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Sparkassen sollen das Potenzial von ‘Geo-Marketing’ entdecken

Kundeninformationen mit Raumbezug eignen sich bestens für Marktforschung, Vertriebs- und Standortanalysen sowie für die Planung und Auswertung von Marketingmaßnahmen – vorausgesetzt die Daten sind gut und die Auswertung einfach. Sparkassen hätten diese Option, aber nur wenige nutzen die Chance.
Dabei enthält das Data Warehouse für die bayerischen Sparkassen alles, was die Arbeit von Marketing, Vertrieb und Geschäftsleitung effektiver und kostengünstiger gestalten kann: Kundendaten und flächendeckende mikrogeografische Daten, kombiniert mit Erkenntnissen zum Wohnumfeld und Anlagepräferenzen, sowie Finanztypologien, dargeboten per Java-fähigem Browser in einfach zu analysierenden thematischen Karten und Berichten. Trotzdem nutzen das System nur ein paar Kassen.

Die Ansprüche sind hoch

Am mangelnden Interesse dürfte die Nutzung kaum scheitern. Denn vor dem Start des Projekts ‘Geo-Marketing’ stand 1999 eine Umfrage unter den Mitgliedern des bayerischen Sparkassenverbandes. Damals bekundeten mehr als 70 Prozent der Geldhäuser Interesse an einem solchen System, erinnert sich Engin Akgöz, fachlicher Produktspezialist für Geo-Marketing beim Informatik-Zentrum Bayern (IZB Soft), der Software-Gesellschaft der Bayerischen Sparkassen.

Das Unternehmen erhielt den Auftrag, für die 82 Verbandsmitglieder ein entsprechendes System zu bauen. Mit im Boot war darüber hinaus die Sparkassen Informatik GmbH & Co. KG, die nach Angaben von Softwarelieferant Intergraph bis zum Jahr 2005 die 137 Sparkassen in Nordrhein-Westfalen mit dem geografischen Informations-System ‘S-GIS’  des IZB ausstatten will.

Doch können die IT-Dienstleister den autonomen Sparkassen nicht vorschreiben, das System einzuführen und zu nutzen. Eine schnelle flächendeckende Einführung ist dadurch erschwert, dass Mitarbeiter bereits mit ihrem Tagesgeschäft ausgelastet sind und im Umgang mit den Daten und den mächtigen IT-Werkzeugen die nötige Erfahrung noch fehlt. Das Potenzial liegt oftmals brach. Im Sommer dieses Jahres wurde die Pilotphase für S-GIS abgeschlossen. In Bayern nutzen derzeit zehn Kassen das System, in NRW zwei.

Externe Informationen peppen Kundendaten auf

Die GIS-Anwendung sei nur ein Bestandteil der IZB-Soft-Lösung für das Geomarketing, erläutert Akgöz. Insgesamt hat das Softwarehaus zwischen 2000 und 2002 drei neue Anwendungen entwickelt: Vor dem S-GIS entstand die Integration ‘Mikrogeografischer Daten’ in das Data Warehouse und die ‘Produkt-Potenzial-Analyse’ (PPA). Die mikrogeografischen Daten stammen von der Consodata Germany GmbH & Co. KG, in Planegg bei München. Das Unternehmen liefert kleinräumliche Informationen, die aus Datenschutzgründen auf der Basis von mindestens fünf Haushalten berechnet sind. Dazu gehören Angaben über den Bebauungstyp, sozialen Status, die Familienstruktur sowie PKW-Dichte und -präferenzen. Insgesamt handelt es sich, so Akgöz, um 20 Merkmale, die alle zwei Jahre aufgefrischt werden.

Die Daten wandern bei der IZB Soft in ein Data Warehouse, in dem auch die Kundendaten, inklusive historischer Daten vorgehalten werden. “Eigentlich wissen die Sparkassen über 80 Prozent der Kunden recht wenig”, erläutert der studierte Geograph. Bekannt sei etwa, welche Sparkassenprodukte der einzelne  Kunde nutzt und auch welchen Umsatz er damit generiert. Unbekannt dagegen sei zum Beispiel die Einkommenshöhe und ob die Person auch zur Klientel anderer Banken gehört.

Durch Anreicherung mit den gekauften sozio-ökonomischen Daten versuchen die Marketingabteilungen mehr über die Sparkassenkunden zu erfahren, um etwa den Erfolg von Werbeaktionen zu erhöhen. Statt hoher Streuverluste bei Mailings sollen solche Kundengruppen gezielt beworben werden, die eine hohe Affinität zu einem Produkt, etwa dem Bausparen, aufweisen. Das entlastet das Budget und hilft Ärger durch ein Übermaß an Werbung zu vermeiden.

Geografie hilft bei der Vertriebsplanung

Dafür haben die Sparkassen eigene Bewertungsmerkmale entwickeln lassen, die rund 40 ‘Sparkassen Finanzgruppen Scores’ (SFG). Abgeleitet wurden sie aus Befragungen repräsentativer Gruppen, die die Firma Psychnomics vorgenommen hat. Allerdings hat sich gezeigt, dass Klassifizierungen wie ‘klassischer Ansparer’ und ‘große Risikoneigung’ den Erwartungen nicht entsprechen. Akgöz vermutet, das könne daran liegen, dass diese Charakteristika gemessen an den mikrogeografischen Daten einen subjektiven Zug haben. Derzeit sucht man nach besseren Bewertungskriterien und -verfahren.

