Im Fall SCO gegen die Open-Source-Community kommt wieder mehr Bewegung. Zunächst hatte der Softwarehersteller zwei neue Unternehmen verklagt, eines davon ist DaimlerChrysler. Das zweite Opfer ist ein amerikanischer Einzelhändler für Autoersatzteile. Daneben musste das Unternehmen einige Schlappen einstecken: zum einen legte das Unternehmen Quartalszahlen mit einem Verlust von 2,25 Millionen Euro vor. Außerdem darf der Unix-Experte in Deutschland nach einer außergerichtlichen Einigung nicht mehr behaupten, dass Linux unrechtmäßig Unix-Code enthält und darf den Nutzern des Open-Source-Betriebssystems auch nicht mehr mit Strafverfolgung drohen.
Jetzt hat auch noch ein US-Gericht den Kläger aufgefordert, die betreffenden Code-Zeilen, an denen sich die Anklage begründet, vorzulegen und auf der anderen Seite auch IBM aufgefordert, die entsprechenden Zeilen in AIX, der IBM-eigenen Unix-Adaption, zu identifizieren. SCO hat jetzt 45 Tage Zeit, alle Zeilen aus dem eigenen Code zu identifizieren, die über AIX oder Dynix in Linux exportiert wurden, und auch innerhalb von Linux jene Zeilen zu benennen, die durch unrechtmäßige Verwendung von Unix System V die Rechte von SCO verletzen.
Im Vorfeld der neuen Klagewelle hatte die SCO Group angekündigt, ein “weltbekanntes” Unternehmen vor den Kadi zitieren zu wollen, wegen angeblicher Verletzung von Lizenzvereinbarungen. Daher sorgte die Nachricht, dass ein US-Autoteile-Händler angeklagt wurde, zunächst einmal für Kopfschütteln. Doch der zweite Streich folgte kurze Zeit später: Jetzt muss sich der multinationale Konzern DaimlerChrysler vorwerfen lassen, den Nachweis über Einhaltung bestimmter Klauseln in den Lizenzvereinbarungen nicht erbracht zu haben.
Doch die beiden Fälle haben im Grunde genommen nichts miteinander zu tun. Im Falle des Einzelhändlers richtet sich die Klage gegen eine Copyright Verletzung. Der Händler verwende Linux und verletze so die Rechte von SCOs geistigem Eigentum. Das tut übrigens auch das Gericht, bei dem SCO die Klage gegen den Händler eingereicht hat. Es betreibt seine eigene Web-Seite mit einem Linux-Server. So werden auch die elektronischen Dokumente, die SCO eingereicht hat, auf einem Linux-Server gespeichert.
Bei DaimlerChrysler aber ist der Fall anders gelagert. Der Automobilhersteller hat, laut einer Vereinbarung mit SCO, den Source Code für bestimmte Hochsicherheits-Unix-Anwendungen zur Verfügung gestellt bekommen. Nun habe SCO bei dem Automotive-Konzern, wie das vertraglich auch geregelt sei, schriftlich nachgefragt, ob die Bedingungen, die an die Freigabe des Codes geknüpft sind, auch eingehalten würden. Das Unternehmen habe darauf hin aber nicht reagiert. Deshalb sei SCO gezwungen gewesen “um gerichtliche Hilfe” anzusuchen, erklärte Gregory Blepp, Vice President von SCO, zuständig für das internationale Lizenzgeschäft gegenüber silicon.de, um zu erfahren, was mit dem Code passiert sei. Bisher war bei DaimlerChrysler niemand für einen Kommentar zu erreichen.
Sollte sich in diesem Zusammenhang herausstellen, dass der Code entgegen der Vereinbarungen verwendet worden sei, so “behalte sich SCO weitere Schritte vor”. Blepp erklärte außerdem, dass sich SCO in der Causa Daimler 100 Prozent sicher sei, was die Erfolgsaussichten des Verfahrens angeht. Und auch bei dem Rechtsstreit mit IBM sei man zuversichtlich.
Einige Kritiker von SCO, von denen es derzeit relativ viele gibt, mutmaßen, Klagen gegen Anwender hätten vorrangig die Verunsicherung von Linux-Nutzern zum Ziel. Die Klage gegen den Autohändler sei aber bewusst bei einem District-Court eingereicht worden und nicht bei einem Bundesgerichtshof. Hier sei das Verfahren deutlich schneller, erklärte Blepp, denn: “Wir versuchen hier möglichst schnell Rechtssicherheit zu schaffen.”
