Open-Source-Guru hebt Desktop-Linux aus der Taufe
Redhat und Suse haben inzwischen anderes im Sinn, als Otto Normalverbraucher Betriebssysteme zu verkaufen. Open-Source-Vater Bruce Perens will in die Bresche springen.
Gerade eine Woche nach der Aufsehen erregenden Übernahme von Suse Linux durch Novell hat der prominente Open-Source-Verfechter Bruce Perens mit einem Gegenentwurf auf die wachsende Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Linux-Betriebssystems reagiert. Im Rahmen des ersten Treffens des ‘Desktop Linux Consortium’ kündigte Perens die Entwicklung von ‘User Linux’ an, einer Desktop-Ausprägung der frei verfügbaren Software, die schon in etwa einem halben Jahr für 10 Dollar weltweit im Einzelhandel zu haben sein könnte.
Gerade erst kündigte auch der zweite große Linux-Distributor Redhat an, seine Consumer-Produkte nur noch wenige Wochen oder Monate zu supporten. Dadurch wird zwar zum einen der allmähliche Erfolg der Linux-Softwarehäuser im Unternehmenseinsatz deutlich, der gemeine Anwender zweifelt dagegen immer stärker an der Zukunftssicherheit seiner Distribution. Dazu trägt auch bei, dass Suse und Redhat in jüngster Zeit immer mehr proprietäre Software mit ihren Betriebssystem-Paketen gebündelt haben – was an sich freilich nicht gegen den Geist der GPL (GNU General Public License) verstößt.
Im Gegensatz zu den inzwischen stattlichen Softwarehäusern soll User Linux nicht nur freie Software in aufbereiteten und einfach installierbaren Häppchen geliefert werden, sondern auch einen Non-Profit-Ansatz verfolgen. Perens verwies in seinem Vortrag auf eine Reihe von großen Konzernen aus allen Industriesparten, die sein Projekt finanziell unterstützten. Mit dabei sollen unter anderem Novell, IBM, Suse, Hewlett-Packard, Redhat und Vertreter von Samba sein. Perens stellte bereits Zertifizierungen durch die Unterstützer in Aussicht, die auch Entwickler für das Projekt abstellen wollen.
Über die Absichten der Finanziers kann man vorerst nur spekulieren. Perens meinte jedenfalls, es gebe einen dringenden Wunsch, eine tragfähige Alternative zu Microsoft-Produkten auf dem Desktop der Verbraucher zu finden. Schließlich habe sich der Softwarekonzern aus Redmond einen Namen für “überteuerte, anfällige und schlecht abgesicherte Software” gemacht, die großen Aufwand bei Installation und Pflege verursache.
Technische Basis soll nach Perens’ Ausführungen die Entwicklung des Debian-Projekts sein, das sich kommerziellen Anwandlungen bisher auch erfolgreich entzogen hat. Rund 1000 Entwickler sollen daran momentan beteiligt sein. Perens will den Vorstellungen von Debian folgen – nur bei der Integration etwa von proprietären 3D-Treibern soll es Ausnahmen geben.
An das Konzept knüpft sich die Hoffnung, dass der Einsatz von Linux in einigen Bereichen dann sinnvoll erscheinen wird, wenn mehr und mehr Anwender das Betriebssystem ebenfalls nutzen und die Dominanz von Microsoft-Produkten gebrochen ist.
Ein äußerst pessimistischer Einwurf kommt dazu von Ximian-Gründer Nat Friedman, der sein Linux-Desktop-Unternehmen Mitte des Jahres an Novell verkauft hat. Er verweist auf die Auswertung der Protokolle der Suchmaschine Google. Daraus lasse sich eine Linux-Verbreitung von nur 1 Prozent weltweit herauslesen. Friedmans Fazit: Die Begeisterung für Linux sei mehr Wunschdenken denn Realität.
Immerhin hat Redhat seinen eigenen Consumer-Kunden noch einmal einen heilsamen Tritt verpasst. CEO Matthew Szulik riet den Anwendern, für den Desktop doch lieber weiterhin Windows einzusetzen. Wer denn partout Linux auf dem Desktop haben wolle, der könne sich ja auch an das Alternativ-Projekt Fedora halten, das Redhat weiterhin unterstützen will.
Die jüngsten Nachrichten der heranwachsenden Linux-Industrie würden ihn nicht schrecken, meinte Perens. Vielmehr sehe er die Chance, die Entwicklung “zu einem immer proprietäreren Open-Source-Code” zu stoppen.