Banken und Bildungspolitik hemmen deutsche IT-Industrie
Obwohl die IT-Ausgaben in Deutschland gestiegen sind, sieht die Branche noch viel Handlungsbedarf: Bildungspolitik und Kreditvergabe sind die brennendsten Fragen.
Die deutsche IT- und TK-Industrie ist 2003 im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,3 Prozent gewachsen, doch die Gründe dafür liegen nicht allein in der lahmenden Konjunktur. Nach Ansicht des Bitkom-Verbandspräsidenten Willi Berchtold ist zumindest für einen Teil der Misere die hiesige Kreditwirtschaft verantwortlich.
“Die Geiz-ist-geil-Mentalität scheint die Führungsetagen deutscher Banken erreicht zu haben”, so Berchtold auf der Jahrespressekonferenz seines Verbandes am Rande der CeBIT. Er kritisiert scharf, dass sich die Banken prozyklisch zur Krise verhalten und im vergangenen Jahr mit Krediten gegeizt hätten. Im Vergleich zum Jahr 2000 hätten die Kreditinstitute letztes Jahr ein Viertel weniger, nur noch 134 Milliarden Euro an Krediten vergeben, ermittelte die Bundesbank in ihrer Jahresstatistik. Das Nachsehen hatten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Neugründungen. Berchtold rechnet zumindest damit, dass die abwartende Haltung der Institute aufgegeben werde, sobald die Konjunktur wieder mehr Drall erhalte.
Nach den Prognosen seines Verbands stehen die Chancen dafür recht gut: Bereits 2005 soll das Marktwachstum laut Bitkom 3,7 Prozent betragen. Doch der Verbandschef will noch nicht so laut von einer Trendwende reden. Zu drängend seien die Fragen der IT-Stellenbesetzung und der Abgabenpflicht bei steigenden Kosten für die Unternehmer. Es gebe noch zu viele Markthemmnisse, die einen kommenden Aufschwung dauerhaft bremsen könnten.
Eines davon ist weitaus schwieriger aus der Welt zu schaffen als die Geldbeschaffung. Trotz vier Millionen Arbeitslosen, die die Arbeitsamtstatistik zählt, sagt Bitkom-Präsident Willi Berchtold: “Fast jedes dritte Unternehmen findet nicht ausreichend qualifiziertes Personal.” Hierbei, so betont er, sind ausschließlich die IT-bezogenen Unternehmen befragt worden. Obwohl sich der Verband im klaren darüber sei, dass “die Früchte einer fundierten Bildungspolitik nicht im Herbst 2004 zu ernten sind, sondern in zehn, fünfzehn Jahren”, will er die Politik schon heute in die Pflicht nehmen.
Berchtold zitiert Bildungsministerin Edelgard Bulmahn mit den Worten, ein hoher Bildungsstand sei die Voraussetzung für gesellschaftlichen Wohlstand. Das bedeute aber, die Bildung mehr zu subventionieren und das intellektuelle Kapital Deutschlands nicht leichtfertig zu verspielen. Als Industrienation, die faktisch ein Exportland und preislich an hohe Kosten gebunden sei, müsse es Deutschland möglich sein, die erforderlichen Siptzenpreise auf dem Weltmarkt eben weiterhin durch Spitzenqualität zu erzielen.
“Unbildung ist teuer”, resümiert Berchtold. “Wer an Bildungsausgaben spart mit dem Hinweis auf leere Kassen und gleichzeitig jeden Job im Kohlebergbau mit 70.000 Euro im Jahr subventioniert, spielt mit der Zukunft und dem Wohlstand des Landes.” Berchtold will mehr Engagement dabei sehen, die natürliche Technikbegeisterung der meisten Jugendlichen in nachhaltiges Interesse für “den Rechner hinter dem Handy-Display” zu wecken.
Ein anderer Weg aus der Fachkräftemisere sieht er darin, mehr Anreize für qualifiziertes Personal aus dem Ausland zu schaffen. Die bisher gepflegte Arbeitsplatznachweis-Politik sei ungeeignet für die kreativen Köpfe, die gefragt seien. Hier fordert er im Gegensatz zu den Vorjahren, als die Green Card die Diskussion bestimmte, mehr Flexibilität von der Politik. “Wer auf Einwanderung der ausländischen Elite hofft, muss ihr etwas bieten.”