Von Märkten und Standorten
Hier aber klappen sie sogar die Schnellstraße um. Morgens alles Richtung Messe. Und Abends: Nix wie weg!
Hier aber klappen sie sogar die Schnellstraße um. Morgens alles Richtung Messe. Und Abends: Nix wie weg!
Die Häuser versprühen den Charme des sozialen Wohnungsbaus der sechziger Jahre. Und die Landschaft ist flach. Keine Höhen, nur Tiefen. Sogar das Bundesland heißt danach: Niedersachsen.
So stellt man sich immer den Standort Deutschland vor. – Für die, die jenen nur aus den meinungsbildenden Verlautbarungen des BDI kennen: Das ist der Standort, an dem der welthöchste Handelsbilanzüberschuss erwirtschaftet wird.
Und in Hannover findet Jahr für Jahr die weltgrößte Computermesse statt. Obwohl einem das ja nun wirklich nicht in den Kopf will.
Ausgerechnet Hannover! Da gäb’s doch nun wahrlich Lokalitäten, die etwas mehr fancy sind.
New York beispielsweise. Da trifft sich ja die IT-Branche immer, wenn’s was zu feiern gibt. Eine Messe dort käm’ aber wahrscheinlich gar nicht gut. Vor allem bei der Reisekostenstelle daheim in der Firma.
Berufsmäßige Standort-Nöler klagen schließlich schon über die hiesigen Löhne – durchschnittlich 14,93 Euro brutto die Stunde für einen männlichen Arbeiter im produzierenden Gewerbe – dass die der Ruin der Volkswirtschaft seien. Welch bittere Tränen würden die erst vergießen angesichts von Hotelkosten von mindestens 350 Dollar pro Nacht.
Privatquartiere? Gibt’s nicht in den USA. In einem Land, das weltanschaulich auf das Survival of the Fittest baut, lässt man tunlichst keine Fremden in die Wohnung. Sowas könnte sich als sehr unfit erweisen.
Umgekehrt wiederum wär’s für das Standpersonal auch sehr ungünstig, privat etwa in der South-Bronx untergebracht zu sein. Da könnte kein Aussteller sicher sein, wer am nächsten Tag wiederkommt.
Der Cyberspace stellt als Messestandort ebenfalls keine Alternative zu Hannover dar. Im Internet hat sich nur das halten können, was dort auch hingehört. Google und Ebay etwa.
Mit Hilfe von Google bekommt man beispielsweise sehr schnell heraus, wie die schöne Tochter von Papst Alexander VI hieß. Ohne dicke Bücher wälzen zu müssen. Einfach durch eine geschickte Kombination von Suchbegriffen.
Und über Ebay bekommt man für 10 Euro ein Netzteil für eine Compaq-Workstation von 1995, das ansonsten niemandem genutzt und nur Staub angezogen hätte.
Gut, das ist alles nicht existenziell. Aber es macht einen ein bisschen zufriedener, wenn man wieder weiß, wie die Papsttochter hieß (Lucretia) und wenn’s die alte Workstation wieder tut.
Nonsense over TCP/IP hingegen ging nur sehr kurzzeitig – während der New Economy, als viele von der über’s Web georderten Pizza träumten. Early Adopters waren das, keine Leute, die Kohldampf hatten. Und virtuelle Messen sind genauso sinnig wie Online-Pizzas.
Nein, um Hannover als Standort für die weltgrößte Messe kommt man nicht herum. Hier handeln die Leute wie selbstverständlich marktorientiert, anstatt das in wohlgesetzten Worten andern zu empfehlen.
Sie räumen jedes verfügbare Zimmer in den tristen Sozialbauten, um in der Hochsaison im März und April ein paar Euro extra zu machen. Die halt, die man braucht, damit ein bisschen Sonne ins Leben scheint.
So eine prompte Reaktion auf die Bedürfnisse des Marktes würde man sich auch mal von der Industrie wünschen. Von Infineon beispielweise, dem Chip-Konzern mit dem selbstinszenierten Leistungsträger Ulrich Schumacher an der Spitze.
Wegen irgendwelcher Halbleiterbausteine macht Infineon eigentlich kaum noch von sich Reden. Die letzten beiden Unternehmensmeldungen betrafen staatliche Zuschüsse und Boni.
Die EU-Kommission hat jetzt einen Teil der Subventionen genehmigt, die die Infineon für ein portugiesisches Werk haben will – 77 Millionen bei Gesamtkosten von 140 Millionen. Dass das Unternehmen bereit ist, einen Teil seiner Investitionen selbst zu bezahlen, muss man wahrscheinlich als konzerneigene Interpretation des Subsidiaritätsprinzips betrachten.
Na ja, und wenn der Infineon-Kurs in den nächsten Jahren auch nur ein klein wenig steigt, dann möchte der Vorstand dafür ordentlich Aktien-Optionen haben. Anspruchsmentalität würde man es wohl nennen, wenn einer beim Einkassieren der Stütze so dreist wäre. Mancher Leistungsträger ist halt schon arg träge.
Deutschlands oberster Leistungsträger eröffnet ja traditionell die CeBIT: unser Bundeskanzler. Der, der zu seinen Wählern dasselbe Verhältnis hat wie der Infineon-Schumacher zu seinen Aktionären, meint offenkundig, gelegentlich die Backen aufzublasen reiche aus, um überdurchschnittlich bezahlt zu werden.
Von den Unternehmens-Chefs bei der CeBIT-Eröffnung hat er sicherlich wieder etwas Zuspruch erfahren, der Bundeskanzler. Das passiert ihm ja sonst kaum noch.
Gelobt wird er eigentlich nur noch von Leuten, die ihn ganz bestimmt nicht wählen. Von Horst Köhler beispielsweise. Das ist der ehemalige Sparkassenleiter, der gerade übt, wie man sich als Bundespräsent benehmen muss.
Köhler will ja Angela Merkel als Bundeskanzlerin, sagt er. Was einerseits das Lob für den gegenwärtigen Amtsinhaber relativiert und andererseits zeigt, wie sehr Köhler noch üben muss.
Ja, ja, in Hannover im März, da trifft sich die Welt, obwohl diese Stadt doch nun wahrlich nichts dafür mitbringt. Nicht einmal ein anständiges Restaurant gibt’s – so mit zwei/drei Michelins – wo man beim Essen so richtig stilvoll über den Standort jammern könnte.