Die diesjährige Konferenz der Sun-Anwender und -Entwickler in San Francisco markiert einen Wendepunkt in der Firmengeschichte des Computerherstellers. Der ehemalige Liebling der New Economy wurde durch den Crash noch härter als seine Rivalen IBM und HP getroffen und hatte in den letzten beiden Jahren zusätzlich mit der zunehmenden Popularität von Linux auf billigen Intel-Servern zu kämpfen – als Alternative zu den eigenen, teureren Solaris-Systemen. Zeit also für eine radikale Abkehr von alten Geschäftsmodellen und für die Neudefinition der langfristigen Strategie, die auf dem SunNetwork-Kongress kommuniziert wird.
Suns CEO Scott McNealy ließ schon in den vergangenen sechs Monaten keine Gelegenheit aus, seine neue Philosophie scheibchenweise kund zu tun. Transparenz in der Software-Lizenzierung, Kosteneffizienz für die Anwender und das Comeback der Komplettlösungen sind die drei Säulen, die das neue Geschäftsmodell stützen. Die IT-Industrie sei viel zu kompliziert geworden, tönte McNealy letzte Woche auf der Oracle-Anwenderkonferenz. Sie lasse die Anwender mit vielen Einzelkomponenten alleine, aus denen sie dann jeder für sich “den eigenen Karren bauen sollen”.
Dem entsprechend will Sun künftig seinen Kunden ganzheitliche Lösungen anbieten, und das schlägt sich vor allem in der neuen Lizenzpolitik für Software nieder. Die Kunden sollen pauschal alles bekommen, was Sun an Software zu bieten hat, und für die Preiskalkulation wird nicht einmal ein Taschenrechner notwendig sein. Runde 100 Dollar pro Angestellten und Jahr sollen Unternehmenskunden für das ‘Java Enterprise System’ berappen, und darin enthalten sind das Betriebssystem, Identity Management, Portal-Software und -Middleware, Clustering, sowie serverseitige E-Mail- und Kalenderanwendungen. Im Preis inbegriffen sind vierteljährliche Updates für alle Module, Support und in begrenztem Maße auch Schulung.
Im selben Kontext kommt auch Suns Offensive auf den Desktop daher: Das Projekt Mad Hatter, nichts geringeres als ein voll ausgestatteter Linux-Desktop für Nutzer im Unternehmen, wird nun endlich aus dem Hut gezogen. Für 50 Dollar mehr pro Nutzer und Jahr können Kunden ihre Clients mit Suse-Linux, StarOffice, Mozilla-Browser, E-Mail, Java-basierter Security-Funktionalität, PDF-Viewer und RealPlayer ausstatten. Auch bei diesem, offiziell nun ‘Java Desktop System’ genannten Lizenz-Bundle, sind die Updates im Preis inbegriffen.
Überhaupt scheint die neue Rolle der Software in Suns Geschäftsmodell die größte Veränderung zu sein im Vergleich zu Zeiten, als “Software nur ein Hilfsmittel war, um die Kisten zu verkaufen”, wie ein hochrangiger Sun-Angestellter neulich bestätigte. Das unterstreicht auch die Tatsache, dass nun Entwicklungssoftware nach dem selben Prinzip lizenziert wird wie die erwähnte System- und Anwendungssoftware. Zu den Neuheiten auf dem Kongress gehört die neue Entwicklungsumgebung ‘Java Studio’, die Anfang nächsten Jahres ausgeliefert werden soll. Sie soll 18,95 Dollar pro Entwickler und Jahr kosten. Für das Komplettpaket aus Enterprise, Desktop und Studio wäre 155 Dollar pro Arbeitsplatz und Jahr fällig.
Erste Einschätzungen von Suns neuer Strategie seitens Analysten in den USA waren durchweg positiv. “Was Sun macht ist schon revolutionär für den Enterprise-Markt”, bemerkte Shawn Willett von Current Analysis gegenüber der New York Times. Er und andere Analysten sehen in der neuen Lizenzpolitik vor allem die Chance für Sun, tatsächlich Komplettlösungen erfolgreich anzubieten. Die Vorhersehbarkeit der Kosten für wesentliche Teile der IT-Infrastruktur und das Wegfallen von Integrationskosten würden Kaufentscheidungen erleichtern.
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