“The Internet changes everything” lautete ein beliebter Spruch aus der Zeit des Dotcom-Booms. Diese Zeit ist Gott sei dank vorbei. Aber nachdem die dicksten Flausen aus den Hirnen der Jung-Entrepreneure und Venture-Capitalisten fortgeblasen wurden, kann man sich auch über den Wahrheitsgehalt des Spruchs ein Paar Gedanken machen.
“Oder auch nicht!”, tönt es lautstark aus der Ecke der großen Musikverlage, in Eintracht vereint unter dem Dach der Recording Industry Association of America (RIAA). Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da lebt eine ganze Industrie vom Verkauf digitalisierter Inhalte und wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen zu akzeptieren, dass diese Art von Inhalten dafür prädestiniert ist, über das Internet übertragen und auf Festplatten gespeichert zu werden. Geht’s noch?
Nun, sie mag ihren Kunden noch so sehr lieber CDs in Plastikhüllen mit bunten Booklets verkaufen, sich noch so sehr über den (ihrer Ansicht nach illegalen) Austausch vom Musik über das Internet aufregen, noch so viele Kopierschutzverfahren ausprobieren und noch so viele ‘Piraten’ vor den Kadi zerren. Sie kann die Uhr nicht zurückdrehen. Es wird trotzdem munter weiter getauscht, und Kopierschutzverfahren werden auch weiterhin als Denksportaufgaben für coole Kids verstanden. Besonders wenn sie so leicht auszuhebeln sind wie mit einem einfachen Drücken der Shift-Taste während die CD gelesen wird.
Es hat wohl jemanden gebraucht wie Apple-Chef Steve Jobs, um der RIAA zu beweisen, dass man mit Musik-Downloads Geld verdienen kann, wenn man einfach und geradlinig genug denkt – und was die Preisgestaltung betrifft sogar richtig dreist denkt. 99 Cent veranschlagt der iTunes Music Store pro heruntergeladenen Titel. Wenn man bedenkt, dass sich bei diesem Vorgang das Musiklabel die CD-Produktion, die Hüllen, die Booklets und den Versand spart (die ganze Infrastruktur für den Download stellt sowieso der Händler auf), dann kann man bei den zu erwartenden Margen nur leuchtende Augen kriegen.
Mehr als 25 Millionen heruntergeladene Titel meldete Apple in den ersten sieben Monaten seiner Existenz, und die Weihnachtszeit ist noch lange nicht vorbei. Rechnet man all die iTunes-Nachahmer wie Napster oder Wal-Mart dazu, kann sich die Musikindustrie wirklich nicht darüber beklagen, dass das Internet ihr nur Verluste bringt. Sie tut es trotzdem. Sie steht nämlich wie der sprichwörtliche ‘Ochs vorm Berg’ beim Thema der digitalen Rechte. Wie oft dürfen heruntergeladene Titel auf CD gebrannt, online weitergegeben, auf Playern kopiert werden? (“Am liebsten überhaupt nicht”, hören wir sie schon sagen, “sollen sie doch lieber weiter CDs kaufen, nach Herzenslust kopieren und tauschen, und wir können uns einfach weiter über die bösen ‘Piraten’ aufregen.”)
Da braucht es wiederum Firmen wie Apple, Microsoft oder Philips, die mal wieder das Heft in die Hand nehmen. Sehr zum Nachteil der ganzen Industrie und der Verbraucher, wie wir meinen. Sowohl Apple als auch Microsoft vertreten mal wieder inkompatible Technologien. Vom iTunes Music Store heruntergeladene Titel lassen sich zwar auf CD brennen, sind aber nur von Apples iPod abspielbar, nicht von anderen MP3-Playern. Und Microsoft kocht mit dem Media Player sein eigenes Süppchen in Richtung “Beherrschung der Welt”.
Dabei braucht es in Sachen Digital Rights Management (DRM) nicht mehr eine technische Lösung – solche gibt es zuhauf. Es braucht eine inhaltliche und eine Business-Instanz wie die RIAA, die sagt, wie die Lösung nach Business-Kriterien aussehen soll, im Interesse der Verbraucher und ihrer Profite. Sollen sich doch danach die Apples und Microsofts und Napsters die Köpfe einschlagen, wie sie ihre Formate kompatibel machen. Die Macht der Verbraucher wird sie schon dazu zwingen.
Wir werden wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres unseren Nutzern viel Lesestoff zu diesem Thema bieten müssen. Unsere Befürchtung: Die IT-Industrie wird tatsächlich über die Technologie versuchen, die Verbraucher zu bevormunden. Und ob die RIAA noch in diesem Jahrzehnt mehr zustande bringt, als ihre Anwälte reich zu machen, wagen wir auch zu bezweifeln.
Aber wer weiß? Das Internet verändert schließlich alles. Hoffentlich auch Betonköpfe.
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