Der Internet-Kandidat: Howard Deans virtueller Weg an die Macht

Während im deutschen Bundestagswahlkampf TV-Duelle noch als Neuheit gefeiert wurden, ist in den USA der Fernseher als Wahlkampf-Medium schon fast wieder out. Im November wird dort der 44. Präsident der USA gewählt – beim Stimmenfang kommt auf beispiellose Weise das Internet zum Einsatz. Vor allem der Kandidat der Demokraten, Howard Dean, hat den Wahlkampf im Netz perfektioniert.
Noch bis vor einem Jahr galt der Gouverneur des Mini-Bundesstaates Vermont als unbekannter Provinzpolitiker – inzwischen steht er an der Spitze der demokratischen Anwärter auf die Kandidatur. Seinen Blitzaufstieg hat der 55-Jährige neben seinen unterhaltsamen Zornausbrüchen dem Internet zu verdanken. Howard Dean kämpft mit allen Mitteln der virtuellen Welt um reale Macht.

In einem Geniestreich spannte Deans Wahlkampfteam die Online-Kontaktbörse Meetup.com für ihre Zwecke ein. Von Häkel-Kursen bis zu Star-Trek-Kränzchen suchen und finden sich dort Gleichgesinnte. Wahlkampf-Manager Joe Trippi organisierte über Meetup.com in 250 US-Städten Howard-Dean-Treffen – virtuelle und reale Welt wurden geradezu exemplarisch verknüpft.

Hinzu kommt ein präzise organisierter E-Mail-Wahlkampf. Auf Wahlveranstaltungen und per Post- oder Telefonaktionen sammeln Deans Wahlhelfer E-Mail-Adressen und möglichst viele Informationen über die Adressaten. Das ganze wird präzise genutzt: mit E-Mail-Angeboten, die auf den Benutzer zugeschnitten sind.

Lohn der Mühe: insgesamt spendeten die Amerikaner 41 Millionen Dollar für Deans Wahlkampf – so viel wie noch nie für einen demokratischen Präsidentschaftsbewerber. Außergewöhnlich ist daran auch, dass es sich mehrheitlich um Kleinspenden unter 200 Dollar handelt. Sie kommen von Normalverdienern und nicht – wie im US-Wahlkampf üblich – aus den Töpfen von Organisationen, der Industrie und großen gesellschaftlichen Gruppen.

Trotzdem: kaum jemand glaubt daran, dass Dean im tatsächlichen Wahlkampf George W. Bush schlagen kann. Auch wenn sich der Herausforderer inzwischen gemäßigt hat – er gilt als zu linkslastig und jähzornig.

Ohne Zweifel jedoch wird sein ‘World Wide Wahlkampf’ Trends setzen. Seine Online-Kampagnen sind in höchstem Maße interaktiv – das starre Schema der Informationsplattformen wird aufgelöst. Er vollzog die Fusion zwischen High-Tech (Internet) und High-Touch (persönlicher Kontakt). Die Demokraten sind deshalb so oder so stolz auf ihn. “Ich glaube dass es besser ist, mit jemandem wie ihm zu verlieren, als weiter mit diesen Mitläufern leben zu müssen”, bringt es eine 70-jährige Partei-Aktivistin auf den Punkt.

Silicon-Redaktion

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