Zwanzig Jahre “anders denken”: Der Mac hat Geburtstag

Können Sie sich vorstellen, wie Ihr Microsoft-PC heute funktionieren würde, wenn es vor 20 Jahren den Mac nicht gegeben hätte? Nein? Dann denken Sie sich zuerst den ‘Start’-Button unten links am Bildschirm weg, dann die Fenster, den Papierkorb, die Drop-down-Menüs, dann die Verknüpfungssymbole und das Hintergrundbild auf dem Desktop. Oder Sie machen es sich ganz einfach: Sie rufen die Funktion ‘Ausführen’ auf und machen sie bildfüllend. Schön, nicht?
Ob Sie es zugeben wollen oder nicht, Sie sind ein Mac-User. Falls auf Ihrem Bildschirm unten links ein Button mit der Aufschrift ‘Start’ platziert ist statt dem Apfelzeichen links oben, dann sind Sie eben ein später Mac-User. Bei Microsoft hat es halt 11 Jahre länger gedauert, bis man mit Windows 95 diese und andere Funktionen für sich entdeckt hat.

Das Apfelzeichen links oben feiert diese Woche sein zwanzigjähriges Dienstjubiläum. Sein Erscheinen hat eine neue Ära in der PC-Technologie eingeläutet. Mehr noch, es hat eine neue Komponente in die Computerei gebracht, die menschliche. Die Benutzeroberfläche des Macintosh hat es zugelassen, dass man zu einer Maschine, dem Werkzeug Computer, einen vertrauten Bezug finden konnte. Es gab einen Schreibtisch, darauf gab es Ordner, darin waren Dokumente, man konnte sie wie mit der eigenen Hand hin- und herschieben oder in den Papierkorb werfen.

Der Urvater des Mac war nicht Steve Jobs

Mit Sicherheit war das meiste davon keine Apple-Erfindung, sondern wurde in den Xerox-Laboratorien entwickelt. Auch war es nicht Steve Jobs, die treibende Kraft hinter Apples Erfolg in all den Jahren, der das Macintosh-Projekt in die Welt setzte. Es war ein Mann namens Jef Raskin, ein ehemaliger Professor und EDV-Berater, der 1978 bei Apple mit der Aufgabe angestellt wurde, Manuals zu schreiben. Jobs selbst war gegen das Projekt bis zu dem Zeitpunkt, als seine Anfeindungen Raskin gegenüber letzteren aus der Firma trieben und Jobs das Macintosh-Projekt förmlich in den Schoß fiel. Der Rest ist Geschichte.

Noch dazu eine sehr erfolgreiche Geschichte. Auch wenn Apples 3 Prozent Marktanteil im PC-Markt in der Regel belächelt wird, möchten wir hier folgende These wagen: Es gab in der PC-Industrie bisher nur zwei wirklich bestimmende Unternehmen, nämlich Microsoft und Apple. All die Hersteller von PC-Hardware, mögen sie noch so klangvolle Namen haben, waren immer nur Kistenbauer von Microsofts Gnaden. All die Hersteller nützlicher Software für DOS und Windows waren und sind nur so lange lebensfähig, bis Microsoft sich dazu entschließt, die Anwendung selbst zu bauen. Um Beispiele ist die Geschichte nicht wirklich verlegen.

Und Apple? Wahrscheinlich wird der Marktanteil von drei Prozent nie wesentlich wachsen, aber das ist nur bedingt ein Kriterium für Apples Erfolg. Von der Marktdurchdringung in bestimmte Industrien wie Grafik-Design oder Publishing abgesehen, definiert sich Apples Erfolg darin, damals wie heute eine bestimmte Klientel für seine Produkte begeistern zu können, eine treue Gemeinde eingeschworener Fans im Griff zu haben.

Nur ein Haufen Werbetexter?

Was sind das für Leute, diese Macintosh-Fanatiker? Sind das alles Werbetexter, Design-Freaks, Exoten? Warum sagen so viele von ihnen, dass sie ihren Mac “lieben”? In der Apple-Werbung schwärmen sie davon, dass ihnen damit die Arbeit leicht gemacht wird, dass sie dabei Freude haben, dass ihr Gerät sie nie im Stich lässt, und dass sie froh sind keine Computer-Experten sein zu müssen. Noch dazu behaupten sie mit ihrem Mac Dinge tun zu können, die sich für PC-Nutzer erst Jahre später erschließen.

Dieselben Aussagen seit 20 Jahren – wer schon mal mit Mac-Usern gesprochen hat, hat sie auch im Original gehört. Tatsächlich haben Jobs und Konsorten es geschafft, die Argumente für den Mac in all den Jahren mit immer neuen Ideen am Leben zu halten. Die Philosophie ist einfach: Wie kann man eine Maschine und deren Umgang damit so einfach gestalten, dass der Anwender nicht nur seine Arbeit effektiv machen kann, sondern auch Spaß daran hat?

