Toll Collect II: Biometrie-Pässe

Vor der Einführung von biometrischen Daten in Ausweisen sind nach wie vor viele rechtliche, technische, finanzielle und organisatorische Fragen zu lösen. Das Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB) hat jetzt in der zweiten Untersuchung zu Biometrie in Ausweisen einen “gigantischen Labortest” vorausgesagt. Das Büro, das eine ständige und unabhängige Einrichtung des Bundestages ist, hat für die Einführung der neuen Dokumente grob 670 Millionen Euro Anschaffungskosten kalkuliert. Jährlich würden durch das neue System zusätzliche Kosten von 610 Millionen Euro anfallen.
Der Bericht soll im Mai dem Bundestag vorgestellt werden. Das TAB sollte nach dem ‘Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus’ die Voraussetzungen und die gesetzlichen Implikationen von Biometrie-Pässen ausloten. Auf der technischen Seite konnte sich kein Verfahren durchsetzten. Die Erkennung per Fingerabdruck weist derzeit noch eine Fehlerquote von 2 Prozent auf, wodurch sich das System noch nicht für die Praxis eigne, denn es müsse gewährleistet werden, “dass das vorgesehene Merkmal möglichst keine oder nur eine sehr geringe Zahl von Bürgern von der Anwendung ausschließt”.

Besser geeignet seien daher Gesichts- und Iriserkennung. Für letzteres Verfahren lägen allerdings kein Erfahrungswerte aus größeren Feldversuchen vor. “Unter dem Aspekt des Organisationsaufwandes betrachtet, wäre die praktikabelste Option, mit dem bisherigen Ausweiskonzept und im Rahmen der bestehenden und vertrauten Erhebungs- und Produktionsverfahren Lichtbilder ausreichender Qualität auf dem Ausweisdokument für die automatische Analyse zu nutzen.”

So ließe sich der Verwaltungsaufwand bei der Erhebung und Erfassung der biometrischen Daten gering halten. Fingerabdrücke könnten durch geschultes Personal auf einem Datenträger gespeichert werden und an eine Zentrale Erfassungsstelle weitergleitet werden. ” Für die Iriserkennung und die Handgeometrieerkennung ist grundsätzlich eine dezentrale Erfassung in den Meldestellen erforderlich, da die Ursprungsmerkmale sich nicht als Rohdaten ablegen und versenden lassen.” Das bedeute, dass alle Meldestellen mit entsprechendem Personal und Hardware ausgerüstet werden müssten.

Eine Kombination der einzelnen Merkmale sei zwar technisch durchführbar und würde die Fehlerquote weiter senken, doch müsste dafür das bestehende Gesetz ausgeweitet werden, denn das erlaubt nur die Verwendung von Daten aus “Fingern oder Händen oder Gesicht” nur einzeln.

Einer der Autoren kritisierte zudem die Informationspolitik der Regierung. Aufgrund internationaler Standardisierungen wie etwa durch die demokratisch nicht legitimierte Internationale Zivilluftfahrorganisation ICAO sei eine Einführung von Biometrie-Pässen sehr wahrscheinlich, obwohl bisher “wegen fehlender Großanwendungen und Tests” noch keine Aussagen über Fälschungssicherheit und Haltbarkeit der Daten gemacht werden könnten.

Silicon-Redaktion

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