Phraseware
Warum tut man sich das bloß Jahr für Jahr an?
Hunderte von Männern, deren bluthochdruckrote Gesichter und unterschiedlich stark ausgeprägte Übergewichtigkeit auf die mit einem nervigen Job oft verbundene ungesunde Lebensweise schließen lassen, haben sich das diesen Mittwoch wieder gefragt. Im Bordbistro des ICE, der sie aus Hannover weggebracht hat. Bei Kippen und reichlich Pils.
Excellent question, tät der Amerikaner da wohl erst mal zu sagen, um Zeit zum Nachdenken zu haben. Weil: darauf zu antworten, ist gar nicht so leicht.
Die reine Gaudi ist die CeBIT ja längst nicht mehr. Immer unübersichtlicher wird sie beispielsweise. Den Messekatalog gab’s denn heuer auch nicht mehr als – kiloschweres – Paperback, sondern in gebundener Form.
Und die Hamsie-Plage soll mal wieder richtig schlimm gewesen sein. – Nein, das sind nicht die Löwenmähnig- und Gazellenartigen, die Ehekrisen auslösen können. Hamsies sind die kleinen Rotznasigen, die bei der Jagd immer so Hamsie-artige Laute ausstoßen: “Ham Sie Werbegeschenke?”
Aus ihrem sprachlichen Reservat sind die Hamsies mittlerweile auch schon ausgebrochen. Die, die ihnen das Fell über die Ohren ziehen wollen, ködern sie inzwischen auch auf Englisch. In der Halle 16 beispielsweise versuchte man, sie zur Präsentation von Computerspielen zu locken. Die Leimrute wurde an die Wand projiziert: “Anschließend Giveaways”.
Die Hamsies sind aber die einzigen, die sich sprachlich weiterentwickelt haben. Ansonsten grassiert in der Branche ein verheerender Analphabetismus.
Besonders schlimm hat’s O2 erwischt. Das ist das Mobilfunk-Unternehmen, dessen Werbung zu suggerieren versucht, Handy-Telefonie habe etwas mit reinem, Sauerstoff durchflutetem Wasser zu tun. Ursprünglich entstanden ist die Firma aus der Fusion des Atomstrom-Konzerns Bayernwerk mit der Vereinigten Industrieanlagen AG.
Heute dichtet die Werbeabteilung von O2 Sätze wie: “O2 can do”. Heißt nix, soll aber wohl gut klingen.
Was die sprachlichen Umweltverschmutzer aber sicherlich nicht bedacht haben: Das letzte Mal, als verbaler Quatsch gut rüberkam, war weiland bei “Marmor, Stein und Eisen bricht”. Das war ja der bestklingende Grammatikfehler in der Musikgeschichte, was aber vor allem am satten Gitarrensound lag, dem vor “damm, damm – damm, damm”.
“Pure Business” und “You can choose” steht in anderen Sauerstoff assoziierenden Sprechblasen. Der Kaiser gibt sich dafür her. Franz Beckenbauer. Früher, als er kurze Hosen trug, hat er ja noch mit klaren Aussagen geworben, beispielsweise mit “Kraft in den Teller – Knorr auf den Tisch”.
Aber – um die Eingangsfrage zu beantworten – man bekommt halt doch einen sehr guten Überblick auf der CeBIT. Am besten in Halle 2, da kann man von der Galerie aus auf die Slogans an den Messeständen schauen und damit auf die sprachliche Öde, die das Geschäft prägt.
Mit “It’s digital” wirbt Olympus, was ja bezüglich einer Kamera heute ähnlich aussageschwer ist wie der Satz: “Damit kann man Fotos machen.”
“Choose freedom”, empfielt Toshiba. Ja, wird gerne genommen. Was allerdings das “We make sure” von Fujitsu-Siemens meint, bleibt im Dunkeln. Ist wahrscheinlich aber auch nicht so wichtig.
Sprache scheint überhaupt zum bloßen Stilmittel zu verkommen. Wie ja die Technik auch. Man entscheidet sich schließlich nicht mehr für ein Mobiltelefon mit der benötigten Funktionalität. O2 fordert statt dessen auf: “Finden Sie das Handy, das zu Ihnen passt.” Ein Netzendgerät soll nach denselben Kriterien ausgewählt werden wie ein Haarschnitt oder eine Krawatte. Da kann’s ja mit der darüber betriebenen Kommunikation nicht allzu weit her sein.
Die Firma Comarch meint sogar offenkundig, dass kryptische Techniker-Kürzel schick sind, und offeriert “Network mngmnt”. Der Ehrenpreis für die Pflege der deutschen Sprache geht hingegen an die “High Definition World” der japanischen Sony. “Willkommen in der Realität”, lautet deren Slogan. Richtig auf Deutsch und fast ein ganzer Satz! Sogar eine Aussage kann man mit etwas gutem Willen hineininterpretieren.
Gänzlich inhaltsfrei wird hingegen in der Branche “Information and Communication” verwendet. Das steht überall und heißt entsprechend auch nix.
“Information and Communication” geht den Sprach-Designern in der IT-Industrie genauso locker und nachlässig von den Lippen wie Politikern die Geschichte von den Menschen draußen – außerhalb des jeweiligen Parlaments – die ja immer im Mittelpunkt stehen, auch in einer globalisierten Welt. Es ist schon komisch, dass den Leuten immer das zur Phrase verkommt, was eigentlich den Inhalt ihres Jobs ausmacht.
Und – beiläufig bemerkt – Politiker sagen ja gerne, man dürfe keine einfachen Antworten verlangen – auf komplizierte Fragen. Trotzdem gäb’s da so eine, bei der’s halt schön wär’, nämlich: Was soll denn die Welt anderes machen, als globalisiert sein?
A propos Politiker. Die waren heuer ja vor allem in Halle 11. Dem “future parc”. Das ist, “where business meets research and new technologies”. So haben die Messe-Macher das ausgedrückt. In Halle 11 hatte man richtig Schwierigkeiten, mal einen klugen Wissenschaftler oder eine kluge Wissenschaftlerin vor’s Mikrophon zu bekommen, weil irgendwelche Staatssekretärinnen meinten, sich das Zugriffsrecht auf die Journaille sichern zu können.
Na ja, und eine Anzeige für ihren Stand im future parc hatte die Bundesregierung auch in der Messezeitung geschaltet. Da war dann aufgelistet, was sie alles unter “Innovation” subsummiert. Unter anderem: “www.bundesregierung.de”, “Agenda 2010” und “Reform des Arbeitsmarktes”.
Auwe! Das ist heftig. Noch heftiger wird’s, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die andern das gleiche wollen.
“You can choose”, ist halt bloß eine Phrase. In der Politik genauso wie in der Handy-Werbung.