wurde. Ob kostenpflichtige Dienste wie etwa das überaus erfolgreiche I-Tunes für Apple-Nutzer in den USA an der verfahrenen Lage etwas ändern können, steht jedenfalls in den Sternen.