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Gefährden Novell und Red Hat das Open-Source-Modell?

Die Übernahme des Linux-Distributors Suse durch den Netzwerkspezialisten Novell ist in der Branche mit Wohlwollen aufgenommen worden. Selbst Miterfinder Linus Torwalds hat Zustimmung signalisiert. Er begrüßt das angekündigte Desktop-Engagement von Novell. Das Suse-Managment freut sich darüber, dass die unternehmenserprobten Netzwerktools des neuen Eigners und dessen weltweite Vertriebsorganisation das Kräfteverhältnis gegenüber dem Hauptkonkurrenten Red Hat deutlich zu Suses Gunsten verschoben haben. Novell wiederum hat endlich einen viel versprechenden Ausweg aus seiner bislang proprietären Netzwerkwelt gefunden.
Bei den Anwendern selbst stößt der Deal jedoch nicht auf ungeteilte Freude. Das Zusammentreffen der Übernahme und das Auslaufen des Supports für die Consumer-Version von Red-Hat-Linux hat bei einigen Anwendern zu Befürchtungen geführt, das Open-Source-Modell solle unterlaufen werden. Im Server-Geschäft arbeiten beide Distributoren mit einem Wartungsvertrag, der nur registrierte Systeme unterstützt. Dieses Modell wurde als eine Art Kopierverbot interpretiert, weil die Distribution an die Dienstleistung gebunden ist.

Daniel Riek, Red-Hat-Manager Public Sector für den deutschsprachigen Raum, versichert, dass alle Software von Red Hat wie bislang Open Source sein wird. Bei der Beendigung des Supports für die eine Produktlinie gehe es darum, das wenig lukrative Consumer-Geschäft mit Linux-Schachteln loszuwerden. Künftig sollen die Anwender das Betriebssystem von der Website des Fedora-Projekts laden. Das Red-Hat-Management hofft, dass auf Basis dieser Quelle neue Linux-Vertriebsunternehmen entstehen sowie eine Quelle für die Security-Updates, die Red Hat ebenfalls nicht mehr liefert.

Novell-Produkte bleiben proprietär

Riek räumt ein, dass das veränderte Geschäftsmodell all jene Unternehmen in Schwierigkeiten bringen könnte, die bislang eine preiswerte Red-Hat-Distribution im Einsatz haben und sich auf die kostenlosen Security-Updates von Red Hat verlassen. Das trifft insbesondere Lösungsanbieter, die ihre Produkte auf Basis dieses Red-Hat-Linux entwickeln.

Im Falle von Novell rühren die Befürchtungen der Nutzer vor allem daher, dass der Netzwerk-Spezialist eher für proprietäre Software als für Open Source bekannt ist. Tatsächlich macht Novell-CTO Alan Nugent kein Geheimnis daraus, dass es ihm nicht um Open Source geht, sondern lediglich um eine lukrative Plattform für die Novell-Produkte und um den Enterprise-Markt.

Daher ist auch nicht zu erwarten, dass die Netzwerk-Features von Novell, die derzeit für Linux angepasst werden, für die Community geöffnet werden. Das könnte dazu führen, dass die an sich offene Suse-Distribution so eng von proprietären Funktionen umstellt wird, die nur mit Suse-Linux zu haben sind. Dann wäre jeder Betriebssystem-Wechsel mit einem schmerzhaften Funktionsverlust verbunden. Solche Befürchtungen entkräftet Novell mit dem Versprechen, seine Produkte nicht nur für das eigene Suse-Linux, sondern auch für die Red-Hat-Produkte zur Verfügung zu stellen.

Beide Unternehmen trifft der Vorwurf, die Verknüpfung des Verkaufs von Linux mit einem Dienstleistungsvertrag mit klar begrenzten Nutzungsrechten würde de facto zu einem Kopierverbot und zu einer Aushöhlung der üblichen Open-Source-Möglichkeiten führen. Diese Befürchtung geht jedoch an den Realitäten vorbei. Tatsächlich hindert das Verfahren die Anwender weder daran, das Linux-Betriebssystem und jede mitgelieferte Open-Source-Software zu kopieren, noch verändernd in den Sourcecode einzugreifen.

