“Es muss … geprüft werden, ob der Thermostat der Gerechtigkeit richtig eingestellt ist”, sagt er, der Präsident – im SZ-Interview. Das muss man sich mal vorstellen: Da redet alle Welt vom vernetzten, intelligenten Haus. Und das Staatsoberhaupt einer Hightech-Nation dreht verbal an der Heizung rum. Und das, wo’s doch so schöne Metaphern aus der IT gibt.
Aber die meisten dürften sich wohl nur dran stoßen, dass er von sozialer Gerechtigkeit redet. Weil: Das sagt einem doch nun wirklich jeder – von diesen meisten – dass das ein Legacy-Problem sei.
Wie in der IT früher die Mainframes. Über die hat Sun sowas immer gesagt. Und IBM, das Unternehmen, das sie baut, hat im vergangenen Geschäftsjahr 3,5 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. – Ein Legacy-Problem, das die von Sun mit ihren 2 Milliarden Verlust sicherlich gerne hätten.
Bei Sun hätte sich unser Bundespräsident denn auch mal umschauen sollen. Da hätte er schöne Analogien zur Sozialpolitik finden können. Es würde den Anwendern doch nur nützen, hat seinerzeit etwa Scott McNealy, der Sun-CEO, erklärt, als er deren schöne PCs einsammeln und ihnen statt dessen seine tumben NCs andrehen wollte.
Heute belehrt die FDP-Bildungsexpertin Ulrike Flach die Azubis, dass es in ihrem ureigensten Interesse läge, wenn man ihnen die Ausbildungsvergütung zusammenstreichen würde. “Das ist inzwischen ein Kostenfaktor, der für viele kleine Unternehmen nicht mehr tragbar ist”, schreibt sie im ‘Portal Liberal’ ihrer Partei. Und das sei auch der eigentliche Grund für die Lehrstellen-Lücke.
Aber die Lehrlinge wollen das wahrscheinlich nicht kapieren. Ganz früher gab’s bei so viel Verstocktheit vom Lehrherrn eins hinter die Ohren, was ja erklärtermaßen ebenfalls stets zu deren Besten war. Und auch das haben die damals nicht einsehen wollen.
Ein Vermittlungsproblem nennt man es in der Politik, wenn man gegen derartige Uneinsichtigkeit nicht ankommt. Ein solches hatte auch Scott McNealy mit seinen NCs. Und deswegen brauchen die User sich heute nicht mehr um ihre PCs zu sorgen. Nur die Youngsters halt ums Geld für den Bus, fürs Handy und für die Disco.
Was zum Besten der Youngsters wäre, das hat jetzt die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft herausgefunden. Mit vier Jahren sollte man die Rotznasen gleich einmal einschulen. Anschließend müssten sie ordentlich lernen – sechs Tage in der Woche. So dass sie noch Zeit für ein obligatorisches soziales Jahr hätten. Womit dann auch viele Probleme des leidigen Sozialstaats kostengünstig gelöst wären.
Gab’s auch schon in der IT. Kim Schmitz – der, der mit seiner Kimvestor AG Anleger veräppelt hat. Der hat ja unlängst vor Gericht erklärt, wie es kommt, dass man sich zu solchen Dreistigkeiten hinreißen lässt: “Die Stimmung mitten im Internet-Boom war derart euphorisch, da wird man schon ein bisschen leichtsinnig und verliert den Bezug zur Realität”, hat er ausgesagt.
War damals halt die Zeit der Dot.com-Glücksritter. Die aber ist vorbei. Heute hingegen sind die politischen Glücksritter euphorisiert … Aber vielleicht taugen die Metaphern aus der IT doch nicht so recht zur Beschreibung des aktuellen sozialen Kälteeinbruchs. Mit einem Bild versucht man ja die Realität zu erklären, indem man sie überhöht: Man übertreibt ein bisschen.
Die FDP-Bildungs- und die anderen Experten aber, die sind sehr viel dreister noch als der PC-Klau Scott McNealy. Und Kim Schmitz hat vielleicht ein paar Anleger übers Ohr gehauen. Der Verband der Bayerischen Wirtschaft aber will gleich ein paar Generationen behumsen.
Außerdem ist in der Computerei ja alles irgendwie gerecht ausgegangen – das Gerede vom Legacy-Problem und vom NC. Und auch die Sache mit Kim Schmitz. “Hochmut kommt vor dem Fall” (Sprüche Salomons, Kapitel 16, Vers 18), tät Bruder Johannes wohl dazu sagen. Kim Schmitz ist zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Das mit der Sozialpolitik hingegen, das wird noch böse enden. Vielleicht hat unser kluger Bundespräsident doch wohl daran getan, kein Bild aus der IT zu wählen. Auf jeden Fall hat er recht. Und zur Belohnung gibt’s dafür einen Satz aus seinem Lieblingsbuch, Sprüche Salomons, Kapitel 11, Vers 14: “Wo nicht weiser Rat ist, da geht das Volk unter; wo aber viele Ratgeber sind, findet sich Hilfe.”
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