In der Erfolgsgeschichte des indischen IT-Booms gibt es ein neues Kapitel. Jetzt hat die indische Reliance Gateway Net Private, eine Tochter des größten indischen Mobilfunkanbieter Reliance Infocomm, den britischen Breitband-Netzbetreiber Flag Telecom gekauft. Reliance Gateway erhält 100 Prozent des Flag-Aktienkapitals für 207 Millionen Dollar. Die Übernahmen wurde von beiden Konzernleitungen genehmigt, die Bewilligung der Regulierungsbehörde und der Aktionäre steht noch aus.
“Reliance ist bereits ein wichtiger Kunde des internationalen Flag-Netzes, das eines der leistungsfähigsten weltweit ist,” sagte Patrik Gallagher, CEO bei Flag. Der Carrier mit Firmensitz in Hamilton, Bermuda, hatte sich auf den Aufbau von Infrastruktur in Schwellenländern und Regionen wie den Nahen Osten spezialisiert. Seit den späten neunziger Jahren investierte Flag unter anderem in ein 50.000 Kilometer langes interkontinentales Untersee-Kabelnetz. Lange Jahre hatte keine private Firma in derartige Verbindungen investiert, da die Risiken zu groß seien. Der Schuldenberg, den Flag dabei angehäuft hat, spricht für sich: 1 Milliarde Dollar. Dennoch zählt der Betreiber die zehn wichtigsten Service-Provider der Welt zu seinen Kunden.
Der Kauf des Netzbetreibers von einem indischen Unternehmen zeigt ein weiteres Mal den starken Aufschwung der letzten Jahren auf dem indischen Subkontinent. Immer mehr und vor allem amerikanische Firmen setzen bei der Entwicklung von Software auf kostengünstiges und qualitätsbewusstes Outsourcing, und das beflügelt die IT-Wirtschaft im Vielvölkerstaat. Firmen wie Infosys Technologies beschert das Quartalszahlen, von denen die hiesige Branche nur träumen kann.
Kiran Karnik, Präsident der National Association of Software and Service Companies (Nasscom), sieht Indien als Gewinner der letzten Krise im IT-Sektor, von der erst mal auch Indien betroffen war. “Die indische Software-Industrie hatte es im letzten Jahr zu spüren bekommen, als die stockende US-Wirtschaft die Unternehmen dazu zwang, ihre IT-Budgets zu drosseln und die Aufträge zurückgingen,” sagte Karnik der amerikanischen Presse. Doch jetzt sei der Aufschwung deutlich zu spüren.
“Was wir feststellen ist, dass die IT-Budgets in den meisten Firmen gleich bleiben, jedoch der Anteil an Offshore-Ausgaben steigt,” sagte Kiran Thiagarajan von Satyam Computer Service, “und das ist wichtig für den indischen IT-Sektor.” Indiens größter Standortvorteil seien billigen Löhne – und das bei gut ausgebildeten Arbeitskräften. Die Entwicklung reicht sogar schon so weit, dass jetzt auch große westliche Firmen wie IBM oder Cadence Design Systems in den indischen Markt einsteigen und Tausende Stellen im Outsourcing-Geschäft schaffen, um dann jenseits des Ozeans Programmierungen oder Chip-Design anzubieten.
“Es gibt deutliche Signale einer allgemeinen Erholung in den USA”, sagte Karnik von Nasscom, “und beinahe alle großen Unternehmen in Indien planen in den nächsten Monaten, weitere Kräfte einzustellen. Die Ausgaben für technische Ausrüstungen steigen. Und das wird einen guten Anstoß für die Industrie in Indien geben.” Vermutlich wird es in Zukunft für Aktienanalysten einen weiteres wichtiges Indiz geben, wenn es um die Bewertung der US-Wirtschaft geht: die Tech-Börse in Bombay.
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