Medienberichte über Fusionsgespräche der Internet-Serviceprovider T-Online und AOL haben den Medienmarkt und die IT-Welt aufgerüttelt. Unter Vermittlung des früheren Bertelsmann-Vorstandschefs Thomas Middelhoff sollen sich der amerikanische Medienkonzern Time Warner und die Tochter der Deutschen Telekom sogar schon beim Kaufpreis angenähert haben: Von mehr als 1 Milliarde Dollar ist die Rede. T-Online hat derzeit rund das vierfache auf der Bank.
Die Süddeutsche Zeitung zitiert Informanten aus dem Umfeld von T-Online. Danach sind Richard Parsons, CEO von Time-Warner, und T-Online-Vorstandschef Thomas Holtrop bereits zusammengekommen, um über eine Übernahme von 70 Prozent der AOL-Anteile zu sprechen. Die restlichen Anteile könnten dann bei den Amerikanern verbleiben.
Ein T-Online-Sprecher dementierte den SZ-Bericht. Es habe keine Gespräche gegeben. Ein Kauf von AOL wäre außerdem “wirtschaftlicher Unsinn”. Auch Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke wies den Bericht zurück: “Da ist nichts dran”, sagte Ricke dem Nachrichtensender N-TV.
T-Online versuchte die Spekulationen auch mit dem Hinweis einzudämmen, der genannte Kaufpreis sei “lächerlich niedrig”. Man rechne in den kommenden Wochen aber mit weiteren Spekulationen. Holtrop kündigte vor kurzem an, die frei verfügbaren Mittel sollten schon in den kommenden Monaten für Zukäufe genutzt werden.
Unter seinem Gründer Steve Case hatte America Online den etablierten Medienkonzern Time Warner vor drei Jahren aufgekauft – für 112 Milliarden Dollar. Zuletzt musste Case wichtige Kompetenzen im Konzern abgeben, der ‘AOL’-Teil wurde vor wenigen Wochen aus dem Namen des Konzerns getilgt. Die Fraktion der einstigen Time-Warner-Manager hat wieder das Kommando übernommen.
Die Vermittlungsarbeit von Middelhoff hat besonderen Charme, weil dessen früherer Arbeitgeber Bertelsmann das Jointventure ‘AOL Europe’ mit groß gezogen hatte. Anfang 2000 stiegen die Gütersloher aus dem Unternehmen aus und verkauften ihre Anteile an AOL. Middelhoff ist aber noch immer Aufsichtsratsmitglied der New York Times und verfügt über exzellente Kontakte in den Konzern.
Während der Telekom-Konzern unter seinem Vorstandschef Kai-Uwe Ricke seit gut einem Jahr vor allem damit beschäftigt ist, Schulden abzubauen, hat die Tochter T-Online gerade ihren ersten Quartalsgewinn ausgewiesen und über die vergangenen Jahre hinweg Barmittel auf die Seite gelegt. Außerdem bemüht sich der Online-Dienstleister, im Mediengeschäft Fuß zu fassen, überträgt beispielsweise Sportereignisse und Pop-Konzerte live über seine Plattform. Mit den Inhalten beliefert T-Online auch seine Schwester T-Mobile.
T-Online verweist derzeit auf 12,9 Millionen Kunden. Davon leben allerdings nur 20 Prozent im Ausland. Die bisherigen Anstrengungen zur Expansion außerhalb der Bundesrepublik sind bisher weitgehend verpufft. AOL beziffert seinen Kundenstamm auf 25 Millionen weltweit, allerdings mit sinkender Tendenz. Völlig ungewiss ist derzeit, ob ein zusammengehen der beiden Unternehmen in Deutschland und auf EU-Ebene gegen kartellrechtliche Bedenken durchzusetzen wäre.
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