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Indien: Zwei Millionen Programmierer stehen Gewehr bei Fuß

Wer ist Weltmeister im Export von Software-Dienstleistungen? Ein Land, in dem ein Drittel der Männer und zwei Drittel der Frauen nicht lesen und schreiben können: Indien. Der Subkontinent hat im letzten Jahr Software im Wert von 9,5 Milliarden Dollar exportiert, teilte die indische ‘National Association of Software and Service Companies’ (Nasscom) mit.
Und die Importeure? Deutschland ist nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Abnehmer der indischen Software. Nach Angaben der Nasscom gingen 65,5 Prozent der Software im Jahr 2002 nach Amerika und 14,1 Prozent in das Vereinigte Königreich. Deutschland nahm gerade mal 2,6 Prozent der indischen Software ab.

Die indische IT-Branche ist auf den englischen Sprachraum, besonders die USA, fixiert. So kommentiert die Nasscom auf ihrer Website regelmäßig die Versuche amerikanischer Politiker, im US-Wahlkampf Outsourcing per Gesetz zu beschneiden. Indische IT-Manager, wie der Sun-Mitgründer Vinod Khosla haben das Outsourcing verteidigt.

Deutschland scheint dagegen für viele Inder nur ein weißer Fleck auf der Landkarte zu sein. Zu Zeiten des Dotcom-Booms hatte die Bundesregierung noch mit einer ‘Greencard’ versucht, 20.000 so genannte ‘Computer-Inder’ anzuwerben. Damals kam nur eine Handvoll. Viele von ihnen haben Deutschland inzwischen den Rücken gekehrt und sind nach Großbritannien oder in die USA weitergezogen. Auf der letzten CeBIT war Indien mit gerade mal acht Ausstellern vertreten.

Doch die Inder erobern jetzt Deutschland, sagt das Marktforschungsunternehmen Deloitte & Touche in einer Studie von September 2003. Danach könnten indische IT-Unternehmen wie Wipro oder Infosys bis zum Jahr 2008 bis zu 20 Prozent der IT-Budgets der deutschen Großunternehmen kassieren.

Fast alle indischen IT-Unternehmen planten derzeit einen Markteintritt in Deutschland. Die Inder seien sich dabei der kulturellen und sprachlichen Barrieren bewusst. Dennoch glaubt Andreas Pohl, Geschäftsführer von Deloitte & Touche in Deutschland, dass in den nächsten Jahren zahlreiche deutsche IT-Unternehmen durch indische Firmen übernommen werden. Davon seien auch IT-Abteilungen von Großunternehmen, die bisher intern organisiert waren, betroffen. Genauere Angaben könne er im Moment noch nicht machen, sagte Pohl gegenüber silicon.de.

Geld spiele dabei keine Rolle, denn die indischen Unternehmen seien mit gefüllten Kriegkassen ausgerüstet. Die führenden IT-Unternehmen verfügten bis zu 300 Millionen Dollar an liquiden Mitteln und könnten genügend Kapital für den Eintritt in den deutschen Markt aufbringen.

So wie sich die Inder mit Deutschland bislang schwer tun, schrecken auch viele deutsche Unternehmen noch vor Investitionen in Indien zurück. Der Subkontinent ist zu weit weg, die kulturellen Unterschiede zu groß, heißt es. In Indien herrsche die Bürokratie, es fehle an Rechtssicherheit. Außerdem stünden mit der EU-Osterweiterung am 1. Mai preiswerte Arbeitskräfte zuhauf zur Verfügung.

Viele Indien-Skeptiker könnten sich dennoch bald auf den Weg zum Subkontinent machen. Der Grund: Es locken reiche Pfründe. In Indien gibt es bei einer Milliarde Einwohnern erst 30 Millionen Mobilfunkkunden, sagte Vijay Chopra, Telekom-Experte der ABN Amro-Bank, gegenüber der Nachrichtenagentur Pressetext.de. Von 100 Einwohnern haben erst drei einen Festnetzanschluss. China kann dagegen schon 277 Millionen Handynutzer und 270 Millionen Festnetz-Telefonierer vorweisen. Da tun sich gewaltige Wachstumsaussichten auf, prophezeite Chopra. Indien lege derzeit um zwei Millionen Handynutzer pro Monat zu.

Ein weiterer Trumpf Indiens: seine IT-Arbeitskräfte. Das indische Programmierer-Heer zählt nach Angaben der Nasscom mittlerweile 2,1 Millionen Köpfe. Das Land bildet sechs mal mehr Programmierer aus als China. Jährlich werfen indische Bildungseinsrichtungen 290.000 neuausgebildete Programmierer auf den Markt. In China kämen jedes Jahr nur 50.000 neue Programmierer dazu. Im Moment gebe es in China nur 247.000 Programmierer. Die Russen seien zwar talentiert, hätten aber nur 20.000 Programmierer zu bieten.

“Wenn die Inder nicht nach Deutschland kommen, dann gehen wir eben nach Indien”, sagen sich immer mehr deutsche IT-Unternehmen. Die Amerikaner sind schon da. Heute hat Motorola angekündigt, seine Chip-Entwicklungsabteilung in Singapur, Hongkong und Taiwan zu schließen und nach Indien und China zu verlagern. Der Schritt koste 50 Arbeitsplätze, teilte das Unternehmen mit.

Etwa 160 Mitarbeiter will die Darmstädter Software AG entlassen, wenn sie in diesem Jahr den Kundendienst nach Indien verlagert. Wenn die Darmstädter nach Indien gehen, sind sie in guter (deutscher) Gesellschaft. Bosch, SAP, Siemens und DaimlerChrysler lassen bereits in Bangalore arbeiten, so John Kottayil, Chef des Büros ‘Invest-in-Bavaria’, gegenüber silicon.de. Das Büro soll die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und Bayern fördern.

Kottayil konnte sich im Februar über Besuch freuen: Bayerns Ministerpräsident Stoiber machte seine Aufwartung. Im Schlepptau: IT-Manager aus den Vorständen von Siemens und Giesecke & Devrient. Siemens hatte Mitte Februar Berichte dementiert nach denen der Konzern 15.000 Stellen in der Softwareprogrammierung aus den USA und Westeuropa nach Asien und Osteuropa verlagern will. Einige der 2,1 Millionen indischen Programmierer hätten sicher nichts dagegen, für Siemens zu arbeiten.

Silicon-Redaktion

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