Rein technische und produktstrategische Erwägungen haben IBM offenbar zu dem jüngsten Zukauf getrieben: Der renommierte Spezialist für Systemmanagement-Software, Candle, wird künftig unter dem IBM-Logo firmieren, gab Big Blue bekannt. Schließlich ist Candle seit der Firmengründung im Jahr 1976 ein IBM-Partnerunternehmen und verfügt über größtenteils dieselbe Kundenliste. Aubrey Chernick, Chairman und CEO von Candle, spricht von neuen Synergieeffekten und davon, dass nun die Candle-Technik besser an den Mann komme. Georg Rybing, IT-Industrieveteran und begeisterter Geschäftsführer der deutschen Candle GmbH, wollte die Transaktion gegenüber silicon.de nicht kommentieren.
Ian Wesley, Senior Analyst bei dem Marktforschungsunternehmen Ovum und seit vielen Jahren Beobachter von IBM, hält den Zukauf alles in allem für eine gute Idee. Candle ist Hersteller von Management-Software für Mainframes und soll ins Portfolio von Tivoli Software, dem System-Management-Bereich von IBM, aufgenommen werden. Gegenüber silicon.de führt Wesley daher aus: “Es ist klug von IBM, Candle und Tivoli technisch und strategisch zu verbinden. Hier war lange Zeit noch eine der seltenen Marktnischen auf dem Softwaremarkt.” IBM werde auf absehbare Zeit seine Softwaremarken unter den einheitlichen IBM-Hut bringen müssen und bewege sich auch in diese Richtung. Der Tivoli-Bereich mit dem Management von verschiedenen Applikationen sei nunmehr voll ausgestattet, so Wesley. Er nennt diese Zusammenführung die “Komponentisierung” von IBM Software. “Die Funktionen von Candle werden dabei nicht in einem großen IBM-Topf untergehen, allerdings dürfte in etwa 18 Monaten der Name ‘Candle’ verschwunden sein”, so Wesley.
Im Rahmen der On-Demand-Idee setzt IBM seiner Ansicht nach auf das richtige Pferd. Er sagt: “Binnen vier, fünf Jahren wird Software wie wir sie kennen verschwunden sein. Es wird immer unsichtbarer, welche Software gerade im Einsatz ist, die Funktionen werden die Markennamen überflügeln und es wird egal sein, ob irgendwo gerade diese oder jene Software läuft.” Wichtig sei, dass die Unternehmen gerade jetzt ihre Kosten senken müssten – das berücksichtige IBM mit ihrem Ansatz.
Candle-Technik passe da hervorragend dazu. Für nicht ganz so gelungen, lässt er durchblicken, halte er die Versuche, sich an kleinere Unternehmen heranzumachen. IBM sei gut darin, Großunternehmen zu bedienen. Beim Adressieren des kleineren Mittelstands mache der Konzern oftmals eine etwas unglückliche Figur.
Aber der Zukauf sei eine gute Sache. Er wundert sich lediglich darüber, das IBM “nicht schon viel früher” diesen Zukauf gewagt habe. “Das alles macht wirklich Sinn, es stärkt IBMs Produktportfolio und unterstützt die On-Demand-Initiative.” Eine von Candles Stärken sei gerade die Managementfunktion für die MQ Messaging-Landschaft, und dies wiederum sei eine unabdingbare Funktion für on Demand. Ferner seien die feinen Monitoring- und Management-Tools für die Applikations-Performance und ihre Verwaltung eine gute Ergänzung der Tivoli-Produkte.
Für Wesley war genau diese Technik entscheidend bei dem Zukauf: “Der Großteil der Candle-Kunden hat auch IBM, also haben wir es hier nicht mit einem Kauf der Kundenbasis zu tun.” Hier böten sich vielmehr interessante Cross-Selling-Möglichkeiten für Candle-Produkte und IBM-Technik. Probleme sieht er nur darin, “dass IBM darlegen muss, wie sie die beiden Produktgruppen von Tivoli und Candle verschmelzen wollen, da sich beide überlappen”. Ferner warte er auf den klaren Übergangsplan für die Candle-Kunden. Der müsse unmissverständlich und annehmbar sein.
Michael Kiess, Sprecher der IBM Software Group EMEA, will dazu noch nichts Genaueres sagen: “Unser Integrationsteam setzt sich erst nächste Woche das erste Mal zusammen und bespricht vorbehaltlich der Zustimmung der Anteilseigener und Kartellämter mögliche Szenarien.” Nach dieser Zustimmung trete IBM später dann auch an die Candle-Mitarbeiter heran und werde ihnen neue IBM-Arbeitsverträge anbieten. Der Zukauf könnte nicht der letzte für die Softwareabteilung bei Big Blue gewesen sein, ließ er im Gespräch durchblicken: “Wir stehen bei jedem Technikbedarf vor der Frage: Kaufen oder Selbermachen. Diese Frage wird sich auch in Zukunft immer wieder neu stellen und immer wieder gründlich geprüft und beantwortet werden.”
Candle hat eigenen Angaben zufolge 3000 Kunden in 50 Ländern, darunter auch den Versicherungskonzern Axa, Honda Europa, SAP und die Thyssen AG. Sie nutzen sowohl die Produkte als auch die Services für globales Softwaremanagement mit der Produktlinie ‘PathWAI’ und Datenzentrenverwaltung mit dem Produkt ‘Omegamon’ bis hin zu kleineren Web-Services-Deployments und Support-Aufgaben, die derzeit von 120 Produktprofis ausgeführt werden. Auch zu den Mitarbeitern und ihrer Zukunft wollte Rybing keine Angaben machen. Candle Deutschland war jedoch nach Gesprächen von silicon.de mit Mitarbeitern in der Vergangenheit als Arbeitgeber beliebt.
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