Software-Lizenzen: Nichts für den Bierdeckel
Der Lizenzanteil bei Software-Projekten wächst. Doch dessen Kalkulation ist vor allem bei Projekten, die Dienstleistungen nutzen, alles andere als einfach.
Internet-Anwendungen wie Webservices oder weltweite Vernetzungskonzepte wie Grid-Computing bestehen aus komplexen Bündeln heterogener Softwarepakete, die nicht nur technisch harmonieren müssen, sondern auch finanziell. Der Lizenzanteil an den gesamten Projektkosten steigt in diesen Anwendungen nicht nur deutlich an, sondern wird durch die Komplexität des Software-Stacks immer schwieriger zu verwalten und zu optimieren.
Gleichzeitig werden die Lebenszyklen von Softwarepaketen immer kürzer. Wenn Michael Schäfer, Verkaufsleiter bei SAP in Walldorf, davon spricht, dass die hauseigenen Produkte einen Lebenszyklus von länger als zehn Jahren hätten, dürfte das eher die R/3-Vergangenheit von SAP als die Mysap- oder Netweaver-Gegenwart des ERP-Marktführers kennzeichnen.
Der steigende Anteil der Mietangebote im Markt (nicht zuletzt von SAP) deutet darauf hin, dass der Lebenszyklus von komplexen Softwarepaketen heute eher bei drei bis fünf Jahren als bei mehr als zehn Jahren anzusetzen ist. Spätestens bei einer Nutzungsdauer von fünf bis sechs Jahren, oft auch schon nach zweieinhalb bis drei Jahren, ist nämlich ein Kauf allemal lohnender als die Miete.
Software-Mietpreis nach Zahl der Mitarbeiter
Eines der interessantesten Mietangebote im Markt gibt es seit letzten Herbst bei Sun. Das Unternehmen bietet seine Applikationsserver-Suite ‘Java Enterprise System’ auf jährlicher Mietbasis an, und zwar zu einem Preis von 93 Euro pro Vollmitarbeiter eines Unternehmens. Die Mitarbeiterzahl des Unternehmens wird dabei jährlich auf der Basis der im Geschäftsbericht aufgeführten Zahlen festgelegt. Die Lizenz umfasst automatische Software-Aktualisierung sowie Beratung, Schulung und Installation. Firmen unter 100 Mitarbeiter können die Software-Suite kostenlos haben, müssen dann allerdings für die Nebenkosten löhnen, was nur in Ausnahmefällen günstiger sein dürfte als die 93-Euro-Mietpauschale.
Die Berechnung der Lizenzkosten nach der Gesamtzahl der Mitarbeiter ist zwar nicht völlig neu, wurde aber bisher in der Regel nur bei ganz bestimmten Software-Produkten angewandt; beispielsweise bei Unternehmensportalen, auf die praktisch jeder Mitarbeiter einer Firma Zugriff hat.
Sun überträgt dieses Lizenzmodell nun auf ein ganzes Bündel von Programmpaketen, für die es neu ist. Dabei verfährt man nicht zuletzt nach dem Motto “Öfter mal was Neues”. Denn das Modell kann natürlich nur für IT-intensive Unternehmen interessant sein, und dort wiederum vor allem für solche, die um Größenordnungen mehr Kunden als Mitarbeiter haben, also beispielsweise Telekom-Unternehmen oder Energieversorger. “Einer unserer Kunden bedient mit 2800 Mitarbeitern rund 8 Millionen Kunden”, sagt denn auch Thomas Heinze, Produktmarketing-Manager bei Sun.
Preisunterschiede von bis zu 3000 Prozent
Im Grunde haben alle größeren Software-Anbieter heute Mietmodelle im Angebot, wie auch immer sie diese nennen beziehungsweise definieren mögen: SAP spricht von Phasenkauf, Oracle von einer zeitlich begrenzten Lizenz, Microsoft von Ratenkauf. Und Novell will zwar von Mietangeboten direkt nichts wissen, verweist aber auf Leasingpartner.
Der Vorteil bei gemieteten Lizenzen besteht nicht nur darin, dass man als Anwender die eigene Investitionskasse zeitlich entlastet, sondern ergibt sich vor allem daraus, dass Mietangebote in der Regel eine Rundum-Versorgung (Update, Upgrade, Support) enthalten und daher besser kalkulierbar sind.
Die Kalkulation von Lizenzkosten ist nämlich gerade bei komplexen Webservice-Projekten alles andere als einfach. Neue Infrastrukturen wie das Internet und neue technische Entwicklungen wie etwa Webservices oder Grid-Computing machen zum einen neue Regelungen erforderlich, bieten den Anbietern aber auch einen willkommenen Anlass, Nutzungen neu festzulegen. Bei Lizenz-Migrationen stellen dann die Anwender oft fest, dass sich die Lizenzkosten erhöht haben.
Die Lizenzkosten werden indes nicht nur durch immer neue Preis-Modulationen undurchsichtig, sondern auch dadurch, dass viele Endanwender ‘Lösungen’ kaufen, die ihnen von großen Systemhäusern oder auch kleineren System-Integratoren als Paket und im Paketpreis geliefert werden. Da ist es dann oft nicht weit her mit der Transparenz. So hat beispielsweise Jochen Michels, Unternehmensberater und Spezialist für IT-Finanzmanagement in Neuss, im Markt “Preisunterschiede für IT-Dienstleistungen von bis zu 3000 Prozent” festgestellt (1).
Insgesamt geringe Transparenz
Auch Lizenzhändler tragen nicht immer dazu bei, dass der Endabnehmer mit dem Preis-Leistungsverhältnis zufrieden sein kann. Christian Synwoldt, Supportleiter beim Frankfurter Systemhaus Fogelberg & Partner, das einen beratungsintensiven Spezialserver anbietet, mit dem Legacy-Anwendungen webfähig gemacht werden, hat mit Lizenzhändlern seine eigenen Erfahrungen gemacht. “Ab und an erhalten wir Anfragen von Handelsfirmen, die Lizenzen bestellen möchten. Derartige Anfragen kamen bisher ausschließlich von Kunden, deren EDV-Bereiche an Dritte ausgelagert worden sind”, erzählt Synwoldt. Offensichtlich hofften diese Insourcer, so seine Folgerung, über die Beauftragung von Lizenzhändlern ihre Kosten zu drücken, was zum einen bei komplexen Produkten so nicht funktionieren könne, und wenn es funktioniere, dann zum Schaden des Endkunden, weil “es offensichtlich war, dass die anfragenden Händler Null Ahnung von unserem Produkt hatten”.
Fried Saacke, der Vorsitzende der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG), sieht die Arbeit von Lizenzhändlern noch aus einem anderen Grund kritisch: “Die Hersteller akzeptieren Lizenzhändler, weil sie ihnen höhere Lizenzumsätze bringen. Der Preiskampf geht allerdings zu Lasten der Beratungshäuser, was langfristig auch die Basis des Herstellers schwächt.”
Angesichts der meist geringeren Transparenz der Lizenzkosten und ihrer gleichzeitig wachsenden Bedeutung sollte sich jeder Endanwender der Mühe unterziehen, durch das Gestrüpp der Lizenz-Metriken, Lizenzvarianten (Volllizenz, Laufzeitlizenz mit einem anderen Programm etc.) sowie der offen gelegten und nicht offen gelegten Rabattstaffeln selbst hindurch zu finden. Denn bei den Software-Lizenzen ist es ein bisschen wie mit der Steuergesetzgebung. Auf einem Bierdeckel wird man sie wohl auch in den nächsten zehn Jahren nicht notieren können.