IT-Industrie wird der Ausbeutung der dritten Welt beschuldigt

In den Produktionsstätten vieler Zulieferfirmen von IBM, Hewlett-Packard (HP) oder Dell herrschen unmenschliche Bedingungen. Die Arbeitnehmer von Vertragslieferanten der drei Großunternehmen in Mexiko, China und Thailand sind regelmäßig “Schikanen, Diskriminierungen und nicht tolerierbaren Arbeitsbedingungen” unterworfen. Zu diesem Schluss kommt die britische Hilfsorganisation CAFOD (Catholic Agency for Overseas Development) nach einer Untersuchung der Arbeitsverhältnisse in den drei Ländern.
“Die momentane Situation ist inakzeptabel”, sagt Katherine Astill, eine Analystin und Sprecherin der Organisation. “Die Produkte der Computerindustrie mögen zwar neueste Technologie enthalten, doch die Arbeitsbedingungen in der Computerproduktion können erschreckend ärmlich sein.” CAFOD setze sich dafür ein, dass Markenführer wie die drei im Bericht ausführlich erwähnten Unternehmen mehr Verantwortung für die Arbeiter in der Elektronikproduktion übernehmen. “Wir wollen, dass Hewlett-Packard, Dell und IBM Verhaltensregeln, die auf UN-Standards basieren, einführen und deren Einhaltung sicherstellen”, so die Sprecherin.

Nach Einschätzung der UN-Sparte für Handel und Entwicklung, UNCTAD, spielt der IT- und Elektroniksektor eine Vorreiterrolle in der Globalisierung der Herstellungsprozesse und “momentan die am meisten globalisierte Industrie”. Allerdings haben sich bisher die IT-Hersteller der Aufmerksamkeit von Organisationen wie CAFOD entzogen, weil andere Industrien wie die Textil- oder die Sportartikelbranche die Schlagzeilen beherrschten.

Zu Unrecht, wie Zahlen der UNCTAD nachweisen: Die Elektronik- und IT-Industrie sind in vielen Ländern der dritten Welt der größte Arbeitgeber. So sind 35 Prozent der Exporte von Costa Rica zum Beispiel für die IT-Industrie bestimmt, 13 Prozent der indonesischen Exporten, 26 Prozent der thailändischen und beeindruckende 63 Prozent der Exporte der Philippinen. “In Wirklichkeit macht sich der Elektroniksektor schuldig für dieselben Missbräuche, doch die Praktiken der Industrie in Hinsicht auf Arbeitsverhältnisse wurde nicht unter dieselbe strenge Beobachtung gestellt wie die Textil- und Schuhindustrie”, sagt Marie Apostol von der Hilfsorganisation Vérité.

Eine Reihe von Fallbeispielen im Bericht der CAFOD untermauern die Behauptung. So ist von der Erfahrung von Monica in der mexikanischen Stadt Guadalajara die Rede, die sich bei ihrem Einstellungsgespräch eine Leibesvisitation gefallen lassen musste und einen Schwangerschaftstest durchführen musste. Fragen hinsichtlich der privaten Verhältnisse und nach der Häufigkeit, mit der Frauen Sex haben, gelten als üblich. Diskriminierungen von Homosexuellen und Schwangeren seien an der Tagesordnung. Ebenso die von “potenziellen Unruhestiftern”, die oft an der Anzahl ihrer Tattoos identifiziert werden oder daran, dass sie einen Anwalt in der Familie haben.

Nimmt man die Löhne, die an Produktionsarbeiter in diesen Ländern bezahlt werden, unter die Lupe, so gewinnt der Begriff Offshore-Outsourcing sehr schnell einen negativen Beigeschmack. Zwischen 50 und 100 Dollar pro Woche bekommt ein Arbeiter in Mexico, der Komponenten für HP- und IBM-Rechner und Drucker bei einem Zulieferer produziert. In Thailand gelten Tageslöhne von umgerechnet 4 Euro als normal.

Die an den Pranger gestellten Großunternehmen wurden mit den Ergebnissen der Studie vor deren Veröffentlichung konfrontiert und hatten die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Die Organisation hat die Stellungnahmen im Bericht mit aufgenommen. Laut CAFOD hatte Hewlett-Packard bis dato den besten Leumund in diesem Bereich, doch alle drei Unternehmen mussten eingestehen, dass viel mehr gemacht werden muss.

IBM antwortete auf den Bericht mit der Ankündigung einer Reihe von Maßnahmen, die die identifizierten Missstände ausmerzen sollen und betonte, dass das Unternehmen sehr strenge Richtlinien gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz habe. “Wir nehmen Schritte vor, um diese auch bei unseren Zulieferern zu etablieren”, so IBM in der Stellungnahme. Die Richtlinien sollen in die Verträge mit den Zulieferern aufgenommen werden und ihnen verbieten, Angestellte und Bewerber aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Alter, Geschlecht, Nationalität und anderen Kriterien zu benachteiligen.

Die Antwort von Hewlett-Packard klingt ähnlich. So sei ein Verhaltenskodex für Zulieferer definiert und bei den 50 größten implementiert worden. “Wir arbeiten kontinuierlich mit den Zulieferern um sicherzustellen, dass deren Praktiken unsere Werte hinsichtlich Arbeitsverhältnissen und Umweltstandards reflektieren”, lautet es in HPs Stellungnahme.

“Der Bericht bringt einige sehr wichtige Themen zutage,” heißt es aus dem Hauptquartier von Dell. “Wir sind zufrieden mit dem bisherigen Fortschritt, aber es gibt noch viel zu tun.” Bleibt zu hoffen, dass der Bericht auch die harte Grundhaltung von Firmengründer Michael Dell etwas abmildert. Laut einer in Finanzkreisen gern erzählten Anekdote soll Michael Dell einem Zulieferer, der zu einem Meeting Zimtgebäck mitbrachte, gesagt haben: “Wir wollen kein Essen. Wir wollen einen besseren Preis. Nimm das zurück und lass uns die Preise deiner nächsten Lieferung senken.”

Silicon-Redaktion

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