Generationsprobleme

Und eine Art halber Generation gibt’s auch: GPRS. Generation 2.5, wie Mobilfunk-Generationsforscher sagen.

Und eine Art halber Generation gibt’s auch: GPRS. Generation 2.5, wie Mobilfunk-Generationsforscher sagen. 3G, die ‘Third Generation’, das ist UMTS. Von der ‘Fourth Generation’ reden sie auch schon. Und ein Festnetz, das besonders gut 3G-Verkehr weiterleiten kann, das heißt NGN. Next Generation Network.
Geht schon arg schnell mit dem Generationswechsel in der Mobilkommunikation.

Na ja, und die Handytelefonierer, das ist ja auch eine ganz eigene Generation. Eine Generation von Individualisten. Mit eigenen Klingeltönen. Jeder ganz individuell penetrant.

Vor einiger Zeit, da hätte man ja mit dem Handy sogar Börsengeschäfte abwickeln sollen. Hat die Industrie gesagt – dass das doch toll wäre. Aber bis sie dann die Handys soweit hatte, dass das geklappt hätte, da hat’s mit der Börse gar nicht mehr geklappt. Und deshalb ist nix draus geworden.

Per Handy bezahlen hat auch mal eine Zeitlang als chic gegolten. War aber auch blöd. Was hätte man da beispielsweise am Trevi-Brunnen in Rom machen sollen? Den mit den Münzen. Das Handy reinschmeißen?

Eco, der Verband der Internetwirtschaft, will jetzt herausbekommen haben, dass das Handy in Zukunft dem Fernsehen Konkurrenz machen würde. “Experten” hat er dazu befragt. Das hört man ja schon länger. Dass man mit den 3G-Handys später mal Fußball schauen soll, also mit dem Telefon statt mit dem Fernseher. Ist aber schon gewöhnungsbedürftig. Daheim auf dem Sofa, das Bier in einen Hand, das Handy in der anderen und dabei Rudi Völlers Loser-Crew anfeuern.
 
Nee, der Generationswechsel im Mobilfunk, der funktioniert einfach nicht. Viel zu überstürzt alles. Beim Menschen dauert das ja 20 Jahre, bis eine neue Generation herangewachsen – herangereift – ist.

Und das aus gutem Grund. So ein Entwicklungsprozess ist schließlich eine äußerst komplizierte Angelegenheit. Das braucht seine Zeit – in der Technik und beim Menschen. Letzterer muss die Trotzphase durchlaufen und die Pubertät. Er muss jung sein, erwachsen und alt. Und zwar eins nach dem andern. Das Leben verläuft halt sequenziell. Da gibt’s kein Multi-Threading.

Meistens nötigen ja Eltern ihre Sprösslinge dazu, eine Entwicklungsstufe zu überspringen – ihnen die altersgemäßen schlechten Erfahrungen zu ersparen. Was aber pädagogisch nun völlig daneben ist. Denn dann versäumen die Rotznasen wichtigen Lernstoff in der Schule des Lebens. Und das können sie meist nie mehr aufholen.

Schon das ganz übliche Stage-of-Life-Hopping führt ja regelmäßig zu sehr unästhetischen Szenen: Die Familienfeier, anlässlich der Konfirmation beispielsweise. Häufig ein äußerst peinlicher Anblick: ein Halbwüchsiger in Erwachsenenkleidung, seinem Konfirmationsanzug halt. Die Youngsters lassen diese Schmach denn auch meist nur gegen die bei diesem Anlass großzügig ausgereichten Geldgeschenke über sich ergehen.

Fast schon die Qualität einer Misshandlung hat es, Kleinkinder in Trachtenanzüge zu stecken. Der Bub, der so gerne dreckeln würde, aber nicht darf wegen der guten Hirschledernen und dem teuren Janker. Statt eines Kindes das Alpha-Release eines Erwachsenen. Und am schlimmsten: Jungunternehmer im Nadelstreif. Da ist dann wirklich alles zu spät.

Nein, so geht das nicht. Man muss jung sein und die Welt verändern wollen. Deshalb gab’s den Sturm und Drang und die Jungendbewegung und die 68er. Und wenn man so richtig will, dann klappt das auch – diese Lebensphase, meist nicht so sehr das mit der Veränderung der Welt.

Später dann muss man sich darin zurechtfinden – in der nicht so sehr veränderten Welt. Und wenn man alt ist, dann muss man über diese Welt nachdenken, kluge Bücher schreiben und Rotwein trinken. Oder zumindest über die Welt nachdenken und Rotwein trinken.

Aber das funktioniert ja alles nicht mehr so richtig. Weil: Die Generation, die gerade nach den Schalthebeln greift, der fehlt einfach was. Als “Generation Golf” bezeichnet sie der chronische Bestseller-Autor Florian Illies, die zwischen 1965 und 1975 Geborenen. Ein schöner Titel: alle Autos sehen heute ja gleich aus, am gleichsten der Golf.

An die danach benannte Generation hat man sich nun lange genug gewöhnen können. Denn die waren schon immer so, wie sie heute sind. Jedenfalls die Welt verändern wollten sie auch in ihrer Jugend nicht. Eigentlich waren die ja nie jung.

Das Leben dieser Generation ist sehr gleichförmig verlaufen. Ein Leben aber, das sich nicht in sich differenziert, kann sich auch nicht nach außen differenzieren.

Und die Ansichten sind danach: “Die in Deutschland anstehenden drängenden Fragen brauchen Antworten, die mit links und rechts nichts mehr zu tun haben”, schreibt Illies (Jahrgang 1971). Na ja. Orientierungslosigkeit als politisches Prinzip.
 
Die Antworten seiner Altersgenossen mit einem Politjob fallen entsprechend aus: “Die Renten kürzen wollen wir nicht, aber auch die Rentner müssen einen Beitrag leisten.” (Antwort im Polit-Chat). “Wir müssen Renten- und Pflegeversicherung neu justieren.” (Geleitwort zum Parteitag). “Als Vertreter der jungen Generation müssen wir auf einer nachhaltigen Reform bestehen, an der alle Generationen beteiligt sind.” (Pressemitteilung).

So oder so ähnlich erklären sich Ute Vogt (SPD, Jahrgang 1964, Staatsekretärin), Katrin Göring-Eckardt (Grüne, Jahrgang 1966, hat das Zeug zur Staatssekretärin) und Hildegard Müller (CDU, Jahrgang 1967, wird nach dem Regierungswechsel Staatssekretärin) üblicherweise zum Generationenvertrag. Nichtssagend? Schon. Aber was sie wollen, ist trotzdem klar. Und zwar alle das gleiche.

Preisfrage: Wer hat das jetzt wie ausgedrückt? Hauptgewinn: … nein, kein Golf. Ach ja, das mit den Handy-Generationen ist wirklich das kleinere Problem.