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Handy-Festspiele in Cannes

Gibt es irgendwo auf dieser großen Welt noch einen Platz, an dem man sich so richtig deutsch fühlen kann und das nicht als Defizit empfinden muss?
Es gibt. Der Ort heißt Cannes. Dort hat diese Woche die 3GSM stattgefunden, eine Messe mit angeschlossenem Kongress.

Eigentlich reist man als Deutscher ja nicht gern nach Frankreich, weil Kosmopolit ist man schließlich nicht so sehr. English – gut, das hat man halt lernen müssen – mit dem teutonisch [se] ausgesprochenen “the”. Aber gleich noch eine Fremdsprache.

Darüber allerdings hilft einem auf der 3GSM das sprichwörtliche französische Organisationstalent hinweg. Dank dem lernt der Besucher sehr schnell: Die chronisch abgeschlossenen Türen etwa heißen auf Französisches “Entrée”.

Eigentlich bringt man Cannes ja eher mit Eleganz und Stil in Verbindung. Aber damit ist’s auch nicht mehr allzu weit her. Während der 3GSM projizieren die Telekommunikationskonzerne ihre Werbebotschaften auf die Gründerzeitfassaden der Hotels an der Croisette.

Das Majestic dient als Leinwand für das koreanische LG-Logo. Und das berühmte Carlton ist in T-Mobile-Pink getaucht.

Kein Zweifel: Es geht wieder aufwärts. Wenn die Branche sich großflächige Geschmacklosigkeiten ganz offenkundig wieder viel Geld kosten lassen kann. Na ja, und die Bourgeoisie an der Cote d’Azur ist halt auch nicht mehr das, was sie mal war.

Als Ausstellungshalle dient das Palais des Festivales, ein futuristisch verwinkelter Bau, in dessen Innern die phantasievolle Anordnung der Messestände jeder eindimensionalen Logik trotzt. Konferenzräume sind auf Yachten im nahen Hafen ausgelagert oder in – um die vorletzte Jahrhundertwende herum errichtete – Privat-Villen jenseits der pittoresken Strandpromenade.

Das alles führt dazu, dass im Umfeld von gerade mal  526 Messeständen in Cannes mehr von dem entsteht, was Schöngeister euphemistisch als kreatives Chaos bezeichnen, als bei 6000 Ausstellern in Hannover. Dem Schreiberling aber tun die Füße weh.

Man fremdelt ein wenig an der Cote d’Azur, wenn man nur die wenig ausgeprägte Plüschigkeit deutscher und US-amerikanischer High-Tech-Veranstaltungen kennt. Völlig unvorstellbar etwa wäre es hierzulande, eine Messe am ersten Tag erst nach dem Mittagessen zu eröffnen.

Zuvor verweisen einen unhöfliche Uniformierte in stark gebrochenem Englisch – “No. Two o’clock!” – des Saales. Schlechtes Benehmen, ein herrischer Ton und mangelhafte Fremdsprachenkenntnisse – da fühlt man sich dann doch schon fast wieder ein bisschen zuhause.

Eine Messe, organisiert von mediterranen Bonvivants, denen ganz offenkundig jedes Verständnis für die Befindlichkeiten calvinistischer Krämerseelen oder von Schreiberlingen mit südwestdeutsch zwanghafter Arbeitsmoral fehlt. Derart missachtet, überkommt einen das dringende Bedürfnis, etwas Schlechtes zu sagen – über einen Wirtschaftszweig, der seine Leitveranstaltung in der Art eines Schickeria-Events abhält.

Wohlan! Vielleicht fällt’s ja auch gar nicht auf – dass es beleidigend gemeint ist: Die Handy-Branche passt zu Cannes.

In beiden geht’s schließlich recht fancy zu – übersetzt: phantasievoll oder – was im Englischen dasselbe ist: modisch schick. Cannes hat dazu die Filmfestspiele, wobei die prämierten Streifen allerdings nie so phantasievoll sind wie die Visionen und Prognosen im Telekommunikationsgeschäft.

Einen Kinofilm abzudrehen, kostet Millionen. Wenn er ein Erfolg wird, bringt er ein Vielfaches ein. Wenn nicht, beschwert sich aber auch niemand. So sind halt die Gesetze, die in dem Geschäft gelten.

Das mit der Rendite auf gut inszenierte Phantasien wollte die Telekommunikationsindustrie ja auch. Aber nachdem die Milliarden für die elektromagnetisch angeregten Luftschlösser – die UMTS-Lizenzen – in den Sand gesetzt waren, hätten die Loser ihren Einsatz am liebsten wieder zurückgehabt.

Allerdings was will man schon von einer Branche erwarten, deren Produkte wie lärmende Kinderspielzeuge anmuten. Wobei einige Rotznasen ja so gut erzogen werden, dass sie still sind, wenn ein Erwachsener spricht. Vor allem, wenn dies von einem Podium aus in einem Kongress-Saal geschieht. Der Benimm etlicher Handy-Besitzer reicht für derartiges hingegen nicht aus.

So! Soviel zur schicksten aller Leitmessen. Nächsten Monat wird’s besser. Da geht’s dann wieder zur CeBIT in die freudloseste Stadt Deutschlands, nach Hannover.

Und im Herbst gibt’s die Systems in der bayerischen Landeshauptstadt. Das Schönste seit der Erfindung der preußischen Ordnung. Da treten sogar die Messehallen in Zweierreihe an. Da ist man dann wieder daheim.

Silicon-Redaktion

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