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Nach Suse-Übernahme sortiert sich die Linux-Industrie neu

Nachdem sich die erste Überraschung über den Deal zwischen Suse Linux und Novell gelegt hat, werden jetzt die Auswirkungen analysiert. Auch der Begründer des freien Betriebssystems, Linus Torvalds, hat sich zu Wort gemeldet – was er äußerst selten und ungern tut.
Die Übernahme durch Novell lasse in seinen Augen einen Wettbewerb zweier ebenbürtiger Anbieter entstehen, zwischen den Linux-Angeboten von Redhat und denen aus dem Nürnberger Softwarehaus Suse. Diese Konstellation werde verhindern, dass sich eines der Unternehmen eine dominierende Stellung im Linux-Markt verschaffen könne.

“Novell scheint ja auch nicht nur am Server interessiert zu sein, sondern sehr wohl auch am Desktop”, äußerte sich Torvalds zufrieden. “Außerdem kann es nur im Sinne aller großen IT-Unternehmen sein, mindestens zwei Anbieter von Distributionen und Linux-Lösungen zu haben, damit keiner abhebt.” Deshalb habe sich auch IBM mit einem Investment bei Novell engagiert, so Torvalds weiter. Inzwischen ist übrigens klar, dass Big Blue mit seinen 50 Millionen Dollar einen Anteil von rund 2 Prozent an Novell halten wird.

Für Suse soll sich zunächst einmal nicht allzu viel ändern. Novells CEO Jack Messman sicherte auf einer Telefonkonferenz zu, dass der Markenname der erfolgreichsten Linux-Distribution in Europa erhalten bleiben soll. Auch die knapp 400 Mitarbeiter sollen im Unternehmen und am Standort Nürnberg bleiben. Die Suse-Niederlassung in den USA soll dagegen schnell ausgebaut werden, um dort die Vertriebsstrukturen von Novell nutzen zu können.

“Wir werden die eingefahrenen Denkmuster in der IT-Industrie umkrempeln”, zeigte sich Suse-CEO Richard Seibt während der Telefonkonferenz überzeugt. Suse sei auf Novells Vertriebskanäle angewiesen, um so schnell wachsen zu können, wie es wünschenswert sei. “Wir haben jetzt eine echte Business-Partner-Strategie. Damit unterscheiden wir uns grundlegend von unserem Konkurrenten Radhat”, so Seibt. Außerdem seien aber schon jetzt die Ansprüche der Kunden weit größer, sodass Suse sich nach Partnern habe umsehen müssen. “Der Kunde verlangt heute einen weltweit verfügbaren Support genauso wie einen omnipräsenten Vertrieb. Außerdem brauchen wir Partner, die dem Linux-Kunden vor Ort weiterhelfen können – gerade wenn es kleine und mittelgroße Unternehmen sind.” Schließlich werde Novell auch dabei helfen, Schulungen und Trainings anzubieten.

Novell, so Messman, wolle der weltweit führende Anbieter im Linux-Geschäft werden. “Linux muss nicht länger an der Peripherie der Unternehmens-IT verharren. Das Betriebssystem ist reif, auch im innersten Kern der Rechenzentren eingesetzt zu werden”, so Messman.

Dabei setzt der Manager auf die installierte Basis seines bisherigen Paradepferds Netware. Das Netzwerk-Betriebssystem ist nach Novell-Angaben noch immer bei 80 Prozent der 500 weltweit größten Unternehmen im Einsatz. In den vergangenen drei Jahren hatte der Industrie-Pionier Novell allerdings arg mit der allmählichen Erosion dieses Kundenstamms zu kämpfen – und neue Kundschaft war nicht in Sicht.

Messman ist erst vor zwei Jahren zu Novell gekommen, durch die Übernahme des Beratungsunternehmens ‘Cambridge Technologie Partners’. Ein Jahr später sorgte er schon für die Akquisition von Silverstream, mit der die Interoperabilität mit Java-Anwendungen verbessert werden konnte.

