“Unverantwortlich”, “innovationsfeindlich”, “unerwünschte Folgen” – Hewitt Pate, Wettbewerbsexperte des US-Justizministeriums tobt. Die EU-Rekordstrafe gegen Microsoft hat Washingtons obersten Kartellwächter so in Rage gebracht, dass in einer ersten offiziellen Reaktion der US-Regierung von diplomatischem Feingefühl nur wenig zu spüren ist. Die harte Entscheidung von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti belaste das Verhältnis zwischen USA und EU deutlich. Die Republikaner im Senat beschwören bereits einen neuen Handelskrieg herauf.
“Fundierte Anti-Kartellpolitik muss es auch bei dominanten Unternehmen vermeiden, Innovation und Wettbewerb zu behindern”, wettert Pate. Die Strafe der EU übertreffe sogar Geldbußen, die gegen Kartelle verhängt wurden, deren Preisabsprachen berühmt-berüchtigt sind. “Das könnte ein unglückliches Signal über eine angemessene Hierarchie bei der Bestrafung aussenden”, so Pate. Die demokratische Senatorin Patty Murray sagte, Montis harsches Vorgehen gegen Microsoft sei ein weiterer Beweis für die systematische Schikane der EU gegenüber der US-Industrie.
Noch schärfer ging der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Bill Frist, mit der EU-Kommission und Wettbewerbskommissar Mario Monti ins Gericht. Gegenüber der Washington Post sagte er: “Ich fürchte, dass die USA und die EU auf einen neuen Handleskrieg zusteuern – und dass das Urteil der Kommission gegen Microsoft der erste Schuss war.” Nicht ganz so drastisch, aber ebenfalls unversöhnlich zeigte sich auch Microsoft-Chefjurist Bradford Smith. “Die Kommission hat ein Angebot ausgeschlagen, das einen Konflikt vermieden hätte, sie hat einen Weg gewählt, der eine Auseinandersetzung nach sich zieht”, sagte er in einer Telefonkonferenz.
Es ist nicht das erste Mal, dass Monti auf Konfrontationskurs mit den USA geht. Durch die Blockade der Fusion von General Electric und Honeywell hatte er 2001 einen Handelsstreit zwischen der EU und den USA heraufbeschworen. Damals hieß es aus Washington, Brüssel habe es gezielt auf US-Firmen abgesehen. Auch derzeit gibt es genügend Material, das den schwelenden Handleskonflikt zwischen Amerikanern und Europäern zusätzlich anfeuert. So gelten seit dem 1. März Strafzölle für bestimmte US-Güter, die nach Europa importiert werden. Hinzu kommt der Streit wegen des Anti-Dumping-Gesetzes im Flugverkehr. EU-Fluggesellschaften können dadurch gegen unfairen Wettbewerb von Seiten der US-Airlines vorgehen.
Doch Montis harte Hand hat nicht nur Kritiker auf den Plan gerufen. Allen voran klatschten viele US-Softwarefirmen Beifall. “Dieses Urteil zeigt, dass der Vergleich in den USA reine Augenwischerei war, die auf einen zweifach bestraften Monopolisten nicht abschreckend gewirkt hat”, sagte Bruce Perens, einer der Mitbegründer der Open-Source-Bewegung, gegenüber der Nachrichtenagentur AP. “Microsoft muss weiter genau geprüft werden, in Europa, in den USA und in der ganzen Welt. Ohne den forschenden Blick der Wettbewerbshüter ändert Microsoft sein Verhalten nicht”.
Vor zwei Jahren hatte sich die US-Behörde in einem ähnlichen Fall gütlich mit Microsoft geeinigt – die Auflagen blieben aber weitgehend wirkungslos.
Mario Monti selbst reagierte hingegen gelassen auf die scharfen Töne aus den USA. Dieser Fall könne nicht als Handels- und Industriestreit zwischen den USA und der EU verstanden werden. Außerdem sei die Untersuchung nicht durch Konzerne in Europa angestoßen worden, sondern von den US-Rivalen Sun Microsystems und Real Networks, so der EU-Wettbewerbskommissar. Dennoch heißt es in einer internen Reaktion der Kommission, aus der das Handelsblatt zitiert, die Reaktionen seien “weitaus negativer als erwartet”. Noch am Mittwoch hatte Monti erklärt, er sei stolz darauf, im Fall Microsoft mit den USA “Hand in Hand” gearbeitet zu haben.
Microsoft-CEO Steve Ballmer hofft unterdessen, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission neu aufgenommen werden. Ein Blick auf die Fakten werde zeigen, dass die von Microsoft angebotenen Maßnahmen besser seien als die Entscheidung der EU-Kommission. Als ersten Schritt plant Ballmer sicherheitshalber trotzdem den Gang vor Gericht. Durch eine einstweilige Verfügung will er die geforderte Offenlegung von Informationen stoppen.
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