Categories: Management

Gutes Projektmanagement ist selten – aber man kann es lernen

Peinlicher geht es kaum: Das Betreiberkonsortium ‘Toll Collect’ um DaimlerChrysler und Deutsche Telekom musste den Start des deutschen Lkw-Mautsystems erneut verschieben. Softwarefehler verhindern den überfälligen Testlauf. Wie konnten sich die Projektverantwortlichen so verplanen?
Das Problemprojekt ‘Mautsystem’ ist nur die Spitze eines Eisbergs. Denn die Dunkelziffer gescheiterter Projekte bei deutschen Unternehmen ist hoch, Manager reden aus Sorge um das Firmenimage nur hinter vorgehaltener Hand über Pleiten, Pech und Pannen. Statt dessen werden die aufgelaufenen Verluste stillschweigend abgeschrieben.

“Alibi-Projektmanagement” nennt Fred Schröder von Pürckhauer, Schröder & Partner (PS) in Sauerlach bei München, zertifizierter Projektmanagement-Trainer und Gerichtsgutachter, das teils chaotische Vorgehen in deutschen IT-Projekten. Wenn er als ‘Feuerwehr’ in Problemprojekte gerufen wird, steht den Projektverantwortlichen das Wasser meist bis zum Hals. Schröder diagnostiziert: “Häufig passieren schon bei der Planung schlimme Unterlassungen und Fehler.”

Schlimme Fehler bei der Planung

Meist mangelt es den Unternehmen an geschultem Projektpersonal, das drohende Gefahren frühzeitig erkennt. Entwicklungszeiten werden zu optimistisch eingeschätzt, Kosten zu niedrig. Daran, dass wichtige Know-how-Träger krank werden, kündigen oder in Urlaub gehen, denkt niemand. Selbst minimales Projekt-Controlling ist vielen Firmen noch zu aufwendig. Eine Notfallplanung gibt es nicht. Aus Angst, ihr Projekt könnte abgebrochen werden, verschweigen IT-Projektleiter dem Management die Projektrisiken – zum Beispiel die Tücken einer neuen Technik.

Stellenbezeichnungen wie ‘Projektmanager’ oder ‘Projektleiter’ werden inflationär benutzt und in jedem Unternehmen anders interpretiert. “Nicht überall, wo Projektmanagement draufsteht, ist auch welches drin”, hat Fred Schröder in 30 Jahren Berufserfahrung beobachtet. Schwierigkeiten sind vorprogrammiert, wenn Manager Mitarbeiter ohne Projektmanagement- und Führungserfahrung nach einem Wochenend-Schnellkurs mit Millionenprojekten betrauen. So verschleißen Unternehmen exzellente Fachkräfte in Projektleitungsfunktionen, denen diese kaum gerecht werden können.

Defizite eröffnen Chancen

Der Nachholbedarf vieler Unternehmen beim Projektmanagement eröffnet ehrgeizigen Mitarbeitern interessante Karrierechancen: durch die Qualifizierung zum Projektmanagement-Fachmann (PMF), international Certified Project Practitioner GPM/IPMA genannt. Die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) hat Standards für Qualifizierung, Terminologie und Inhalte von Projektmanagement definiert. Diese Standards sollen bundesweit ein einheitliches Verständnis von dieser Disziplin schaffen. Zertifizierte Trainer vermitteln sie Interessenten – idealerweise mit Berufserfahrung – aus allen Branchen.

Der berufsbegleitende Zertifikatskurs zum PMF dauert in der Regel mehrere Monate. Etwa ein Dutzend Präsenztage sind dafür vorgesehen, der Rest ist Heimarbeit. Er umfasst unter anderem Ablauf- und Terminmanagement, Projektsteuerung, Dokumentation sowie Vertrags-, Risiko-, Qualitäts- und Mehrprojektmanagement. Dazu kommen praktische Arbeitshilfen wie Kreativitätstechniken oder Methoden zur Problemlösung. ‘Soft Skills’, die Fähigkeit zum richtigen Umgang mit Mitarbeitern, spielen eine zentrale Rolle. Einen weiteren Schwerpunkt bilden praktische Übungen. Zum Abschluss müssen die Teilnehmer eine fünfstündige Prüfung ablegen, die einigen Lernaufwand erfordert. Voraussetzung für die Prüfungszulassung ist ein ausführlich dokumentiertes Arbeitsprojekt.

Die Absolventen wissen nach bestandener Prüfung, wie drohende Terminverschiebungen, Kostenüberschreitungen und Qualitätsprobleme rechtzeitig entdeckt und kommuniziert werden können. Sie sind aber auch in der Lage einzuschätzen, wann ein Projekt abgebrochen werden muss – zum Beispiel, wenn die Technik sich schon vor der Fertigstellung als Flop erweist.