Diese geradlinige Denkweise ist besonders in den letzten fünf Jahren, seit Jobs’ Rückkehr zu Apple, zum Tragen gekommen. Der iMac, der bunte Rechner, der Apple vor dem Ruin bewahrte, hat den Macintosh wieder zu etwas ganz anderem gemacht als die grauen PCs – nicht nur weil er in schrillen Farben daherkam. Weg mit der Kiste unterm Tisch, weg mit dem Wildwuchs an Schnittstellen, weg mit dem Kabelsalat, weg mit den Disketten. Die Zukunft ist im Internet und funktioniert anders. Noch dazu haben Anwendungen wie iPhoto, iTunes oder iMovie den Umgang mit Multimedia zum Kinderspiel gemacht.

Außerdem hat Steve Jobs begriffen, dass im Zeitalter des Internet der Macintosh allein nicht seelig machen kann. Online gekaufte (oder geklaute) Musik zum Beispiel braucht keinen Rechner sondern nur eine Festplatte und ein bisschen was drum herum. Der iPod war geboren, und er verspricht der Walkman dieses Jahrhunderts zu werden. Der iTunes Music Store war der Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf der erstarrten Musikindustrie. Das sind alles Resultate einer sehr einfachen Denke: Man kann auch dann Erfolg haben und Profit machen, wenn man zuerst an die Bedürfnisse seiner (potentiellen) Kunden denkt und dann an die eigenen Pfründe.

Ein Ein-Mann-Unternehmen

Im Grunde ist Apple immer noch eine Ein-Mann-Firma, die von den Ideen und Visionen von Steve Jobs lebt. Was sich während Jobs’ Abwesenheit bei Apple abgespielt hat, war eher traurig. John Scully, ehemaliger CEO von Pepsi, der von Jobs mit dem Satz “Willst du für den Rest deines Lebens Zuckerwasser verkaufen?” zu Apple gelockt wurde, konnte eine Weile von Jobs’ Vermächtnis leben. Doch die Implementation neuer Projekte wie des Newton ging krachend daneben. Und die größte Tat seines Nachfolgers Gilbert Amelio, des ehemaligen Chefs von Chip-Hersteller National Semiconductor, war rechtzeitig vor Apples endgültigen Ruin seinen Stuhl zu räumen.

Doch so sehr Jobs gereift zu sein scheint, so sehr er frühere Marotten offenbar abgelegt hat, so sehr seine Ideen Apples größtes Kapital sind, umso mehr ist diese Abhängigkeit auch die größte Gefahr für den Hersteller. Kaum vorstellbar, wenn er eines Tages nicht mehr der ‘iCEO’ wäre.

Was ihn wohl treibt, außer “das coolste Zeug auf dem Planeten” zu verkaufen, ist die Gewissheit, dass die Alleinstellung seiner Innovationen immer nur temporär ist. Alles wird irgendwann vom großen Bruder in Redmond kopiert, mehr oder weniger gut, aber immer zum Vorteil von Microsofts Konto und zulasten von Apples Marktanteilen. Er hat sich damit abgefunden, Gates’ externe Entwicklungsabteilung zu sein und für den Rest seines Lebens einen Vorsprung halten zu müssen, der das Leben seiner Firma sichert.

Andererseits hat sich trotz aller Rivalität Microsoft als Apples größter Verbündeter in all den Jahren erwiesen, noch mehr als Adobe oder Quark. Man kann dem Redmonder Monopolisten noch so eigennützige Motive für seine Unterstützung unterstellen (Apple als Feigenblatt für Wettbewerb, ein profitables Geschäft mit Mac-Software), ohne MS-Office würde Apple ziemlich einsam dastehen.

Aber auch Gates weiß, was er an Apple hat. Mag er noch so sehr von “Innovationen” in Zusammenhang mit Microsoft-Produkten sprechen, seine Stärken sind anders gelagert: Er kann vor allem die Innovationen anderer in eigene Profite verwandeln – auch wenn manchmal vom ursprünglichen Gedanken der Innovationen in der Microsoft-Version nicht allzu viel übrig bleibt.

Wie sagte noch Bill Joy, Mitgründer von Sun Microsystems und Mastermind von echten Innovationen wie BSD Unix oder Java? “Windows ist das Betriebssystem-Pendant zu Junk-Food.” Übertrieben? Ich weiß nicht. Schließlich nennt McDonalds seine Filialen auch ‘Restaurants’.

Silicon-Redaktion

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