Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft muss mit einem Millionen-Bußgeld der EU-Kommission rechnen. Die Verhandlungen mit dem US-Konzern seien gescheitert, sagte EU-Kommissar Mario Monti am Donnerstag in Brüssel. In der kommenden Woche wird Monti den Entwurf für einen Beschluss der EU vorlegen. Die Kommission wird dann am Mittwoch abstimmen. Monti kündigte an, er wolle im Interesse der europäischen Verbraucher entschlossen handeln.
“Wie haben deutliche Fortschritte bei der Lösung der Probleme gemacht, die in der Vergangenheit aufgetaucht sind – dennoch konnten wir uns am Ende nicht auf das gemeinsame Vorgehen in der Zukunft einigen”, so Monti nach dem Abbruch der Gespräche. “Wir haben sehr hart gearbeitet, um eine gütliche Einigung zu erzielen”, erklärte Microsofts CEO Steve Ballmer in einem Statement. “Meiner Einschätzung nach hätte unser Angebot die strittigen Punkte des Verfahrens regeln können, nicht nur in Europa, sondern rund um die Welt, und zwar jetzt”, bedauerte Microsoft-Anwalt Brad Smith. Jetzt hoffe er, dass die Gericht für Klarheit sorgen werden.
Jetzt müsse er im Sinne der Verbraucher und des Wettbewerbs in Europa entscheiden, so Monti. Er fühle sich durch den geschlossenen Rückhalt der EU-Staaten bestätigt. “Hier muss ein Präzedenzfall geschaffen werden, um klare Prinzipien für das künftige Verhalten eines Konzerns festzulegen, der eine so dominante Position auf dem Markt hat”, so Monti wörtlich. Der Italiener lobte dennoch ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit Microsoft in den vergangen Wochen.
Dem Vernehmen nach wollte der Konzern eine Vereinbarung und keinen rechtsverbindlichen Bescheid der Kommission – dieser nämlich könnte in den USA als Basis für Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Auch wollte der Softwareriese die Zahlung eines Strafgeldes vermeiden, hieß es. Microsoft kommentierte den Abbruch der Gespräche zunächst nicht. Ein Sprecher kündigte jedoch an, das der Konzern ein Statement vorbereite. Bisher hatte Microsoft die Vorwürfe der EU stets vehement zurückgewiesen. Man habe sehr wohl das Recht, neue Produkte mit Windows zu koppeln, wenn es darum ginge, den Service für die Verbraucher zu erhöhen, ließen die Redmonder wiederholt verlauten. Außerdem hätten die Konkurrenten bereits genügend Informationen, um Windows-kompatible Produkte auf den Markt zu bringen.
Mit diesen und anderen Argumenten im Koffer war Microsoft-CEO Steve Ballmer am Dienstag zu einem Last-Minute-Besuch nach Brüssel gejettet, um den Verhandlungen um einen Kompromiss doch noch zu Erfolg zu verhelfen und eine Strafe abzuwenden. Neben den persönlichen Verhandlungen mit Monti hatte Ballmer auch mit EU-Beamten der Wettbewerbskommission über das laufende Verfahren gesprochen. Die EU wirft Microsoft vor, sein Windows-Betriebssystem nur in Verbindung mit dem Multimediaprogramm Media Player anzubieten. Dadurch würde Microsoft die Wettbewerbsregeln umgehen und seine dominante Position bei den Betriebssystemen dazu ausnutzen, sich auch auf dem Multimediamarkt auszubreiten.
Über die genaue Strafe für den Softwaregiganten wird derzeit noch heftig spekuliert. Nach EU-Recht wäre ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent des weltweiten Konzernumsatzes von rund 30 Milliarden Euro möglich. In Branchenkreisen geht man jedoch von einer Strafe zwischen 200 und 300 Millionen Euro aus. Eine solche Strafe kann vor Gericht angefochten werden. Außerdem soll der Softwaregigant dazu gezwungen werden, seine Vertriebspraktiken in verschiedenen Geschäftsfeldern zu ändern, um mehr Wettbewerb durch andere Anbieter zu ermöglichen. So planen die EU-Wettbewerbshüter offenbar die Redmonder dazu zu zwingen, ihr Windows-Programm auch ohne den Media Player zu verkaufen. Zudem soll der Konzern dazu verpflichtet werden, seine Konkurrenten mit wichtigen Informationen über Schnittstellen zu versorgen. Die Mitbewerber könnten ihre Produkte so besser auf Microsoft-Software abstimmen.
Der Fall Microsoft gilt als eines der wichtigsten Kartellverfahren in Europa. In den USA hatte sich Microsoft mit dem Justizministerium in einem außergerichtlichen Vergleich geeinigt. Dort stößt Montis hartes Vorgehen seit jeher auf Unverständnis. Die EU versuche Microsoft auf diesem Weg zu enteignen und europäischen Firmen Vorteile zu verschaffen, so die Kritiker. Montis harter Kurs könnte sich so auch möglicherweise negativ auf das Verhältnis zwischen der EU und den USA auswirken.
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