IBM legt Architektur seines Power-Prozessors offen
Big Blue will die Expertise seiner Kunden in die Weiterentwicklung des Power-Prozessors mit einbeziehen. Ein Chip-Baukasten und ein neues Tool soll externen Entwicklern helfen, die CPU für unterschiedliche Anwendungen und Betriebssysteme anzupassen.
“Wir wollen Elektronikhersteller von den Einschränkungen proprietärer Microprozessor-Architekturen befreien”, erklärte Nick Donofrio, Senior Vice President in den Bereichen Technik und Herstellung bei IBM. Mit der Offenlegung großer Teile der Architektur des ‘Power’-Chips will der Hersteller mehr von den hauseigenen Prozessoren an den Mann bringen. Daneben hat Big Blue auch ein Software-Tool angekündigt, über das sich die CPUs besser an die jeweilige Umgebung anpassen lassen. Mit der neuen Generation, die für April angekündigt ist, können die Prozessoren partitioniert werden und so verschiedene Betriebssysteme unterstützten.
Die Bühne sei reif für eine ganze Reihe von Innovationen, die sich vor allem aus der Zusammenarbeit mit neuen Partnern speisen solle, sagte Donofrio. IBM wolle jetzt auch – ähnlich wie bei dem Betriebssystem Linux – die Vorteile einer großen und offenen Entwicklergemeinde nutzen. Doch würden nicht alle Teile des Power-Chips offengelegt. So soll etwa das Instruction-Set unter der Kontrolle von IBM bleiben.
“Die Grundidee bei der Power-Familie könnte man als Baukastenprinzip umschreiben”, erklärte Hans-Jürgen Rehm, Unternehmenssprecher bei IBM Deutschland, gegenüber silicon.de. Der Chip ließe sich so auf unterschiedliche Bedürfnisse zuschneiden. Dadurch öffne sich für den Power-Chip ein wesentlich größerer Markt, “denn so können wir von dem klassischen Server- beziehungsweise Client-Bereich weggehen und zum Beispiel auch den Consumer-Markt oder auch Embedded-Systeme mit dem Power ausrüsten”, so Rehm weiter. So wolle beispielsweise Microsoft für die X-Box die IBM-CPU verwenden.
Für gewöhnlich wachen Halbleiterhersteller mit Argusaugen über die Geheimnisse ihrer Produkte, so auch der Chip-Gigant Intel. Doch gibt es in diesem Bereich auch Beispiele für Kooperationen zwischen Anbietern und Kunden, wie etwa ARM, die mit Kunden zusammenarbeiten und auch Software anbieten, damit der Halbleiter besser in die Produkte eingepasst werden kann.
Doch mit fortschreitender Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Prozessoren wird es immer schwieriger, noch mehr Leistung auf noch kleinerem Raum unterzubringen. Und die physikalischen Grenzen rücken immer näher. Daher müsse die Leistung der CPUs auch durch bessere Integration in die Systeme, die sie betreiben sollen, gesteigert werden.
“Integration wird gegenüber Gigahertz immer wichtiger. Man kann nicht unendlich verkleinern”, erklärte Bernie Meyerson, der die Halbleiterentwicklung bei IBM leitet. Er sinniert darüber, was wohl passieren werde, wenn die einzelnen Transistorenschichten auf die Größe eines Atoms schrumpften. Daher setze jetzt IBM auf die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern, um so die Marktstellung des Power-Chip (Performance Optimization with Enhanced RISC) zu stärken, der bislang vor allem in Servern und Apple-Rechnern zum Einsatz kommt.
So soll im Bereich Software, der Prozessor-Architektur und im Hardware-Design mit verschiedenen Herstellern zusammengearbeitet werden. In den vorangegangenen Wochen hat IBM bereits ein Programm für die Chip-Entwicklung für Kunden und gelockerte Lizenzbedingungen bekannt gegeben. In gewisser Weise folgt der neue Ansatz dem bereits von Unternehmensseite viel gepriesenen On-Demand-Modell von IBM.
So will IBM neben dem Chiphersteller Chartered Semiconductor Manufacturing auch mit Softwareherstellern wie Wind River und Red Hat zusammenarbeiten. Auch der Unterhaltungselektronikkonzern Sony will die Power-Architektur für die System-on-Chip-Prozessoren lizenzieren. Das sind sozusagen Alleskönner-Chips, die in verschiedenen Geräten eingesetzt werden sollen. Auch L-3 Communication, ein Spezialist für Luft- und Raumfahrtelektronik und Global Brands Manufacture, ein chinesischer Elektrogerätehersteller, wollen künftig Lizenzen für den Power-Chip erwerben.
Ein Mitarbeiter von Red Hat erklärte in amerikanischen Medien, dass es nicht vordergründig die Architektur sei, der Vorteil liege vielmehr in der Kombination des Chips mit anderen Hardwarekomponenten und der Software. Dadurch sei Red Hat in der Lage, vor allem bei der Verwaltbarkeit und der Virtualisierung Verbesserungen zu erzielen.
Bei Analysten stößt IBMs neuer Schritt auf positive Resonanz. Auch sind sich die Branchenkenner einig, dass IBMs Ansatz derzeit einzigartig sei. Der Vorteil der geöffneten Power-Architektur liege darin, dass ein Prozessor für die verschiedensten Anwendungen, vom Spiele-Computer bis hin zum High End-Server optimal zugeschnitten werden könne. Intel biete hingegen viele verschiedene fest vorgefertigte Typen und Varianten für verschiedene Märkte.
Auch von den Plänen, künftig die Entwicklung einzelner Teile quasi Open Source zu machen, wird von Analysten honoriert. So könne IBM wesentlich mehr Entwickler mit in die Projekte einbeziehen und hätte so mehr Chancen auf Innovationen, als dies bei proprietärer Entwicklung der Fall sei.
Daneben kündigte IBM auch die neue Power-Generation, den Power 5 an. Große Neuerung sei hier die Partitionierbarkeit des Prozessors. “Es gibt die Möglichkeit einer logischen Partitionierung”, erklärte Rehm. Dazu müsse allerdings eine AIX-Funktion vorhanden sein, die “als Zwischenschicht unterhalb des Betriebssystems die einzelnen Instanzen verwaltet.” Dadurch könne, wie in einer klassischen Server-Situation üblich, Windows mit Linux und Unix auf einem Prozessor laufen.
Nachdem für April Blade-Server mit dem Power-Chip angekündigt sind und auch der Power 5 schon “vor der Tür steht”, wie Rehm erklärte, sei es durchaus denkbar, dass noch in diesem Jahr die ersten Server mit der neuen CPU Generation auf den Markt komme.