Ein vermutlich Provider-lastiger Branchenvisionär sagte einmal, dass Handys nur aus zwei Gründen geschaffen wurden: Erstens, um Teenager glücklich und Eltern unglücklich zu machen. Zweitens, um die Netzbetreiber sehr, sehr glücklich zu machen. Wahrscheinlich hatte hat er damit nicht die Festnetzbetreiber in Osteuropa gemeint – die gehören nämlich nicht zu den Glücklichen.
Im Mai wächst die Europäische Union (EU) um zehn neue Länder, ab 2007 kommen Rumänien und Bulgarien hinzu. Allesamt machen sich auf den Weg, wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich das Niveau der ‘alten’ EU-Länder zu erreichen. Für die Telekommunikationsindustrie bedeutet die Erweiterung ein riesiges Potenzial an neuen Kunden und Absatzmärkten. 75 Millionen Menschen warten ab dem 1. Mai auf schnelle Internet-Anschlüsse, Flatrates, erweiterte Telefondienste und Handys, Handys, Handys…
Wie für die Hard- und Software-Branche gibt es auch im TK-Bereich viele Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Weit oben steht die Liberalisierung des TK-Marktes nach EU-Normen. Ungarn war das erste Land der Beitrittsnationen, das die volle Privatisierung der staatlichen Telefongesellschaft erreicht hatte. Andere Länder hatten und haben Probleme, ihre staatlichen etablierten Betreiber zu privatisieren. Tschechien beispielsweise hatte erhebliche Schwierigkeiten, Cesky Telecom loszuwerden. Die Europäische Kommission drängt die Nachzügler zum Handeln, voraussichtlich wird es aber noch eine Weile dauern, schätzen die Marktforscher von IDC.
In Slowenien sind die Gesetze für eine Liberalisierung des TK-Marktes zwar verabschiedet, die Umsetzung tröpfelt aber so dahin. Die Slowakei kämpft noch mit Justitia und der Regulierungsbehörde fehlt das Durchsetzungsvermögen. Polen geht es ähnlich. Die polnischen Gesetze hängen noch meilenweit hinter der EU-Vorgabe zurück. In vielen Ländern behält der Staat einen Anteil. Ungarn liegt auch bei der EU-Transformation vorne. Dort entspricht das TK-Gesetz der europäischen Richtlinie.
Buddelst du noch oder telefonierst du schon?
Vom Liberalisierungskampf völlig unbeeindruckt ist der Mobilfunkmarkt. Bei genauer Betrachtung nämlich sinken die Probleme um den offenen TK-Markt und die Privatisierung umgekehrt proportional zum Wachstum im Mobilfunksektor. Dort kommt der eigentliche Feind her. Schon heute müssen sich die etablierten Betreiber in manchen Landesteilen von dem Handy geschlagen geben.
Der Mitbewerber um die Telefondominanz hat mit rasanter Geschwindigkeit Fahrt aufgenommen und ist drauf und dran, die klassische Festnetztelefonie zu überholen. Die ehemals marktbeherrschenden Betreiber haben sich auf ihrer Position zu lange ausgeruht und den Konkurrenten nicht frühzeitig als solchen angesehen. Spätestens als plötzlich nur wenig neue Vertragsabschlüsse zu verzeichnen waren oder gar ganz ausblieben, waren sie alarmiert und müssen nun mit erweiterten Telefondiensten wie Internet neue Geldquellen erschließen.
Gründe für die schnelle Akzeptanz mobiler Technologien gibt es genug. Kabel in entlegenen Ecken eines Landes einzubuddeln ist viel aufwändiger als einen Mobilfunkmast aufzustellen, der gleich eine Vielzahl von Nutzern bedient. Das Handy ist schnell gekauft, der Vertrag fix unterschrieben. Die Experten des Marktforschungsinstituts Ovum haben die Erfahrung gemacht, dass ganze Haushalte auf einen Festnetzanschluss verzichten und von der Oma bis zum Jüngsten alle mit dem Handy telefonieren.
Und dann sind da ja auch noch die Zusatzdienste, die sich mit dem Handheld anbieten lassen. SMS-Dienste machen dabei aber nur etwa 5 bis 15 Prozent des gesamten Umsatzes aus. Besser gehen Dienste wie Votings für TV-Sendungen oder das Herunterladen von Klingeltönen. Neuen Schub könnte die GPRS-Technik bringen, die in Osteuropa im Kommen ist. Von UMTS ist man dort – wie auch bei uns – noch meilenweit entfernt. Dennoch verfügt die Mobilfunkindustrie bereits über ein dickes Standbein. Wer jetzt auf den Zug aufspringt, ist fast schon zu spät dran.
Lokale TK-Neueinsteiger gehen mit der Zeit
Einen zusätzlichen Service zum reinen Telefonangebot können die etablierten Betreiber mit dem Internet anbieten. Die Anschlüsse sind noch rar im Vergleich zur Bevölkerungsdichte. Die alteingesessenen Gesellschaften sollten sich aber beeilen. Lokale Start-ups arbeiten mit TK-Veteranen aus dem Westen zusammen, um schnell Breitband- und Highspeed-Zugänge für die Nutzer zu organisieren. ISDN und DSL sind hier die Technologien, die man im Auge hat. Der Einsatz steckt noch in der Anfangsphase, aber er ist in Arbeit.
Polen beispielsweise hat auf der diesjährigen CeBIT die Partnerschaft mit Lucent erweitert. Der ausgedehnte Vertrag alleine hat einen Wert von 75 Millionen Euro. Der Telekommunikationsausrüster will den polnischen TK-Anbieter Telekomunikacja Polska (TP) mit Breitband-Lösungen versorgen, die auch Dienste wie Voice-over-DSL unterstützen. Insgesamt sollen 700.000 TP-Nutzer bis zum Ende des Jahres auf den neuen Service zugreifen können.
Der Einstieg international agierender Firmen in die etablierten Unternehmen der jetzt neuen EU-Staaten war, das muss man schlicht so sehen, früher einfacher. Ovum-Analyst Angel Dobardziev spricht gar von paradiesischen Zuständen, die noch vor ein paar Jahren geherrscht hätten. Schließlich gab es nur die staatlichen Anbieter. Heute stehen Konzerne wie die Deutsche Telekom oder andere westliche TK-Anbieter vor zwei Problemen. Das eine ist, “auf das richtige Pferd zu setzen”, so Dobardziev. Welches Unternehmen in der Zukunft eine Chance hat, hängt von Faktoren wie die Bereitschaft für neue Geschäftsmodelle und der Abkehr von alten Gewohnheiten ab. Als zweites Problem haben sich neue lokale Carrier erwiesen. Die dürfe man nicht unterschätzen. Sie entwickelten sich schnell nutzten die Deregulierung, um Fuß zu fassen und wettbewerbsfähig zu sein.
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