Fun ist Ernst!
Herrlich! Es geht wieder los: ranklotzen, was das Zeug hält – von Morgens bis Abends. ‘s ist aber auch dringend nötig. Denn die meisten sind inzwischen doch wirklich völlig ausgebrannt – vom Sommer.
Herrlich! Es geht wieder los: ranklotzen, was das Zeug hält – von Morgens bis Abends. ‘s ist aber auch dringend nötig. Denn die meisten sind inzwischen doch wirklich völlig ausgebrannt – vom Sommer.
Der Sommer ist die Jahreszeit, in der man Fun hat – besser: Fun zu haben hat, sonst halten einen ja alle für einen Loser. Die ‘ing’-Saison: Trekking, Biking, Rafting, Paragliding und Bungee-jumping. (Die Freizeit-Industrie hat mehr englische Gerundien hervorgebracht als die IT-Branche.)
Und das alles ist kein Spaß! Was man den Leuten ja auch ansieht. Verständlich – jedenfalls irgendwie vielleicht. Gutes Geld haben die schließlich in ihr Spitzen-Equipment investiert, um ernsthaft Fun machen zu können. So was tut man nicht zur Gaudi.
Sogar beim Waldlauf trifft man inzwischen auf Kampf-Funner, wobei jene selbstverständlich keinen Waldlauf machen, sondern Jogging. Das ist das, was man in kurzen, hautengen (Marken-)Hosen betreibt.
Wenn er sich ein bisschen anstrengt, der Jogger, dann kann sogar er gut und gerne 1000 Euro und mehr für eine professionelle Ausrüstung ausgeben – wie die anderen Leute, die richtig gut, und trendy, drauf sind.
Ein altmodischer Waldläufer hingegen weiß meist nicht einmal, was Schuhe und Trainingshose gekostet haben, weil das Zeug oft Jahre vor der (Euro-)Währungsreform gekauft worden ist. Er gehört zu jener archaischen Spezies, die der schieren epikuräischen Lust am Davon-Laufen frönen.
Des Waldläufers Alptraum: irgendwann bei diesem befreienden Akt auf eine Horde Jogger zu treffen. Und mitten drin – nein, ganz vorne dabei: unser Bundesaußenminister Joseph Fischer! Der Mann war schließlich immer vorne dabei: beim Straßenkampf in Frankfurt, bei der rot-grünen Alternative in Hessen, bei der Neuen Mitte in Berlin, beim ersten Bundeswehr-Einsatz außerhalb des NATO-Gebiets und beim bundesweiten Rentner- und Kranken-Klatschen unter der Überschrift “Reform des Sozialstaats”.
Aber auch für die, die’s nicht so weit gebracht haben, gilt: Fun ist Ernst! Man sieht’s an den gestählten Mädels – jenen, die nie auf die Idee kommen würden, die Bundeswehr wegen Diskriminierung zu verklagen. Wozu auch? Was ist ein Drill-Sergeant gegen eine Aerobic-Trainerin?
Früher ist man vielleicht einmal Sonntags eher aus der Wirtschaft heimgegangen, weil man am Montag halt hat fit sein müssen – von wegen der Arbeit. Heute steht man hingegen schon am Freitag unter Druck. Das Wochenende naht: “Fit for Fun!” Im Ernst. Es gibt sogar eine Illustrierte, die so heißt.
Und im Fernsehen laufen überall Casting-Shows, wo Halbwüchsige sich freiwillig öffentlich runterputzen lassen. Popstars wollen die Rotznasen werden. Aber es geht dabei nicht um Musik. Es geht um Leistung.
Bemerkenswert, wie die Youngsters da drauf abfahren! Wenn ein Lehrer sich so aufführen würde … dann würden bestimmt die 68er beeinflussten Eltern zum Beschweren geschickt.
Und das ist das Schöne an der IT. Da ist es anders. Da lautet die Erfolgsmaxime “Just for Fun”. Das ist die von Linus Torvalds. So heißt auch seine Autobiographie. Weil’s eine “Welt der Logik” sei, deshalb habe er schon als Kind dort Unterschlupf gesucht, schreibt er.
Es ist schon eine Klasse-Welt, diese Welt der Logik. Unendlich viele Software-Layer türmen sich haushoch übereinander. Daten bilden multidimensionale Hypercubes. Kühne Architekturen gibt es. Und über allem liegt die Aura der Virtualität.
Unumschränkt herrscht der reine Geist. Deshalb findet dort auch der scheue Waldläufer Asyl, wenn eng behoste Jogger ihn aus seinem angestammten Lebens- und Fluchtraum vertrieben haben.
Geist lässt sich nicht drillen – auch nicht mit Aerobik. Für das, was eine Trendsportart kostet, kann man sich ein ganzes LAN anschaffen. Und nie läuft man am Rechner Gefahr, einer Horde Jogger zu begegnen, die vom Bundesaußenminister angeführt wird.