Im Dienste des Verbrauchers soll die Entscheidung sein, doch am lautesten freut sich die Konkurrenz über die harte EU-Strafe wegen Monopolmissbrauchs. Doch für die Firmen der Computerbranche ändert sich zunächst nichts. Zu unsicher wird ihre Welt durch die Entscheidung.
Einmal wegen der Zeitfristen: Der Softwarekonzern Microsoft will die Strafe aus der EU-Kommission nicht auf sich sitzen lassen und geht vor Gericht. Dies weniger wegen der finanziellen Buße, sondern wegen den Auflagen der Behörde. In etwa vier bis fünf Jahren dürfte nach Angaben von Microsoft dann mit einem verbindlichen Urteil in der Sache zu rechnen sein.
Der verantwortliche EU-Kommissar Mario Monti, so die Microsoft-Manager siegessicher vor laufenden Kameras in Brüssel, habe bereits seine letzten drei Verfahren im Wettbewerbsrecht verloren. Diese Reihe will Microsoft fortsetzen. In der Zwischenzeit ist es wenig wahrscheinlich, dass Microsoft mit einem Antrag auf Aussetzung von Strafzahlung und Auflagen – Zugang von Konkurrenten zu Informationen über Server-Schnittstellen und Entkoppelung des Media Player vom Betriebssystem Windows – durchkommt. Denn das Gericht war in der Vergangenheit bei der Aussetzung von Kommissionsentscheidungen eher zurückhaltend.
Binnen 90 Tagen, so heißt es in der empfindlichen Entscheidung, die Microsoft nun anfechten will, soll der Konzern eine Version von Windows ohne den Media Player anbieten. Zusätzlich soll das Unternehmen die Schnittstellen öffentlich machen, die es bislang erfolgreich verhindert haben, dass Fremdsoftware auf Microsoft-Produkten genauso gut laufen kann wie die eigenen Anwendungen. Auch dagegen wehrt sich Microsoft mit dem Hinweis darauf, dass es grundsätzlich nicht üblich sei, dass ein Unternehmen gezwungen werde, geschäftskritisches geistiges Eigentum in diesem Umfang preiszugeben. Doch die EU-Kommission meint es offenbar ernst und will eine Entscheidung, die auch in Zukunft Bestand hat. So hat sie sogar schon Pläne angedeutet, die technische Umbauaktion bei Microsoft von einem ‘Monitoring Trustee’ entweder aus der EU-Kommission oder aus einem unabhängigen Bereich überwachen zu lassen.
Für die Konkurrenz aus dem PC-Bereich ändert sich dabei erst einmal nichts durch das Urteil: Die Anbieter von PCs und Laptops, die bislang durch die Microsoft-Politik gezwungen waren, ihre Produkte allein mit Windows-Betriebssystemen zu verkaufen, reagieren auf die Veränderung fast empfindlicher als auf den Knebel zuvor. Acer-Europachef Gianfranco Lanci bringt es auf den Punkt: “Aus meiner Sicht ändert sich für Acer nichts; wir werden weiterhin den Windows Media Player einbauen.” Schließlich sei der Markt derart angespannt und der Wettbewerb so hart, dass das Risiko, sich anders zu verhalten, derzeit nicht abschätzbar sei. Daher zieht er auch den Schluss, dass sich die Wirkung auf den PC-Markt in Grenzen halten wird.
Anders Sun Microsystems, die in der Chronologie der Ereignisse 1998 den Stein mit einer Klage ins Rollen gebracht hatten. “Wir freuen uns auf den Eintritt in eine Zeit der Innovation”, begeistert sich Lee Patch, Suns Vice President of Legal Affairs. Die Entscheidung sei nicht nur für Endverbraucher, sondern für mehr Innovation und Wettbewerb in der Branche wichtig. “Zum ersten Mal seit vielen Jahren können IT-Manager aus einer Vielzahl von Workgroup-Servern frei auswählen und sie können sicher sein, dass diese mit Microsoft-Desktops zusammenarbeiten können.” Eines Tages zumindest. Davon gehen auch RealNetworks und Novell aus.
Die Frage der Server-Schnittstellen geht aber nach Microsoft-Einschätzung, “weit über das hinaus, was wir in den USA machen müssen”. Eine Interaktion mit anderen Servern kann sich der Konzern für seine Software nicht vorstellen. Doch tatsächlich muss der Konzern gar nicht den zugrundeliegenden Code herausgeben. Lediglich die Schnittstellen, an denen eine Interaktion mit anderen Servern möglich gemacht werden kann, soll “geöffnet werden wie eine Tür”, heißt es in dem Urteil. Eine Einigung hier könnte die EU-Entscheidung auch weltweit gültig machen, da sie wettbewerbsrechtlich weltweit am weitesten gehen würde. Und sie könnte auch die Forschungsabteilung bei Microsoft betreffen. Anwälte des Konzerns sagten, sie würden sich nun mit dem EU-Recht auseinandersetzen müssen, um die geplante neue Windows-Version nicht anfällig für die nächste Klage zu machen.
Auch bei den Media-Player-Reduktionen sind noch entscheidende Fragen offen: Analysten rechnen damit, dass bei einem klaren Vorteil, im Pricing zum Beispiel, sich der eine oder andere zu einer solchen reduzierten Version durchringen könnte. Doch genau hier liegt das Problem: Microsoft darf zwar die Inklusivversion nicht billiger, performanter oder attraktiver machen, um sie besser losschlagen zu können. Jedoch kommt es in Frage, dass beide Versionen zum gleichen Preis angeboten werden. Das hat der Konzernanwalt Brad Smith bereits angekündigt. Damit wird das Urteil einfach über den Markt aufgehoben, befürchten die Branchen- und Microsoftkenner – wer wird schließlich auf zusätzliche Funktionalitäten verzichten, wenn der Preis gleich ist.
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