Der alte musste ja gehen. Die Presse kritisierte “schnodderige Äußerungen” (Groß-Gerauer Echo), “Flapsigkeit” (Braunschweiger Zeitung), “Selbstherrlichkeit” (Die Welt), einen “kommunikativen Amoklauf” (FAZ), also den “berühmten Satz” (Der Spiegel): “Soll ich das etwa selbst bezahlen?” Gemeint war ein Kurzurlaub zum Jahreswechsel 2001/2002 im Berliner Adlon.
Kurz eine Stilfrage war’s, die der “Inkarnation vieler Vorurteile… gegen Politiker und Bosse” (Süddeutsche Zeitung), Ernst Welteke, seinen schönen Job gekostet hat. Obwohl es ihm selbst ja wohl eher als naheliegende Frage erschien. Weil: Wer steigt in solchen Hotels schon auf eigene Kosten ab?
Es sind schließlich prolligere Lokationen, an denen man nur das Selbstzahler-Prinzip kennt: Mallorca etwa – zwei Erwachsene, drei Rotznasen, 14 Tage für 2715 Euro, all inclusive. Was man sich und den oben genannten Seinen halt so als Jahresurlaub gönnt. Aber in der deutschen Hauptstadt, im ersten Haus am Platze, da gelten natürlich andere Regeln.
Da lässt man zahlen. Allenfalls Vielflieger-Meilen kann man ohne Stilbruch einsetzen. Deshalb wäre ja auch der andere, der Wirtschaftsstaatssekretär, ein würdiger Welteke-Nachfolger geworden. Nein, nicht Alfred Tacke. – Sondern Rezzo Schlauch, der wohl renommierteste Experte in Sachen Miles&More.
Aber mit eigenem Geld – vielleicht sogar mit ehrlich verdientem – für die Unterkunft in einem 5-Sterne-Hotel zu bezahlen! Sowas tut man nicht, selbst wenn’s dafür reichen würde.
Noch stilloser ist es eigentlich nur, die “Vorurteile… gegen Politiker und Bosse”, die in solchen Etablissements absteigen, zu bestätigen, wie’s der Kommentator der Süddeutschen Zeitung beklagt. Oder – weil das ja rein logisch gar nicht geht – durch einen “kommunikativen Amoklauf” den Verdacht zu nähren, dass es sich dabei um gar keine Vorurteile handelt.
Wie dem auch sei, Welteke hat sich des zweiten – gravierenderen – Stilbruchs schuldig gemacht und musste die Konsequenzen tragen. Dabei allerdings hat er Klasse bewiesen.
Wenn einer der all-inclusive-Untergebrachten bei etwas Unschicklichem erwischt wird, dann murmelt jener in der Regel ja zerknirscht etwas von “zuviel getrunken”. In der Adlon-Klasse aber tritt man in solchen Fällen aus “Rücksichtnahme auf meine Familie” zurück, der man das alles nicht mehr zumuten wolle – und ist dann für den Rest seiner Tage versorgt. So ist’s Usus.
Deshalb ist auch die Kritik an des Ex-Bundesbank-Präsidenten “Luxus-Rente” (Bild) sehr unschicklich. Zumal sich eine Meldung der Financial Times Deutschland: “Welteke soll weiter sein volles Gehalt bekommen” wieder mal als Ente erwiesen hat. (Was bei diesem Blatt ja des öfteren vorkommen soll.) Außerdem: Für so einen Betrag hätte ein Telecom-Manager wie der Mannesmann Klaus Esser das Wort “Untreue” nicht einmal buchstabiert.
Und schließlich kann Welteke auch wirklich stolz sein auf seine Familie. Sein Sohn hat ihn ja sehr überzeugend verteidigt: “Hätten wir in einem anderen Hotel übernachtet, hätte zumindest ein Fahrer für meinen Vater an diesem Abend vor der Tür warten müssen. Wir sind an diesem Abend nur schnell über die ziemlich verstopfte Straße geflitzt.”
Der wäre doch eigentlich auch ein geeigneter Kandidat für die Nachfolge gewesen. Zumindest eine – von einer deutschen Führungskraft geforderte – Qualifikation hätte er mitgebracht: die offenkundige, mental-bedingte Unfähigkeit, eine U-Bahnkarte zu lösen.
Die Journaille, die das alles kommentiert hat, gehört ja Hotellerie-mäßig tendenziell eher zur All-inclusive-Klasse. Verlage zahlen halt meist nicht so gut. Und vor allem bei Reisespesen sind sie recht knauserig.
Aber da springt dann – wie bei höheren Staatsbediensteten – die Wirtschaft gerne ein. Und deshalb sind beispielsweise IT-Journalisten, deren Weltläufigkeit ansonsten auf den Balearen, der türkischen Riviera oder in anderen preiswerten Touristen-Regionen enden würde, weit über die Grenzen der eigenen Zahlungsfähigkeit hinaus cosmopolit.
Vor allem die USA sind ein beliebtes Reiseziel. – Dort spricht man englisch.
Aber an den damit zusammenhängenden Verständnisschwierigkeiten allein kann’s nicht liegen, dass in den einschlägigen Publikationen durchgängig das Vokabular benutzt wird, das die Marketing-Abteilungen der Hersteller für ihre Zwecke kreiert haben. Also: Wenn man nichts über Hard- oder Software sagen will, dann spricht man von “Lösung”. Und wenn man überhaupt noch nichts Konkretes hat, dann nennt man das “Vision”. Und in der Terminologie wird dann auch berichtet.
Angehörigen der All-inclusive-Klasse tut es gut, mit stilsicheren Adlon-Leuten – bei einem gepflegten Dinner – an einem Tisch zu sitzen. Da kommt man sich näher. Sonst täten letztere ja das auch nie und würden sich eine adäquatere Gesellschaft suchen.
Man versteht sich – will sagen: die Journaille erlernt die angemessene Wortwahl. Und das schlägt sich dann auch in der Berichterstattung nieder.
“Lohn” etwa kommt im Wirtschaftsteil der Zeitung nur noch als Kompositum in Form von “Lohnkosten” vor. Und der – zugegebener Maßen statisch anmutende, aber eben auch sehr exakte – Begriff “abhängig Beschäftigte” ist völlig out. Statt dessen wird dort die wie selbstverständlich die Chefsicht übernommen und von “Mitarbeitern” geschrieben.
Ach ja, es gibt viele kleine Weltekes. Nur dass die meist sehr viel schlechter bezahlt sind und trotzdem oft viel besser funktionieren.
“Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein,” lesen wir im Johannes-Evangelium, Kapitel 8, Vers 7. Aber die begnadeten Exegeten von Monty Python haben in “Das Leben des Brian” ja aufgezeigt, in was für einem Steinhagel so eine Aufforderung meist untergeht.
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