Windows-Welt

Nicht wirklich. Als die Süddeutsche Zeitung Anfang der Woche ihren Lesern erklären wollte, was bei einem komplexen System wie Toll Collect softwaremäßig alles schiefgehen kann, griff sie wie selbstverständlich zum Beispiel der Fenstertechnik.

Nicht wirklich. Als die Süddeutsche Zeitung Anfang der Woche ihren Lesern erklären wollte, was bei einem komplexen System wie Toll Collect softwaremäßig alles schiefgehen kann, griff sie wie selbstverständlich zum Beispiel der Fenstertechnik.
Ist ja auch naheliegend. Wenn man ein Mautsystem als einen etwas überdimensionierten Windows-Rechner betrachtet, ist einem sofort klar, dass das nicht funktionieren kann.

Am Dienstag dann eine Pressekonferenz von Unisys gemeinsam mit Microsoft. Um zu deren Deutschland-Zentrale in Unterschleißheim zu gelangen, nimmt man am besten die S-Bahn.

Der Fahrkartenautomat am Münchner Hauptbahnhof zeigt vor blauem Hintergrund: “Windows NT, Version 4, Service Pack 6, 128 MB”. Sonst nichts. Gar nichts!

Das Thema der PK lautet “Ausfallsicherheit mit Windows 2003 Data Center”. Von einer Uptime von 99,999 Prozent ist da die Rede.

Ach ja. Manchmal braucht man halt einen starken Glauben. Damit soll ja alles gehen. Wenn man nur genug davon aufbringt, “so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin! So wird er sich heben. Und euch wird nichts unmöglich sein.” (Matthäus, Kap. 17, Vers 20)
 
Ergo sollte es doch wohl auch prinzipiell möglich sein, Windows stabil zu machen. Obwohl das schon ein Wunder einer anderen Größenordnung wäre als die einschlägigen Geschichten von Lahmen, Blinden, Aussätzigen und Wiederauferstandenen.

Das Erstaunlichste aber, was jemals der Monitor eines Windows-Servers angezeigt hat, das waren die Ergebnisse der Hamburger Bürgerschaftswahl am Sonntag. Auch die werden ja auf Microsoft-Maschinen ausgerechnet. Ein Umstand, der – im Unterschied zum Toll-Collect-Beispiel – allerdings nichts zu Erklärung des Phänomens beiträgt.

Oder vielleicht doch? Um 20 Prozent hat die CDU zugelegt. Sie nähert sich damit in Deutschland einem politischen Marktanteil, wie man ihn ansonsten nur im Softwaregeschäft von Microsoft her kennt.

Und hier wie da ist das nicht eigenen Qualitäten geschuldet, sondern eher dem jämmerlichen Zustand der Konkurrenz. “Arbeitgeber stellen sich hinter Schröder”, titelt am Dienstag die Süddeutsche Zeitung. Was aber für Arbeitnehmer offenkundig noch lange kein Grund ist, dessen Partei zu wählen.

Mit den Schröderschen Botschaften von den dringend notwendigen Reformen ist es halt so wie mit jenen, die per Microsoft-Nachrichtendienst übermittelt werden. Das ist der, der für Mitteilungen vom Administrator gedacht ist. 

Im Internet wird er allerdings oft anderweitig verwendet. Und wenn da nun ein ‘horny girl’ etwas anbietet, was im Cyberspace aufgrund von dessen schierer Virtualität gar nicht geht, dann nimmt auch niemand an, die Nachricht käme von einem seriösen Admin.

Die Sozialdemokraten tun sich halt in letzter Zeit arg schwer, nicht nur beim Sozialen, sondern auch mit dem Demokratischen. Die im Kanzleramt hochperformant implementierte Autocompletion-Funktion ergänzt doch recht schnell und immer das gleiche: “Basta!” Der User aber weiß, dass mit Autocompletion selten das herauskommt, was man eigentlich will.

Der Finanzminister wiederum gibt ein Bild ab wie der Internet Explorer. Dauernd werden neue Löcher entdeckt. Wobei niemand wirklich glaubt, dass die Sache sicher ist, selbst wenn der aktuelle Patch aufgespielt ist.

Apropos Patch: Das aktuell größte Sicherheitsproblem für die hanseatische Demokratie scheint jetzt ja gelöst zu sein. Schill ist raus und will nach Südamerika auswandern.

Das ist – jetzt aber wirklich – gut für Hamburg. Allerdings auch sehr bedauerlich für jenen geschundenen Kontinent. Was der schon an Deutschstämmigen abbekommen hat! Hugo Bánzer, Ernesto Geisel, Alfredo Strössner und jetzt auch noch Ronaldo Barnabas Schill.

Außerdem stellen Leute wie der ja die personifizierte Drohung dar, wiederzukommen – wenn auch in dem Fall nicht unbedingt in Schill-Gestalt. Aber sowas gab’s ja schon öfters: Stattpartei, Autofahrerpartei, Republikaner… Sie bilden quasi das Outlook der Politik.

Sie verstehen sich darauf, einfache Botschaften und Spam zu übermitteln. Und lassen allerhand Dubioses ins System. Trojaner, Würmer und Viren sind’s in der IT. Noch Widerwärtigeres in der Politik. Kurz: Das ganze hat eine doch sehr angebräunte Anmutung. Wie Outlook.

Na ja, und wenn’s um das Sozial- oder das Arbeitsrecht geht, da funktioniert die aktuelle Politik ja eh wie Windows: eine allgemeine Schutzverletzung nach der anderen.

Wie soll man das jetzt nennen? Das Phänomen, dass alles das Look and Feel von Windows bekommt.

Früher hätte man wohl vom Redmondismus gesprochen. Aber der Soziologenslang ist wohl so ziemlich out.

Wie wär’s mit Microsoften? Nö. Das weckt viel zu liebliche Assoziationen.

Bill Gates heißt der Chef. Gatering? Auch nicht. Da könnte ja einer draufkommen, er bekäme was Gutes.

Billing! Das isses. Da wird klar, dass man letztendlich teuer dafür bezahlen muss. Sowohl für das Betriebssystem aus Redmond, als auch für die Politik in Hamburg, Berlin und anderswo.

Ach ja. Die Welt wie Windows. Bloß leider ohne Alt+Cntrl+Del.