Noch warten die Anwender, was da kommen soll: Im Mai wollen die neuen Besitzer von Gauss Interprise und Ixos, die Content-Management-Firma Opentext, das erste gemeinsame Produkt aus einer umfangreichen Roadmap für Content Management auf den Markt bringen. Dabei handelt es sich um eine Lösung für die Verwaltung des webbasierten Inhalts in Unternehmen. Doch die Erfordernisse eines umfassenden Dokumentenmanagements gehen viel weiter als bis ins Internet, meint Opentext-CEO Tom Jenkins auf einer der ersten gemeinsamen Kundenveranstaltungen in München. Und die ersten Kunden geben ihm recht.
“Unsere Kunden wollen, dass wir den Gedanken des Information Lifecycle Management (ILM) voll integrieren und das können wir sehr gut mit der Ixos-Expertise im SAP-Umfeld und unseren Eigenschaften eines Open-Source-Unternehmens”, sagte Jenkins. Dabei habe Ixos die Dateienspeicherung und Kartografie beigesteuert, Opentext die Analysefähigkeiten dazugeführt und fertig sei die umfassende Lösung, die, so der CEO wörtlich, “bald an die umfassende Idee des ILM ganz nahe heranreicht”. Bis allerdings ein echtes ILM im eigentlichen Sinne vorliege, benötige die gesamte Industrie inklusive Anwender und ihrer Gewohnheiten noch 30 bis 40 Jahre, vermutet er. Kein Grund für ihn, sich nicht schon einmal auf den Weg dorthin zu begeben.
Matthias Sonntag sieht das ähnlich und konnte binnen neun Monaten Projektlaufzeit ein komplex branchenspezifisch angepasstes Lifelink-System in Probebetrieb nehmen. Er ist in der Qualitätssicherung Computer Systems & Applications bei dem aus dem Bering-Konzern hervorgegangenen Pharmaunternehmen Chiron Vaccines tätig. “Wir haben uns wegen der umfangreichen rechtlichen Bestimmungen in unserem Sektor und wegen der ausgezeichneten Suchfunktionen für das Produkt ‘Lifelink’ für unser Dokumentenmanagement entschieden”, sagt er gegenüber silicon.de. “In einem Bereich, in dem die Regulierung so hoch ist wie in der Pharmaindustrie, muss die Transparenz im Datensatz hundertprozentig sein.”
Das heißt bei der Lösung ‘Change Control Process’ und bedeutet, dass die Dokumentverantwortlichen auf einen Blick über das Wo, Wie, Wer, Wann, Warum und Was einer Änderung am Dokument unterrichtet werden. “Da sich in der Forschung zum Beispiel bei einer Produktspezifikation oder einer Arbeitsanweisung so manches ändert, bis beispielsweise der fertige Impfstoff ausgeliefert werden kann, ist diese Transparenz neben einer festen personellen Dokumentenverantwortlichkeit unabdingbar”, so Sonntag. Der heißt bei Chiron ‘Document Owner’ und muss jede Änderung am Dokument abzeichnen. Der so genannte Audit Trail gebe Auskunft über die vorgenommenen Änderungen, eine geringe Anzahl an Berechtigungsebenen schaffe Übersichtlichkeit und auch Eigenverantwortung durch bloße die Unterscheidung zwischen Reader, Workflow-Teilnehmer, Dokumentenadministrator und Systemadministrator.
Die Änderungen werden, so beschreibt der seinen eigenen Worten zufolge “an der Schnittstelle zwischen IT und Business angesiedelte Fachmann, durch die Initiation eines Workflow gestartet, der nach festgelegtem Muster erfolgen muss. So sei es nicht möglich, parallel an einem Dokument verschiedene sich ausschließende Änderungen oder solche ohne den Segen des Document Owners vorzunehmen, der mit digitalem Wasserzeichen alles absegnen müsse. “Ist ein solcher Änderungs-Workflow gestartet, muss er bestimmte Stufen durchlaufen, bis ein neuer Workflow für die nächste Änderung gestartet werden kann. Das ist wie eine Sicherung”, so Sonntag.
Von den weltweit 6000 Mitarbeitern des Chiron-Konzerns seien 250 in Deutschland, genauer in Marburg, in der Forschung und der Produktion tätig. Davon seien zwei Drittel auch schreibberechtigt an den Dokumenten. Akzeptanzprobleme habe es bei ihnen keine gegeben, da vorher noch zu Bering-Zeiten bereits ein ganz ähnliches DMS im Einsatz gewesen sei. “Wir hatten vorher Lotus Notes/Domino und haben uns vom Vorstand her für Opentext entschieden.” Die Pharmaindustrie, so weiß er, braucht ein taugliches Instrument für das Dokumentenmanagement. “Und das muss in die IT-Strategie passen; da sich diese geändert hat und wir keine Lotus-Umgebung mehr haben, setzen wir jetzt Lifelink ein”, so Sonntag. Dennoch würde er das neue System wohl nicht mehr hergeben. “Die Zeit- und Budgettreue bei der weltweiten Einführung war ein positives Signal für die Zukunft.”
Das einzige Manko an der Lösung, von der er ansonsten begeistert scheint, sei eine fehlende Sprache: Die Dokumentenänderung könne nicht in der italienischen Sprache ausgeführt werden. “Das wäre aber wichtig, weil Italien nach Deutschland unser wichtigster Produktionsstandort ist”, sagt er. Die Wünsche des Kunden Chiron habe er aber bereits an die Anwendergruppe, das deutsche Lifeklink Forum, weitergegeben und erwarte nun vom Hersteller entsprechende Änderungen, die die Arbeit der Kollegen erleichtern würde. Die italienische Version des Managementprozesses hätten die Chiron-Mitarbeiter also zunächst einmal selbst eingepflegt.
Der zweite Punkt, der ihm noch nicht gefällt, ist heikler: “Der Lifelink-Standard erfüllt derzeit nicht alle Bestimmungen, die die strenge Regelung der deutschen Pharmalandschaft erfordert. Hier mussten wir selbst umständlich und langwierig hochkomplexe Prozesse einprogrammieren.” Dennoch, so sagt er, müssten die Abgleiche nach wie vor per Hand eingegeben werden, was die ansonsten sehr moderne Lösung etwas veraltet wirken lasse. Er setzt hier auf die Arbeit mit anderen Anwendern und die Kommunikation mit dem Hersteller: “Wir sind in der frisch gegründeten deutschen Anwendergruppe auf dem richtigen Weg, um uns künftig gegenseitig direkter helfen zu können.”
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