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Signalgeber

Vom Parteitag der Grünen etwa ginge ein “Signal der Geschlossenheit” aus, befand deren Geschäftsführer Reinhard Bütikofer. Ein Begriff aus der Technik. Keine gemeinsame Position wurde da erarbeitet. Keine Botschaft war’s, kein Programm. Nein, ein Signal.
Und auf Geschlossenheit wiederum wird heute ja sehr großer Wert gelegt. Je dürftiger die politischen Inhalte allenthalben, desto mehr achtet man darauf, dass wenigstens alle dafür sind. Muss wohl so sein.

Was einen aber doch verwundert, ist, dass das in Form von Signalen übermittelt wird. Eigentlich sollten Politiker doch in der Lage sein, sich in ihrer Muttersprache klar und differenziert auszudrücken. Tun sie aber nicht. Sie senden Signale.

Wahrscheinlich liegt diese Abwendung von der Muttersprache an der derzeit gerade wieder grassierenden Vaterlandsliebe. Nicht-muttersprachlich nennt man sowas Patriotismus. Und den halten Politiker ja mit Vorliebe hoch, wenn sie sonst nix zu bieten haben. So wie gegenwärtig halt.

Die Union möchte von Leuten, die so denken, wie einige Gestalten an ihrem rechten Rand reden, schon gewählt werden. Aber es wäre ihr eben auch recht, wenn diese Dumpfbacken einfach still und leise ihr Kreuzchen und nicht auch noch den Mund aufmachen würden.

Der Kanzler wiederum ist ein Patriarch alten Schlages. So wie früher der Papa daheim. Der hat ja damals auch immer gesagt, wo’s lang geht. Und das ist dann auch so gemacht worden. Basta!

Und deswegen findet der Kanzler, dass die Opposition ihm ihre Vaterlandsliebe am besten dadurch beweisen könnte, dass sie macht, was er sagt. Das tut seine Partei schließlich auch. Und die war früher sogar als Vereinigung vaterlandsloser Gesellen verschrieen. (Ganz früher.)

Aber die Union möchte das nicht – und sendet statt dessen Signale. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel beispielsweise hat diese Woche auf ihrem Parteitag gesagt: “Die CDU braucht eine starke CSU. Die CSU braucht eine starke CDU. Und nur gemeinsam bilden wir eine starke Union. Nur gemeinsam können wir mehr für Deutschland tun.”

Das klingt zum einen sehr patriotisch. War aber zum anderen wohl auch irgendein Signal. Jedenfalls wäre sonst nicht zu erklären, weshalb ein Saal voller erwachsener Menschen so einen Abzählvers beklatscht.

Und noch eine Anleihe aus der modernen Informations- und Kommunikationstechnik hat die Politik genommen: Der Bundesaußenminister hat letzte Woche bei den Grünen die erste virtuelle Parteitagsrede gehalten – per Video.

Gesagt hat er nicht viel, “Ich freue mich auf den Wahlkampf” und solche Sachen halt. War eben auch ein Signal, die ganze Angelegenheit.

Man darf einfach nicht wörtlich nehmen, was in der Politik gesagt wird, sondern muss statt dessen versuchen, die Signale zu dekodieren.

Das ist ja in der IT nicht anders. “Leistungsstarke, hochskalierende und komfortable Lösung” heißt – vorausgesetzt der Schreiber ist so sensibel, dass ihm derartiges überhaupt peinlich ist: “Tschuldigung, wir müssen jetzt halt eine Pressemitteilung raushauen. Aber wirklich zu sagen, haben wir eigentlich nichts.”

Auch in dem Fall will das Unternehmen nur etwas signalisieren, meist dass es noch existiert. Das wird dann kommuniziert. Transitiv! Wer seine Muttersprache so liebt wie Politiker erklärter Maßen ihr Vaterland, dem tut sowas sehr, sehr weh.

Oder Intelligenz. So doof kann ein PR-Schreiber gar nicht sein, als dass er nicht drauf käme, irgendein albernes Stück Software als intelligent zu bezeichnen.

Die Behauptung, Marktführer zu sein! Das wird ebenfalls sehr gerne kommuniziert. Ist auch so ein Signal. Irgendwie ist ja jedes Unternehmen Marktführer. Das hängt einzig und allein von einer geschickten Definition des entsprechenden Marktes ab. Deswegen ist auch die Anzahl der Märkte tendenziell so groß wie jene der Unternehmen. Ein Unternehmen muss halt einfach Marktführer sein. Das ist genau so selbstverständlich wie, dass ein Politiker für Arbeitsplätze ist.

Signale über Signale! Von Politikern ist ja nichts anderes zu erwarten – als solche Schlichtheiten. Aber in der IT-Industrie sollten sich doch mal ein paar Informatiker finden, die ihren Marketing-Leuten das ISO/OSI-Referenzmodell erklären. Denen sollte doch klarzumachen sein, dass Kommunikation nicht mit Schicht 1 aufhört, der, auf der die Sache mit den Signalen erledigt wird.

Sieben Layer sind’s! Auf dem sechsten – dem Presentation Layer – da werden aus sicher, vollständig und an die richtige Adresse übermittelten Signalen verständliche Informationen gebildet. Und abgeschlossen ist ein Kommunikationsprozess erst dann, wenn beim Sender und beim Empfänger alle sieben Ebenen durchlaufen worden sind. Sollte man wissen in der IT-Industrie.

Na ja, gut. In der Politik muss man natürlich deutlich niedrigere Anforderungen stellen. Da würde schon ein sauber implementierter ECC (Error Correcting Code) was bringen.

Silicon-Redaktion

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