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“Wir sind die Dells der Datenbank-Branche”

MySQL gilt als eine der erfolgreichsten Datenbanken, ist vollkommen Open Source und verfolgt
dennoch über ein Lizenzprogramm einen kommerziellen Weg. Partnerschaften mit namhaften
Herstellern wie SAP und Novell sollen die Open-Source-Datenbank aus Uppsala in Schweden nun
hoch in die Teppichetage der Großunternehmen helfen. Wir sprachen mit Marten Mickos, CEO von
MySQL, über Patente, Partnerschaften und Grid.
silicon.de: Die EU-Richtlinien zu Software-Patenten kommen erst Ende September und
die Diskussionen laufen allerorten. Welche Position nehmen Sie zu diesem Thema ein?

Mickos: Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass MySQL geistigen Urheberrechten
großen Respekt entgegenbringt. Urheberrechtsschutz ist unserer Meinung nach unbedingt notwendig,
wir sind also nicht gegen die Regeln, die geistiges Eigentum schützen. Allerdings denken wir nicht,
dass Softwarepatente der richtige Weg dafür sind. Das jetzt in den meisten Staaten der EU übliche
Urheberrecht reicht unserer Ansicht nach aus. Wir selbst sind ja eigentlich das beste Beispiel dafür,
dass das Urheberrecht genügt, denn ohne dies könnten wir kaum oder doch nur schwer Geschäfte
machen.

silicon.de: Die Gegner von solchen Patenten sprechen von einer Gefahr für
Innovationen. Sehen Sie das auch so?

Mickos: Es gibt zu viele unsinnige Patentanträge. Softwarepatente führen unserer
Ansicht nach zu einem vor allem für den Mittelstand gefährlichen Kartenspiel: Hierbei hält jeder
Spieler seine Patentkataloge in der Hand wie ein Pokerblatt mit Mindesteinsatz. Die Devise heißt
dann: ‘Hast du keine Patente, darfst du nicht mitspielen.’ Das ist ein Gleichgewicht des Schreckens
und die Unternehmen verstricken sich schließlich völlig im Patente-Netz.

silicon.de: Es gibt Firmen, die einerseits gegen Patente sind, aber andererseits offen
solche Dokumente einkaufen. Was halten Sie davon?

Mickos: Wir können Firmen wie Red Hat sehr gut verstehen, die angekündigt haben,
sich aus Verteidigungsgründen einen Satz Patente in den USA kaufen zu wollen. Wer weiß, vielleicht
muss MySQL das eines Tages auch tun, aber die Kosten sind eben enorm und der Nutzen nebulös.
Patente sind in naturwissenschaftlichen Bereichen wie der Physik durchaus angebracht, aber nicht
hier.

silicon.de: Als Chef einer Datenbankfirma sind Sie bestimmt auch über die neue
Oracle-Datenbank mit ihren Grid-Funktionalitäten ein bisschen informiert. Es gab in den letzten Tagen
viel Lob und Kritik, die sich zwischen “Geniestreich” und “unrealistische Spinnerei” bewegte. Was
halten Sie davon?

Mickos: Nun ja, ein Vorstoß in den Grid-Bereich ist für Datenbänker grundsätzlich von
Interesse. Doch zunächst sollte man wie bei jedem Modewort einmal klarlegen, was man denn nun
unter ‘Grid’ versteht. Für uns ist das eine interessante Sache: Man setzt neue Steine hinzu und erhält
mehr und größere Bauten. Datenbanken sind nach diesem Modell besonders schwer zu griddeln.

silicon.de: Warum?

Mickos: Für uns ist ein Grid die Chance, günstige Hardware zu integrieren und die
Datenbank dadurch wesentlich stärker zu machen, ohne dass die Applikation davon berührt wird,
also ohne Upgrade-Druck. Aber dazu gibt es derzeit wenig realistische Ideen. Ein Grid heißt ja
schließlich, dass die Hardware auch unternehmensextern ist. Das macht die Verteilung einer internen
Datenbank heikel. Wie wollen Sie externe Kapazitäten kontrollieren? Das ist derzeit technisch nicht
machbar.

silicon.de: Die Zeit ist also Ihrer Ansicht nach nur noch nicht reif dafür?

Mickos: Die Software-Branche leidet gern an der Krankheit, erst alles anzukündigen
und dann nichts zu liefern. Das ist in keiner anderen Branche so. Sie kommt auch manchmal damit
durch, wenn sie mit der Nachfragesteigerung auch gleichzeitig die praktische Umsetzung für die
Realisierung aus dem Hut zaubern kann. Wir sind da aber sehr pragmatisch und beteiligen uns erst
dann am Marktgeschehen, wenn wir etwas Lauffähiges mitbringen. Der Bedarf für Datenbanken auf
Grid-Basis ist durchaus spürbar, aber so etwas ist eben schwierig umzusetzen.

silicon.de: Alle Software-Unternehmen außer MySQL lügen also?

