“Ein Desaster und eine Blamage” – Bund kündigt Vertrag mit Toll Collect
Nach monatelangem Gezerre um die Einführung der LKW-Maut hat die Bundesregierung den Vertrag mit dem Betreiberkonsortium gekündigt.
Nach monatelangem Gezerre um die Einführung der LKW-Maut hat die Bundesregierung den Vertrag mit dem Betreiberkonsortium gekündigt. Ein stundenlanger nächtlicher Verhandlungs-Poker konnte das Desaster nicht mehr verhindern. Am Ende stand die Kündigung mit dem Betreiberkonsortium aus Telekom und DaimlerChrysler. Die Bundesregierung schätzt den Schaden durch die verzögerte Maut-Einführung auf 6,5 Milliarden Euro.
Von den elfstündigen Verhandlungen sichtlich erschöpft, trat Bundesverkehrsminister Stolpe am Dienstagmorgen vor die Presse. “Jetzt haben wir entschieden: so auf dieser Basis können wir nicht mehr arbeiten”, so der Minister. Die Gespräche seien vor allem an den Punkten Schadensersatz und Haftung gescheitert. In den letzten Verhandlungsstunden hatten die Betreiber eine Erhöhung der Haftung um 300 Millionen Euro auf 800 Millionen Euro angeboten. Zuvor hatte das Ministerium von einem maximalen Haftungsrisiko für die Betreiber von rund sechs Milliarden Euro gesprochen.
Stolpe kündigte an, dass mit sofortiger Wirkung jetzt wieder die Euro-Vignette eingeführt werden soll. “Wir brauchen die Gelder”, so der SPD-Politiker. Gleichzeitig will er aber die Hoffnung auf ein satellitengestütztes Mautsystem nicht aufgeben. Parallel zu Vignette werde es daher eine Neuausschreibung geben. Toll Collect erhält dagegen eine Kündigungsanzeige, daraufhin wird unverzüglich ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet, in dem der Schadenersatz geklärt wird.
Allerdings hat das Betreiberkonsortium nach der Kündigungsanzeige noch zwei Monate Zeit, ein neues Angebot vorzulegen. Ein Telekom-Sprecher sagte: “Wir werden das Schreiben von Verkehrsminister Stolpe ausführlich prüfen.” Danach werde entschieden, ob und wie das Angebot nachgebessert werde. Auch in Regierungskreisen hält man es durchaus für möglich, dass sich innerhalb der Zwei-Monatsfrist noch etwas tun wird. “Die haben ja bisher noch nicht so richtig nachgebessert”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Regierungssprecher. “Ich weiß nicht, wie die auf die Idee kommen, dass der Bund auf Einnahmen verzichten könnte.”
Die finanziellen Folgen des peinlichen Maut-Desasters sind auf alle Fälle verheerend. Das Ministerium rechnete jährlich mit Einnahmen von 2,2 Milliarden Euro. Bis nun ein neues LKW-Maut-System auf die Beine gestellt ist, dauert es mindesten zwei Jahre. Wahrscheinlicher sind drei Jahre. Ursprünglich sollte die Maut zum 31. August dieses Jahres starten.