Mit dem Abgesang auf Netware soll es durch das Linux-Engagement, über das Messman nun schon seit dem Frühjahr ausführlich spricht und mit der Akquisition von Ximian zu untermauern suchte, vorbei sein. Finanzanalyst Philip Ruepel von der Bostoner Investmentbank ‘Americas Growth Capital’ gibt Messman recht, indem er von einem Vertrauensbonus durch die Übernahme spricht. Die Novell-Kunden könnten sehen, dass Novell durchaus aktiv sei und nach neuen Architekturen suche. Die klassischen Stärken von Novell würden dabei genutzt, die Strategie erscheine tragfähig. “Bisher hat ja Novell in sechs Jahren sechs unterschiedliche Strategien verfolgt, das sieht jetzt wirklich anders aus”, so Ruepel.

Für die missliche Lage Novells war zunächst der Erfolg von Microsofts Windows NT verantwortlich. Deshalb sprechen Beobachter gerne von einer Erzfeindschaft zwischen den beiden Unternehmen. Hier versucht Novells Vice Chairman Chris Stone die Gemüter zu beruhigen: “Wir verfolgen unsere Linux-Strategie in erster Linie nicht, um in einen Konkurrenzkampf mit Microsoft einzutreten. Unser Ziel ist es vielmehr, die Hindernisse für Linux auf dem Weg in die Unternehmens-IT beiseite zu räumen.”

Die Industriegemeinde fragt sich nun aber trotz aller schönen Worte auch, was denn aus Suses Partnerschaft mit Sun werden soll. Darüber hinaus zeichnet sich auch ein Wettkampf um die am weitesten verbreitete GUI an, also dem ‘Graphical User Interface’ auf dem Linux-Desktop. Während Redhat ein Verfechter von Gnome ist, hat sich Suse immer stark bei der Weiterentwicklung von KDE engagiert. Microsoft-Partner zeichnen auch schon interessante Szenarios an die Wand. So sei es doch für Novell kein größeres Problem, Netware mit Linux und dem Samba-Server fit für ‘Active Directory’ zu machen. Das könnte in der Tat die ‘Server-Story’ sein, auf die es Novell abgesehen hat.

Die Klein- und Heimanwender von Linux schließlich stehen etwas bedröppelt da. Denn erst hat Redhat angekündigt, die Distributionen 7.1 bis 8.0 schon zum Jahresende nicht mehr zu supporten. Die aktuelle 9.0-Distribution soll Ende April ihr Support-Phaseout erleben. Wer Support brauche, müsse eben auf die Enterprise-Editionen umsteigen, heißt es bei Redhat. Die Workstation-Distribution ist immerhin schon für 180 Dollar zu haben, sein größtes Enterprise-Paket AS verkauft Redhat für 18.000 Dollar. Alternativ verweist die Linux-Company auf ihr Entwicklerprojekt Fedora, von dem man die Distribution kostenfrei beziehen könne.

Sicher, es gibt auch noch Debian und Gentoo oder Slackware, allesamt nichtkommerzielle ‘Community Projects’. Auch auf die kommerziellen Angebote von Mandrake oder Lindows könnte man zurückgreifen. Der Einzelhandel in den USA beklagt allerdings schon, dass sich die Verbraucher gerade an die Frage ‘Redhat oder Suse’ gewöhnt hätten. Suse hat zwar zugesichert, dass es die Pappkarton-Boxen mit dem Betriebssystem aus Nürnberg weiterhin geben werde – viel Geld kann man damit allerdings nicht verdienen.

Als der lachende Dritte in Sachen Linux-Desktop könnte sich Sun Microsystems herausstellen. Seine kürzlich vorgestellte und ab Januar erhältliche Madhatter-Suite ist die bisher kompletteste und preiswerteste Lösung, die auch noch Support beinhaltet. Ironischerweise basiert sie zu einem großen Teil auf Module, die nunmehr aus dem Hause Novell kommen: Suse Linux und den Outlook-Client von Ximian.

Silicon-Redaktion

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