Ausbildungsstrategie fehlt

Eine zielgerichtete Ausbildungsstrategie haben bisher allerdings nur wenige Firmen. Müssen Projektmitarbeiter unbedingt in Projektmanagement geschult werden? Intuition und eine Portion Erfahrung genügen doch, so die weit verbreitete Meinung. Roland Ottmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) und geschäftsführender Partner von Ottmann & Partner Management Consulting, hält dagegen: “Projektarbeit setzt sich bei uns in Deutschland, aber auch international immer stärker durch. Ohne systematisches Projektmanagement ist es praktisch unmöglich, dass ein Team ein völlig neues Thema ordentlich aufsetzt und die Projektziele im vorgegebenen Zeit-, Kosten- und Qualitätsrahmen erreicht.”

Projektmitarbeiter sollten seiner Ansicht nach unbedingt wichtige Projektmanagement-Methoden kennen, zum Beispiel Risikomanagement, Projekt-Controlling oder Teamführung. “In einem Projektteam treffen viele unterschiedlich gepolte und ausgebildete Menschen mit den verschiedensten Erfahrungen zusammen. Da entstehen Probleme und Konflikte, die nur geschultes Projektpersonal in den Griff bekommen kann, zum Beispiel durch professionelles Konfliktmanagement”, so Ottmann. “Schließlich soll das Team seine Arbeitszeit doch effizient einsetzen und sich nicht mit vermeidbaren Problemen aufhalten.”

Absolventen wollen Professionalität

Das IZB Informatik-Zentrum verfolgt bereits eine konsequente Qualifizierungsstrategie im Projektmanagement. Carolin Sacher, dort als Projektmanagement-Fachfrau im Bereich Netzplanung tätig, hat den PMF-Kurs bei Fred Schröder gemeinsam mit mehreren Kollegen absolviert. “Der Markt fordert professionelles Projektmanagement. Die Zertifizierung unterstützt Projektleiter dabei, der Verantwortung gerecht zu werden, die mit der Leitung von Projekten verbunden ist”, resümiert die 30-Jährige. Durch diese Bescheinigung seines Know-hows erhalte man mehr interne und externe Anerkennung. “Das Ansehen der Firma wird gesteigert.” In Firmen, die kein professionelles Projektmanagement einsetzen, würden dagegen nur “Quasi”-Projekte durchgeführt, um den Marktanforderungen nach außen hin zu genügen. “Währenddessen wiegt sich der Kunde oder das Management in Sicherheit, da die Fassade eines echten Projekts aufrechterhalten wird.”

Auch Projektmanagement-Fachmann Erich Taube, Ingenieur bei einem Automobilzulieferer, hat vor kurzem seine PMF-Prüfung bei Schröder abgelegt. Er bilanziert: “Die strukturierte Vorgehensweise aus dem Kurs ist praktikabel. Ich habe einige Dinge dazugelernt, die meine Arbeitsweise positiv beeinflusst haben.” Seine Prognose für die Zukunft: “Die Bedeutung von Projektmanagement wird wachsen.”

Silicon-Redaktion

Recent Posts

IT 2025: IT-Führungskräfte erwarten massiven KI-Ruck

Einsatz von KI-Lösungen wirbelt auch in deutschen Unternehmen die Liste der Top-Technologieanbieter durcheinander.

4 Stunden ago

Sofortzahlungen im Wandel: Sicherheit und KI als treibende Kräfte

Echtzeitüberweisungen erfüllen die Erwartungen der Nutzer an Geschwindigkeit, sind jedoch anfällig für spezifische Sicherheits- und…

7 Stunden ago

Blockaden und Risiken bei APM-Projekten vermeiden

Application Portfolio Management (APM) verspricht Transparenz, mehr IT-Leistung und Effizienz – theoretisch.

2 Tagen ago

BSI-Bericht: Sicherheitslage im Cyberraum bleibt angespannt

Im Berichtszeitraum Mitte 2023 bis Mitte 2024 wurden täglich durchschnittlich 309.000 neue Schadprogramm-Varianten bekannt.

3 Tagen ago

KI-Hype in der Cybersicherheit – oder besser doch nicht?

KI kommt in der Cybersicherheit zum Einsatz, etwa um Abweichungen im Netzwerkverkehr zu identifizieren. Ist…

3 Tagen ago

Netzwerksegementierung schützt vor Angriffen über die OT

Ungepatchte und veraltetete Maschinen-Software ist ein beliebtes Einfallstor für Hacker, warnt Nils Ullmann von Zscaler…

4 Tagen ago