Bei Veränderungen kein Support

Mit Recht wehren sich die Hersteller jedoch dagegen, alle Kopien zu warten, die ein Kunde möglicherweise anfertigt. Auch scheint es nicht zumutbar, Support-Garantien für massiv veränderten Sourcecode (z. B. Kernel oder Systembibliothek Glibc) zu erwarten. Laut Suse-Pressesprecher Christian Egle sind solche Veränderungen vom Supportvertrag nicht mehr abgedeckt, bei Großkunden würden jedoch Ausnahmen gemacht. Auch bei Red Hat verliert der Anwender das Recht auf Support, doch werde dieser, so Riek, in der Regel erst verweigert, wenn ein Fehler festgestellt wird, der auf einen Eingriff des Users zurückzuführen ist.

Diese Einschränkung der Möglichkeiten betrifft allerdings nur User, die massive Eingriffe im Code vornehmen. Das sind zum Beispiel Entwickler, die Lösungen auf Linux-Basis entwickeln. Diese Klientel ist aber meist so vertraut mit dem Betriebssystem, dass sie nicht auf Supportverträge angewiesen ist. Zudem gilt, so Riek: “Wir verkaufen Wartung, keine Software. Wenn der Vertag ausläuft, gibt es daher für den Kunden keinerlei Beschränkungen mehr.”

Es kommt zwar durchaus vor, dass Unternehmen Linux auf ihre Bedürfnisse anpassen wollen. Das geschieht dann aber in aller Regel in Absprache mit dem Distributor und ohne das Open-Source-Konzept zu verletzen. Generell gilt jedoch: Unternehmen, die Linux als produktive Plattform für ihre Geschäftsanwendungen einsetzen, möchten mit dem Betriebssystem möglichst wenig zu tun bekommen. Sie verlangen ein preisgünstiges und stabiles System mit klaren Zuständigkeiten für den Fall von Problemen.

Wird die Offenheit aufs Spiel gesetzt?

Offenheit braucht diese Kundengruppe vor allem deswegen, um im Zweifelsfall den Distributor wechseln zu können. Genau auf diesen Bedürfnissen beruhen die Geschäftsmodelle sowohl von Red Hat als auch von Suse. Egle: “Durch die Einhaltung offener Standards tun wir alles, damit unsere Kunden auch die Möglichkeit haben, nahtlos zu einem Wettbewerber wechseln können, wenn sie mit unserem Support nicht zufrieden sind. So verhalten sich auch fast alle unserer Mitbewerber.”

Schließlich kursieren noch Verschwörungstheorien. Das finanzielle Engagement der IBM in Novell hat Ängste verursacht, wonach Linux unter die Kontrolle von Big Blue kommen könnte. Tatsächlich hat der Computer-Konzern großes Interesse, seine bisherigen Investitionen in Linux zu schützen. Dabei geht es aber weniger darum, den Code unter die eigene Kontrolle zu bringen, sondern eher um die Unsicherheit, die SCO mit der Behauptung gestreut hat, Linux beinhalte lizenzpflichtigen Code. Novell gilt als immun gegen derartige Vorwürfe, weil das Unternehmen aus den frühen 90er Jahren über umfangreiche Unix-Rechte verfügt. Novell hat also vermutlich das Zeug dazu, zugunsten der gesamten Open-Source-Community die durch SCO verursachte Rechtsunsicherheit zu beseitigen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass sich die Distributoren alle Mühe geben, die Ängste der Open-Source-Community zu zerstreuen. Tatsächlichen deuten die Zeichen weniger auf dunkle Machenschaften als vielmehr darauf, dass die einst von Freaks bestimmte Linux-Technik zu einem reifen Markt geworden ist. Mit direkter Unterstützung der IBM und unter dem Beifall der Branche wurde einerseits die Rechtsunsicherheit der vergangenen Monate verringert, und zum anderen durch die Stärkung der angeschlagenen Suse-Position der Wettbewerb im Linux-Markt auf absehbare Zeit erhalten.

Silicon-Redaktion

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