Nanotechnik: Nach dem Internet-Boom das ‘nächste große Ding’

Wenn die Chipindustrie nicht bald neue Produktionsmethoden erfindet, dann stellt sie Chips bald so her, wie die Mönche im Mittelalter ihre Bibeln: langsam und eine nach der anderen. Das meinte David Yen, Executive Vice President Processor and Network Products bei Sun, Mitte Februar in der US-Presse. Die Unternehmen kämen jetzt an ihre technischen Grenzen, weil sie keine Chips herstellen könnten, die kleiner als 90 Nanometer sind.
Doch der Industrie könne geholfen werden, so Juri Matisoo, Vice President of Technology des Branchenverbandes SIA (Semiconductor Industry Association). Die Lösung: Nanotechnik. Diese Technik erhöht die Speicherkapazität der Chips um das Tausendfache. Und: Sie helfe der Industrie, die Tradition aufrechtzuerhalten, alle zwei Jahre eine neue Generation von billigeren und schnelleren Chips auf den Markt zu bringen.

Die heutigen Produktionstechniken reichten noch für vier oder fünf Chipgenerationen, sagte Matisoo in US-Medien. Spätestens 2011 sei mit ihnen Schluss. Ohne neue Produktionstechniken schaffe es die Industrie nicht, Chips mit Strukturen kleiner als 22 Nanometer herzustellen. Die kleineren Chips könnten auf ‘Nanofäden’ oder ‘Nanoröhrchen’ basieren, so Matisoo. Unter Nanofäden versteht man dünne Fäden aus Silizium-Atomen. Nanoröhrchen sind winzige Schläuche aus Kohlenstoff-Atomen.

Matisoo rennt bei den Unternehmen offene Türen ein. IBM und NEC überbieten sich bereits im Verkleinern. Infineon, Samsung und Chartered Semiconductor entwickeln gerade zusammen mit IBM 65-Nanometer-Prozessoren. Branchenprimus Intel macht derweil mit dem kalifornischen Start-up Nanosys gemeinsame Sache.

Ende Februar sorgte Infineon für Schlagzeilen. Forscher des Halbleiter-Herstellers haben erstmals Kohlenstoff-Nanoröhrchen genutzt, um Chips herzustellen. Die Erfindung sei ein Durchbruch für die Nanotechnik, meldete die Nachrichtenagentur dpa. Bislang sei man davon ausgegangen, dass sich die Kohlenstoff-Nanoröhrchen nicht für die hohen Spannungen und Stromstärken in Chips eigneten.

Nicht nur bei den Unternehmen stoßen Matisoos Ratschläge auf offene Ohren sondern auch in der Politik. Das amerikanische ‘National Nanotechnologiy Coordination Office’ wird dieses Jahr eine Milliarde Dollar in die Nanotechnik-Forschung stecken. Zwischen 2005 und 2008 werden weitere 3,7 Milliarden Dollar investiert.

Die EU-Kommission buttert bis 2006 etwa 24 Millionen Euro in das Projekt ‘NanoCMOS’ (Complementary Metal Oxide Semiconductor). In diesem Projekt haben sich Infineon, Philips und ST Microelectronics zusammengeschlossen, um die 45-Nanometer-Technik voranzubringen. In der zweiten Projektphase geht es ab 2006 um 32- und 22-Nanometer-Strukturen.

Auch Deutschland macht seine Nanotechnik-Hausaufgaben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schiebt in den nächsten vier Jahren mit rund 200 Millionen Euro die ‘Deutsche Innovationsinitiative Nanotechnologie’ an. Die Initiative besteht aus vier Teilprojekten: NanoFab (Elektronik), NanoMobil (Automobilbranche), NanoforLife (Biowissenschaften) und NanoLux (Optische Industrie).

Die Regierung wolle mit der Initiative den “internationalen Vorsprung Deutschlands in der Nanotechnik ausbauen”, sagte Forschungsministerin Edelgard Bulmahn. Bei der Übertragung der Forschungsergebnisse in die Produktion gebe es noch Mängel. Die Ministerin forderte von der Finanzwirtschaft mehr Risikobereitschaft. In Deutschland gebe es zu wenig Venture Capital (Wagniskapital), so Bulmahn.

Dieser Kelch geht an den amerikanischen Venture Capitalists (VCs) vorüber. Warren Packard, VC beim Silicon Valley- Unternehmen ‘Draper Fisher Jurvetson’, setzt den Nano-Hype mit dem Internet-Boom gleich. Wie das Internet, so werde auch die Nanotechnik das Leben von Millionen Menschen erleichtern und verbessern, sagte Packard in US-Medien.

Packard verglich die Nanotechnik-Szene mit der Ursuppe bei der Entstehung der Erde. In dieser Suppe gebe es jetzt Tausende Unternehmen. Sei die Suppe ausgelöffelt, gebe es nur wenige Überlebende. Diese seien ein Vielfaches der Summe wert, was die VCs über die Jahre in sie gesteckt hätten. Im Internet seien das Firmen wie Ebay oder Amazon.

Packards Firma hat in 20 Nanotechnik-Unternehmen investiert. Pro Jahr sollen 15 Firmen dazu kommen. Nanotechnik ist das nächste große Ding, glaubt Packard.

Silicon-Redaktion

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