Viele Anwender würden bei Gesprächen mit SCO argumentieren, dass sie erst den Gerichtsbeschluss im Fall IBM gegen SCO abwarten würden, um dann weiter zu verhandeln. Doch hätte der Fall IBM nichts mit den Verletzungen an den Rechten geistigen Eigentums zu tun. Der behandle, ähnlich wie im Fall mit Daimler, eine Vertragsverletzung. IBM hätte unrechtmäßig und entgegen der vertraglichen Vereinbarungen Code von SCO-Unix nach Linux transferiert.
Eine Bundesbehörde hat die SCO Group und IBM aufgefordert, mehr Informationen über die strittigen Code-Zeilen zu veröffentlichen. Auf diese stützt sich die 5-Milliarden-Dollar-Klage von SCO gegen IBM. Ein Gericht in Salt Lake City wies den Kläger an, weitere Details zu den Programmzeilen, die IBM angeblich in dem Open-Source-Betriebssystem integriert habe, vorzulegen. Blepp erklärte, dass dem Gericht bereits im Januar in einem 75seitigen Schreiben erste Details vorgelegt wurden. Jetzt wolle das Gericht noch ein paar mehr Details. Und auch IBM müsse jetzt mehr von seinem Blatt aufdecken.
Amerikanische Medien berichteten, dass SCO aufgefordert wurde, alle Code-Zeilen in Linux zu identifizieren, auf die das Unternehmen seine Klage stützte und zudem den gesamten Code, den SCO an andere Unternehmen weitergegeben hat, vorzulegen.
“Wir befinden uns in diesem Fall immer noch in der Phase der Anhörungen”, sagte Blepp gegenüber silicon.de. In amerikanischen Verfahren würden Beweise möglichst lange zurückgehalten, um der gegnerischen Partei möglichst wenig Gelegenheit zu bieten, auf diese zu reagieren. Anders als das in Deutschland der Fall sei, wo bereits bei der Einreichung der Klage die Beweise dem Gericht vorgelegt werden müssten. Er rechne nicht vor April 2005 mit dem Beginn des eigentlichen Prozesses.
Mit dieser Strategie vor Gericht sei auch die einstweilige Verfügung zu erklären, die ein deutsches Unternehmen gegen SCO erwirkt hat. So verhandle schon seit geraumer Zeit das Bremer Linux-Unternehmen ‘Univention’ mit der SCO GmbH, der deutschen Niederlassung des amerikanischen Unternehmens über die Nutzung von Linux. SCO hat sich jetzt bei Geldstrafe verpflichtet, in Deutschland nicht mehr zu behaupten, dass Linux-Betriebssysteme unrechtmäßig erworbenes Eigentum beinhalten, dass Endanwender für die Schutzverletzungen der SCO Intellectual Properties haftbar gemacht werden können, Linux ein nicht autorisiertes Derivat von Unix sei und dass Käufer strafrechtliche Verfolgung zu fürchten hätten.
Um solche Behauptungen aufstellen zu dürfen, müssten im deutschen Rechtsraum erst entsprechende Beweise vorgelegt werden, so Blepp. Um aber den Code vor weiteren unberechtigten Zugriffen und um die Lage vor dem amerikanischen Gericht im Streitfall mit IBM nicht zu verschlechtern, könne die SCO GmbH vor einem deutschen Gericht keine solchen Beweise vorlegen. Jetzt versuche Blepp nach eigenen Angaben mit den Beweisen, die dem US-Gericht bereits vorgelegt wurden, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen.
Indes wurde ein neuer Teilnehmer bei dem so genannten ‘Intellectual Property License for Linux’ bekannt. Dabei können sich Unternehmen seit August letzen Jahres für knapp 700 Dollar pro Prozessor gegen eine Klage von SCO absichern. Jetzt verkündete Bob Bench, CFO von SCO, dass auch Microsoft-Konkurrent ‘Computer Associates’ sich dem Programm angeschlossen habe. Derzeit sind vier Lizenznehmer offiziell bekannt.
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