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Outsourcing: Indien vertreibt sich selbst aus dem IT-Paradies

Indien ist für viele Outsourcing-willige Unternehmen das gelobte Land. Dafür gibt es Gründe. Viele Inder sprechen Englisch. Zwei Millionen gut ausgebildete Programmierer stehen Gewehr bei Fuß. Indien hat historische Bindungen an den Westen und eine westliche Unternehmenskultur. Was aber vor allem zählt: Ein indischer Programmierer verdient nur ein Drittel dessen, was sein US-Kollege bekommt.
Jedoch, Indiens Image als Niedriglohnland bröckelt. Die Inder wollen mehr Geld für ihre Arbeit. Im letzten Jahr sind die Löhne der indischen IT-Profis im Vergleich zum Jahr 2002 zweistellig gewachsen. Dagegen stagnieren die Gehälter der amerikanischen IT-Profis oder befinden sich im freien Fall. Nach einer Studie des US-Marktforschers Foote Partners haben die Amerikaner im letzten Jahr durchschnittlich 23 Prozent weniger verdient als im Jahr 2001. Zwar klafft zwischen dem Gehalt eines Inders und dem eines US-Amerikaners immer noch eine gewaltige Lücke. Aber die Schere beginnt sich zu schließen.

Die Gesetze von Angebot und Nachfrage fordern ihr Recht. Die Nachfrage nach indischen IT-Dienstleistungen steigt, und mit ihr auch der Preis. Indiens IT-Branche ist im Aufschwung. Der Lebensstandard wächst, aber auch die Lebenshaltungskosten. Komme man heute nach Bangalore, dem indischen Silicon Valley, sehe man viele neue Häuser, Läden und Restaurants, viele junge Leute und viel Energie, sagte Nandan Nilekani, CEO des indischen Branchenschwergewichts Infosys Technologies, in US-Medien.

So kommt, was kommen musste: Outsourcing-bedürftige IT-Firmen wagen sich in Länder vor, die nicht dem anglophonen Kulturkreis angehören, dafür aber noch preiswertere Programmierer als Indien zu bieten haben. IBMs Dementi von Meldungen, wonach der Konzern im indischen Kalkutta 2000 Mitarbeiter einstellen will, erscheint so in einem ganz neuen Licht. Sind die Inder für Big Blue zu teuer?

Vom neu zu verteilenden Outsourcing-Kuchen dürften sich besonders die Chinesen ein großes Stück abschneiden. Sind doch die Stundenlöhne der IT-Profis im Land der Mitte am niedrigsten. In Deutschland koste die Arbeitsstunde eines Entwicklers um die 80 Euro, sagte Jean-Christian Jung vom Marktforschungsunternehmen PAC der Nachrichtenagentur AFP. In Rumänien schlage diese dagegen mit nur 30 bis 40 Euro zu Buche, in Indien sei es noch etwas weniger. Die Chinesen verlangten gar nur acht bis zehn Euro, so Jung.

Die Jagd nach dem preiswertesten Outsourcing-Dienstleister scheint nach dem Dominoprinzip zu funktionieren: Westliche IT-Firmen lagern nach Indien aus und die Inder schieben die Arbeit nach China weiter. So hat Tata Consultancy Services (TSC), einer der vier größten Softwareexporteure Indiens, damit begonnen, Jobs ins Land der Mitte auszulagern. Im Jahr 2005 will TSC nach US-Medienberichten 3000 chinesische Programmierer beschäftigen.

Immer mehr westliche IT-Unternehmen lassen sich von den Eskapaden der chinesischen Politik nicht abschrecken und investieren vor Ort. Bruce Claflin, CEO des Netzwerkausrüsters 3Com, will durch eine Kooperation mit der chinesischen Huawei Technologies 1000 Jobs schaffen. Die Stellen besetzt allerdings Huawei. Siemens Mobile will 2000 Jobs der Standorte Bocholt und Kamp-Linfort nach China verlagern. Auch die Auslagerung von bis zu 600 Arbeitsplätzen der Netzwerksparte ICN vom Siemens-Standort Bruchsal nach China ist beschlossene Sache .

Aber auch Europa hat ein Niedriglohnland zu bieten: Rumänien. Wie US-Medien berichten, kann man einen rumänischen Uni-Absolventen schon für 6500 Dollar pro Jahr engagieren. Für eine Investition auf dem Balkan sprächen vor allem die geringen Kosten und die Nähe zu den europäischen Kunden.

So wird das US-Unternehmen TechTeam Global, ein Anbieter von IT-Outsourcing-Diensten, Anfang April in Bukarest ein Callcenter eröffnen. Die Mitarbeiter seien preiswert und hätten romanische, anglo-germanische sowie slawische Sprachkenntnisse, teilte William F. Coyro, CEO von TechTeam, mit. Und das Umfeld sei in Rumänien im Gegensatz zu Indien und China “stabil und unternehmerfreundlich”.

Auch wenn die Outsourcing-Karawane nach China und Rumänien weiter ziehen sollte, die Inder demonstrieren Gelassenheit und ein gewachsenes Selbstvertrauen. Schon drehen indische Unternehmen den Spieß um. Bharti Televentures, der zweitgrößte indische TK-Anbieter, hat einen Outsourcing-Auftrag an IBM vergeben. Die Vereinbarung mit einer Laufzeit von zehn Jahren hat ein Volumen von 750 Millionen Dollar.

Viele indische IT-Manager glauben an die Innovationskraft ihres Landes. Geht es nach ihnen, werden die Inder in Zukunft nicht nur amerikanische, britische oder deutsche IT-Unternehmen bedienen, sondern den Weltmarkt mit eigenen Techniken erobern.

Silicon-Redaktion

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