Für Georg W. Bush wird es eng. Der Texaner ist der erste US-Präsident nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in dessen Amtszeit mehr Jobs verloren gingen, als neue hinzukamen. Bush schaffe keine Arbeit und tue nichts dagegen, dass US-Jobs in Richtung Indien verschwinden, sagen seine Gegner. Outsourcing wurde so zum Wahlkampfthema.
Anfang Februar hatte Gregory Mankiw, Bushs oberster Wirtschaftsberater, kräftig Wasser auf die Mühlen der Bush-Gegner gegossen. “Outsourcing ist etwas, von dem wir einsehen sollten, dass es langfristig von Vorteil für die Wirtschaft ist”, hatte Mankiw der US-Presse in die Federn diktiert. Die Opposition freute sich über die Steilvorlage. “Sie haben schon Millionen Stellen zerstört und wollen noch weitere Jobs ins Ausland bringen?”, polterte John Kerry, der aussichtsreichste Kandidat der Demokraten. Der demokratische Senator Ted Kennedy diagnostizierte gar “unpatriotische Wirtschaftswissenschaften”. Die Regierung begreife die menschlichen Dramen nicht, die mit dem Auslagern von Jobs in Niedriglohnländer einhergingen, meinte Kennedy.
Bush zog die Notbremse und pfiff seinen Chef-Ökonomen zurück. “Wir müssen sicherstellen, dass mehr Jobs im Land bleiben”, so der Präsident auf einer Wahlkampfveranstaltung in Harrisburg. Mankiw hat sich mittlerweile per Brief entschuldigt. Seine Äußerung sei nicht eindeutig genug gewesen, schrieb der Harvard-Ökonom. Er begrüße keineswegs den Verlust amerikanischer Arbeitsplätze. Am besten sei es, die Arbeitnehmer auf einen Wandel vorzubereiten.
Die Outsourcing-Gegner sammeln sich derweil unter einem neuen Fähnlein. Der demokratische Senator Christopher Dodd und Gleichgesinnte haben das ‘Jobs and Trade Network’ (JTN) gegründet. Dem JTN gehören bereits 15 Organisationen an. Darunter sind die Gewerkschaft ‘United Steelworkers of America’, die Initiative ‘Made in the USA’ und die gemeinnützige ‘American Engineering Association’. Besonders diese Organisation darf als kampferprobt gelten. Seit 1979 betreibt sie nach eigener Darstellung den “Schutz der amerikanischen Hochlohn-IT-Jobs”. Auf ihrer Website www.aea.org prangert die Organisation unter dem Link ‘Fighting Outsourcing’ alle US-Firmen an, die Outsourcing betreiben.
Das JTN hat eine neue Strategie ausgetüftelt. Die Idee: Kombination verschiedener Gesetzesinitiativen. Unter Beschuss stehen die Visa-Vergabe, die Handelspolitik und die Steuergesetze. Besonders die H1-B und L-1 Visa sind dem JTN ein Dorn im Auge.
Mit einem H1-B Visum heuern US-Unternehmen qualifizierte Ausländer wie etwa Ingenieure oder Programmierer an. H-1B Visa sind maximal sechs Jahre gültig. Ein Ausländer mit einem L-1 Visa kann Leiter oder Manager werden. Dieses Visum wird höchstens sieben Jahre verlängert. Wenn der Inhaber ein Jahr in Amerika arbeitet, kann er eine ständige Aufenthaltsgenehmigung beantragen.
Die beiden Visa-Programme erschweren es Amerikanern, einen Job im eigenen Land zu finden, sagen die Kritiker. Besonders indischstämmige Firmen stehen unter dem Verdacht, die Programme auszunutzen. Die US-Filialen dieser Unternehmen schleusen per H1-B oder L-1 Visa ausländische Angestellte in die USA, statt Amerikaner einzustellen, so der Vorwurf. Der demokratische Senator Christopher Dodd hat im letzten Jahr ein Gesetz eingebracht, dass Firmen die Nutzung von L-1 Visa erschweren soll. Dodd ist einer der bekanntesten Outsourcing-Gegner. Anfang Februar hatte er seinen ‘US Workers Protection Act’ der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit will er verbieten, dass Outsourcing mit Mitteln der öffentlichen Hand betrieben wird.
Ein Kollege Dodds, der demokratische Senator Tom Daschle, hat sich den ‘Jobs for America Act’ ausgedacht. Danach sollen US-Firmen, die mehr als 15 Stellen ins Ausland verlagern, dieses drei Monate im voraus den Washingtoner Behörden melden und begründen. Die Initiativen von Dodd und Daschle sind noch auf dem Weg durch die Instanzen. Der voraussichtliche Bush-Herausforderer Kerry hat derweil mit der Ankündigung für Schlagzeilen gesorgt, nach einem Wahlsieg alle US-Handelsabkommen überprüfen zu wollen.
Was die Bush-Administration Kerry & Co. entgegensetzen wird, ist noch unklar. US-Handelsminister Don Evans hat in einem kürzlich ausgestrahlten Fernsehinterview vorsichtig für das Outsourcing Partei ergriffen. Die britische Regierung erklärte weitaus eindeutiger, dem Protektionismus eine Abfuhr erteilen zu wollen.
Gegen protektionistische Absichten der US-Regierung spricht, dass Bush im Januar ein neues Gastarbeiter-Programm angekündigt hat. Das soll es Ausländern ermöglichen, weniger qualifizierte Jobs zu übernehmen, wenn dafür kein Amerikaner gefunden werden kann. JTN & Co. befürchten freilich, dass Bush das Programm auch auf höher qualifizierte Tätigkeiten ausdehnt.
Dagegen bleibt das Handelsbilanzdefizit von 500 Milliarden Dollar ein kritischer Faktor. In den letzten drei Jahren sind in den USA drei Millionen Jobs verloren gegangen. Dieses Dilemma schreit nach einem Sündenbock. Es bleibt abzuwarten, ob die Bush-Administration auf die Linie der Outsourcing-Gegner einschwenkt oder nicht.
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