Skandal!
Obwohl also kaum gestellt, handelt es sich dabei dennoch um eine weise und sehr trefflich formulierte Frage.
Obwohl also kaum gestellt, handelt es sich dabei dennoch um eine weise und sehr trefflich formulierte Frage. Schließlich gibt nichts umfassender Auskunft über eine Zeit als ihre Skandale.
In den Anfangsjahren der Republik setzten Baulöwen ihre Duftmarken. Im Nachhinein dann stellte es sich heraus, dass ihre Hinterlassenschaften eben nicht nur Reviere abgrenzten, sondern oftmals auch zum Himmel stanken. Es war die Aufbauzeit.
Später bildeten vornehmlich Rüstungsgüter die Ingredienzien, aus denen man Skandale zusammenbraute. – Die Zeit des kalten Krieges.
Nur noch matt erinnern der MOX- und der Castor-Skandal an den Versuch, eine neue Ära einzuläuten, in der die Spaltung von schweren Atomkernen die Energieversorgung sichern und die Leute glauben sollten, dass das problemlos zu bewerkstelligen sei.
Sex-Skandale sind hingegen nicht so sehr bezeichnend für eine bestimmte Epoche, als vielmehr ein überhistorisches Phänomen. Häufig auch ist die öffentliche Erregung darüber eher verschwitzt-lüsterner, denn empörter Natur. (Erst der Beckenbauer und der Kahn. Und jetzt soll auch der Rummenigge mit einer, die seine Tochter sein könnte …)
Für die nur indirekt – beziehungsweise am eigentlichen Geschehen gar nicht – beteiligten Angetrauten sind das selbstverständlich sehr unerquickliche Geschichten. Aber den direkt Involvierten bereitet sowas eben auch schöne Stunden.
Da ist halt die Natur zugange. Im Unterschied zu einem Hormon-Skandal – auch wenn man da fälschlicher Weise einen Zusammenhang assoziieren könnte. Ein Hormon-Skandal ist nicht nur widernatürlich sondern auch in jeder Hinsicht unschön.
Also: Wo samma denn eigentlich? Nach der Skandallogik nicht mehr in der Informationsgesellschaft. Denn deren Negativ-Ereignisse sind Vergangenheit. Die, die man mit Unternehmen wie Worldcom, Sonera, Comroad, Learnout&Hauspie, Infomatec, Phenomedia u.v.a.m. verbindet. Die Ära der IT ist in einem einzigen großen Skandal Namens New Economy unter- und übergegangen – ins PR-Zeitalter.
Jedenfalls ist jetzt ein Berufsstand, der ansonsten eher dezent im Hintergrund der Journaille die Hand führt, binnen kurzem gleich zwei mal zum Gegenstand von deren Negativberichterstattung geworden. Zuerst war da der bundesdeutsche Verteidigungsminister, der seine Soldaten erstmalig in den Krieg schickte, für sich selbst aber die Parole “Make Love not War” ausgab. Zum Verhängnis wurde jenem ja, dass er sich das Outfit zum Balzen von dem etwas zwielichtigen PR-Manager Hunzinger bezahlen ließ.
Ja und jetzt: Bernd Schiphorst! Den kennt mittlerweile nun wirklich jeder. Oder – im Awareness-Benchmark des 21. Jahrhunderts ausgedrückt – 1670 Treffer bei Google, Deutschland. Zum Vergleich: Sam Palmisano kommt gerade mal auf 513. Zur Erklärung: Bei diesem Herrn handelt es sich um den Chef des weltgrößten IT-Konzerns, was mittlerweile wohl eigens der Erwähnung bedarf.
Schiphorst nun steht im Zentrum des zweiten deutschen PR-Skandals. Was ein bisschen ungerecht ist. Der Mann hat schließlich nichts getan. Jedenfalls weiß niemand, was das denn wäre. Er tauchte zwei mal pro Woche in der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg auf, sprach mit ein paar Leuten und ging dann wieder, wie Augenzeugen berichten.
Nach dieser Tätigkeitsbeschreibung eigentlich eine typische geringfügige Beschäftigung, aber keine, die recht in den Niedriglohnsektor passen will, den alle für so erstrebenswert halten. 1,3 Millionen Euro sollte Schiphorst für seinen auf 21 Monate befristeten Minijob bekommen.
Daraus einen Skandal machen zu wollen, zeuge von “Kleinkariertheit und Sozialneid” liest man in der sehr verständnisvollen Süddeutschen Zeitung. Es muss wohl am Milieu liegen. Die Klientel der BA bekommt ja pro Kopf im Schnitt gerade mal gut 1 Prozent des Schiphorstschen Honorars. Angesichts von solch kleinen Verhältnissen geht einem halt leicht der Blick für die großen Zusammenhänge verloren.
Was die PR-Ära und ihre Skandale wiederum so heimelig macht – man kennt doch alles von früher: Die Skandale gedeihen dort am besten, wo geschäftstüchtige Privatunternehmer, Behörden und solche Politiker aufeinandertreffen, die wissen, dass ihr eigenes ein wichtiger Teil jenes Gemeinwohls ist, von dem ihre Reden handeln. Nur ob die Unternehmer aktuell gerade aus der Bauwirtschaft, der Rüstungsindustrie, der New Economy oder dem PR-Geschäft kommen, hängt von der jeweiligen Epoche ab.
Die Politiker im Schiphorst-Skandal kommen aus der SPD. Florian Gerster etwa, der BA-Chef, der Summen in Höhe des Tausendfachen der monatlichen Stütze seiner Schutzbefohlenen eben mal freihändig vergibt.
Und sie kommen aus der FDP. Hans-Dietrich Genscher, von dem man geglaubt hatte, dass er PR – sehr erfolgreich – nur in eigener Sache betreibt. Er sitzt im Aufsichtsrat von Schiphorsts Firma. Genauso wie Günter Rexrodt, von dem man bisher angenommen hatte, dass er eigentlich nur für Negativ-Werbung einsetzbar wäre.
Rexrodt hat sich damals politisch ja sehr für den Schiphorst-Kunden BP engagiert, als der Aral übernehmen wollte – aus Gründen des Gemeinwohls, versteht sich. Man kennt das ja.
Und man kennt natürlich auch die wahren Schuldigen: die dummen Schreiber in den Redaktionsstuben, die sich von Finsterlingen haben die Feder führen lassen. Um eine “inszenierte Medienkampagne” handle es sich, erklärte der BA-Chef Gerster denn auch gleich mehrfach.
Und das wäre so ungerecht. Denn eigentlich war das doch wirklich seine Idee, so eine Medienkampagne zu inszenieren. Eigens dafür hatte er ja den Schiphorst engagiert.