Die Produkt-Potenzial-Analyse (PPA) aus dem Hause IZB Soft, die sowohl mit den hausinternen Informationen als auch den zugekauften Mikrodaten arbeitet, gibt es nun schon zwei Jahre; 20 bayerische Sparkassen nutzen die Anwendung für den Vertrieb, mit deren Hilfe sich das Produktnutzungsverhalten der Kunden untersuchen lässt. Wie intensiv wird welches der rund 1000 Sparkassen- und Verbundprodukte genutzt?, lautet eine mögliche Abfrage, die eine Sparkasse bezogen auf ihr Geschäftsgebiet oder bezogen auf Teilgebiete und Segmente stellen kann. Ein Segment definiert sich durch die Geschäftsstelle, eine Kundengruppe und die Wohnlage. Sind die Durchschnittswerte berechnet, lässt sich feststellen, wo noch Potenzial vorhanden ist. PPA funktioniert auf der Basis von Standardberichten. Die Anwender suchen sich den jeweiligen Berichtstyp aus, es sei denn, PPA ist mit S-GIS gekoppelt.

Wer die Zahlenkolonnen visualisieren mag, kann das mit Hilfe des S-GIS tun; denn das System bietet unterschiedliche Möglichkeiten einer kartografischen Darstellung. Diese reicht bis zur Darstellung auf der Ebene von Straßen, das Bild gleicht dann einem Stadtplan. Um diesen für die Anwender intuitiven Zugang zu den Informationen zu ermöglichen, musste IZB Soft die Daten aus dem bestehenden DB2-Data-Warehouse unter z/OS mit den räumlichen Koordinaten versehen. Bei der Produkt-Evaluation im Jahr 2001 zeigt sich, dass nur wenige Anbieter in der Lage waren, insbesondere den Datenzugriff zu bewerkstelligen. Schwierig sind in diesem Zusammenhang etwa die Sicherheitsanforderungen. Zwar sollen alle Sparkassen per Browser direkt auf das zentrale Data Warehouse zugreifen, doch dürfen sie nur die für sie relevanten Informationen sehen und damit arbeiten.

Oracle und Intergraph machen das Rennen

Nur zwei Bieterpaare blieben übrig. Diese mussten in den Räumen von IZB Soft jeweils in einem festen Zeitrahmen und vorgegebenen Funktionen einen Prototypen bauen. Schließlich entschied sich das Softwarehaus für die Kombination Oracle und Intergraph. Von dem Datenbankanbieter kommen die Version 8i des Datenbank-Management-Systems und das ‘Transparent Gateway’ zur Host-Datenbank mit ihren 50 Tabellen sowie der Datenbankaufsatz ‘Oracle Spatial’.

In einer Drei-Schichten-Architektur dient das Gateway dem Zugriff auf das Data Warehouse. In der Oracle-Datenbank werden die Daten dann verknüpft und mittels Oracle Spatial der geografische Bezug hergestellt. Auf dem Applikations-Server ist der ‘Internet Information Server 5.0’ (IIS) von Microsoft installiert, das Intergraph-Tool ‘Geomedia Web Enterprise 4 SP1’ sowie die auf Intergraph-Software basierende Anwendung S-GIS. Dabei enthalten die GIS-Daten Bayerns unter anderem die Abgrenzung der Geschäftsgebiete einer Sparkasse, Postleitzahlgebiete, eigene Standorte und die der Konkurrenz, so genannte ‘Points of Interest’ wie Parkplätze, Postämter sowie Gemeinde- und Marktverantwortungsgrenzen.

Anwendungen überzeugen Anwender

Die Auswertung  erlaubt mikrogeografische Analysen, Kundenstromuntersuchungen und Auswertungen der Kundeninformationen. Im ersten Fall geht es um die Verteilung der externen Merkmale und deren Darstellung auf Hausebene, in Flächen oder als Diagramme.  Im zweiten Fall lassen sich Fragen beantworten wie, “Wo wohnt der Kunde und wo hat er sein Konto?”. Die Aufgabenstellungen im dritten Fall beinhalten die Evaluation der Marktdurchdringung, Ist- und Potenzialwerte aus der PPA sowie die Darstellung von Kundengruppen, Produktvolumen und Einkommensgruppe als Business-Charts auf einer Karte.

Nachdem in diesem Jahr die Einführungsphase für S-GIS überstanden ist, will sich GIS-Experte Akgöz nun verstärkt um die Beratung seiner Anwender kümmern. Für 2004 hat er deshalb “Rezepte und Anleitungen” in sein Pflichtenheft geschrieben, damit das Geo-Marketing endgültig ein Erfolg und damit ein Selbstläufer in Sachen Akzeptanz werden kann.

Silicon-Redaktion

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