Mickos: Nein, aber in den letzten Jahren hat sich Software eben für die Kunden zu einer
Art mystischem Geheimnis entwickelt, auch durch die Schuld der Hersteller. Das wollen wir ändern.
Die Anwender haben sich leider zu sehr an diese Situation gewöhnt und zahlen auch ganz
selbstverständlich viel zu viel für Software. Gleichzeitig erwarten sie, dass Software von Leuten mit
einem IQ von 300 gemacht wird. Diese romantische Vorstellung halten wir für unnütz und schädlich.
Software wird die Welt nicht retten und Datenbanken sind eine Komponente der IT wie jede andere
auch. Deshalb betrachten wir uns auch als die “Dells der Datenbank-Branche”: Wir machen dasselbe
wie alle anderen, nur eben ein bisschen klüger und auf Open-Source-Basis zu einem fairen Preis. Das
ist unser ganzes Geheimnis.

silicon.de: Nun hat ja die Partnerschaft mit einem weiteren Hersteller proprietärer
Software, SAP, vor einigen Monaten viel Staub aufgewirbelt. Wie läuft die Partnerschaft mit dem
Großkonzern?

Mickos: Wir sind keine Firma, die viel Gedöns macht, denn eine wirklich große und
solide Firma wächst langsam. Daher gibt es auch über die Partnerschaft mit SAP nichts
Spektakuläreres zu berichten, als dass sie sehr gut anläuft.

silicon.de: Was genau läuft gut an?

Mickos: Die technischen Arbeitszyklen mit SAP betragen einige Monate. Dann haben wir
so eine Art bilaterales Projekt abgeschlossen. Derzeit befinden wir uns im ersten solchen Zeitfenster,
wir tüfteln an interner Technik-Anpassung; das heißt, dass wir uns über die einzelnen Features klar
werden und erste interne Interoperabilitäts-Tests durchführen. Bald haben wir dann ein großes
Kickoff-Treffen mit den Walldorfern, auf das wir uns sehr freuen. Dennoch wird das mit Spannung
erwartete nächste Release von MySQL, das die von der SAP geforderten Enterprise-Eigenschaften
beinhaltet, noch zwei bis drei Jahre auf sich warten lassen.

silicon.de: SAP ist als etablierter Konzern wohl vor allem ein Türöffner für Sie?

Mickos: Natürlich hilft uns der Name SAP in einer unserer neben den USA wichtigsten
Sales-Regionen, dem deutschsprachigen Raum mit Deutschland, Österreich und der Schweiz. Doch
zunächst einmal sind wir selbst durch die Partnerschaft gewachsen – wir mussten fünf neue
Datenbank-Profis für die zusätzlichen Aufgaben einstellen. Auf SAP-Seite helfen uns die bisherigen
SAP DB-Abteilungsleute sehr schnell und unbürokratisch. Wir genießen Unterstützung von höchster
Ebene bei SAP und arbeiten täglich mit den Datenbank-Profis von Walldorf zusammen.

silicon.de: Wie gestaltet sich die Partnerschaft konkret?

Mickos: Was wir an der SAP schätzen ist, dass sie wie wir sehr pragmatisch arbeitet.
Außerdem haben wir mit dem Hersteller so umfangreicher Anwendungen wie R/3 nicht nur einen
Partner, sondern gleichzeitig einen anspruchsvollen Kunden gewonnen. Das ist ähnlich wie bei einem
guten Weinproduzenten (das sind wir) – und einem feinsinnigen Weinkenner (das ist die SAP): Was
bei einer solchen Begegnung herauskommt, ist zwangsläufig der Beginn einer wunderbaren
Freundschaft.

silicon.de: Die Partnerschaft mit Novell ist ja nun schon etwas älter und anders
gelagert. Wie läuft es hier?

Mickos: Wir haben vor einem Jahr ungefähr mit Novell vereinbart, dass wir ganz
einfach unsere Datenbank gegen Geld liefern. Für uns bedeutete das, mittelbar an deren langjährige
und treue Stammkundschaft herantreten zu können. Novell hat die Welt vor einiger Zeit schwer
überrascht mit dem Willen, sich um Linux zu kümmern. Dazu hat natürlich der Zukauf von Ximian
stark beigetragen, aber eben auch die Partnerschaft mit uns.

silicon.de: Wie reagierten die Novell-Anwender auf die Präsenz von MySQL?

Mickos: Als alte Stammkundschaft sind sie natürlich erfahrene Software-Kenner und
nicht gleich Feuer und Flamme für alles Neue, was ihnen gezeigt wird. Selbst wenn Novell zu ihnen
sagt: ‘Wir verkaufen jetzt auch Würstchen’, dann drängeln sich natürlich nicht alle gleich nach vorn.
Aber in Gesprächen stießen wir immer wieder auf Neugier und Wohlwollen, sich mit uns auseinander
zu setzen. Für uns ist das erst der Anfang unserer Beziehungen zu Novell.

Silicon-Redaktion

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