Categories: Unternehmen

E-Business-Sprache

Darüber wird ja viel geklagt. Dass wegen der Computerei alles so schwierig wird.
Wenn man früher etwa ein praktisches Konto haben wollte. So eins mit blauen Briefen, mit denen man seine Überweisungsaufträge verschicken kann, dann ist man einfach auf die Post gegangen, hat sich bei der Schlange hinten angestellt und später dann von dem mürrischen Schalterbeamten erfahren, dass das mit dem Konto jetzt eben nicht gehe und dass er da auch nichts machen könne.

Heute läuft sowas selbstverständlich ganz anders ab. Es beginnt schon einmal damit, dass niemand, wenn’s um  Financial Services geht, irgendwelche antiquierte Begriffe  verwendet. Wie “Postgiroamt” zum Beispiel.

Die Sache mit den blauen Briefen nennt man übrigens “Direct Banking”. E-Banking ist heute dessen vorherrschende Form. Was früher natürlich niemand wusste und worauf man im Zusammenhang mit einem Postgiroamt auch nie gekommen wäre.

Unfreundliche Oberpostsekretäre findet man mittlerweile ebenfalls kaum noch. Allein schon deshalb, weil es kaum noch Schalter gibt, hinter denen sie ihrer hoheitlichen Übellaunigkeit nachgehen könnten.

Man geht also heute nicht auf die Post, sondern ruft seinen künftigen Directbanker an, um sogleich mit dessen Sprachcomputer verbunden zu werden.

Dieser bittet einen zunächst, seine Frage den Kategorien “Produkt” oder “Konto” zuzuordnen. Und weil ein Konto aus der Sicht eines Directbankers ein Produkt ist, muss man natürlich “Produkt” sagen, wenn man eine Frage bezüglich des Produkts “Konto” hat, nicht “Konto”.

In dem Punkt ist’s ein bisschen komplizierter geworden. “Helpdesk Automation” nennt man das.

Dann aber macht man erst einmal wieder das gleiche wie früher – man wartet. Allerdings nicht vorm Schalter, sondern in der Warteschleife. Was teurer ist, da es eine kostenpflichtige Telefonnummer ist, über die man den Help Desk der Postbank erreicht. Wenn man ihn erreicht.

Seine Frage los wird man dann  schließlich aber doch, und zwar in einem “business center”. Damit meldet sich nach längerer Wartezeit eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung.

Sie ist halt auch schöner, die moderne, dynamische Geschäftswelt. Viele phantasievolle Begriffe bringt sie beständig hervor.

Die Stimme gehört natürlich keiner verbeamteten Postbediensteten mehr. Einen Zeitvertrag hat die Frau wahrscheinlich.

Eine eigentlich recht einfache Frage bezüglich eines Postgirokontos kann sie übrigens genauso wenig beantworten, wie weiland der unwirsche Oberpostsekretär es wollte. Womit dann doch wieder eine gewisse Kontinuität gewahrt wäre.

Das ist überhaupt das durchgängige Prinzip: Viel verändert hat sich eigentlich nicht. Die Dinge heißen nur anders.

Das Internet-Auktionshaus Ebay beispielsweise hat Ärger mit der Gewerkschaft. Sowas hat’s schon immer gegeben. Arbeitskonflikte halt.

Bloß früher hießen die Beteiligten ganz anders! Die Gewerkschaft: HBV. Und die Kapitalseite wurde gemeinhin “Chef” genannt.

Connexx.av ist inzwischen der Name der für Unternehmen wie Ebay zuständigen Gewerkschaft. Und der – eher der Kapitalseite zugeneigte – Betriebsrat bei Ebay spricht von den dortigen Chefs als von “unserem Leadersphip-Team”. Da lobt man sich doch den “Genossen Generaldirektor” aus den siebziger Jahren.

Aber der Sache nach ist es nichts Neues, dass bei Arbeitskonflikten schon mal alles durcheinander gerät: Bei Aldi haben – offenbar von der Geschäftsleitung per Taxi zur Betriebsversammlung geschickte – Verkäuferinnen letzte Woche gegen die Einführung eines Betriebsrats gestimmt.

Da braucht man sich über Ebay nicht zu wundern. Was ist das schließlich anderes als ein Aldi over TCP/IP?

Im Rahmen des CRM (Customer Relationship Management) ist die Kundenbindung mittlerweile zu einer wichtigen Strategie geworden – über Programme wie Payback, Webmiles, Happy Digits etc. Als man derartiges noch in kleine Heftchen geklebt hat, nannte man es Rabattmarken.

Das war verständlicher. Aber natürlich hat es bei weitem nicht so toll geklungen.

Also am Computer liegt’s nicht, dass die Leute heutzutage so kompliziert und unverständlich daherreden. Es liegt überhaupt nicht an irgendwelcher Technik.

Die nämlich interessiert kaum jemanden. Da ist man lieber einsilbig und grob vereinfachend.

Es gibt beispielsweise Software, die Social-Engineering-Features häufig gerade zu perfekt implementiert. Sie verfügt unter Umständen über Tracking- und Auto-Update-Funktionen.

In Sachen aktuelle Sicherheitslöcher bei Microsoft ist sie stets auf dem neusten Stand. Und das weltweite Deployment erfolgt unter Umständen innerhalb weniger Minuten.

Und wie nennt man in IT-Unternehmen ein derartiges High-Tech-System? Dort, wo man nahezu alles, was lauffähig aus dem Kompiler kommt, als “intelligent” bezeichnet. – Einen Wurm!

Silicon-Redaktion

Recent Posts

IT 2025: IT-Führungskräfte erwarten massiven KI-Ruck

Einsatz von KI-Lösungen wirbelt auch in deutschen Unternehmen die Liste der Top-Technologieanbieter durcheinander.

17 Minuten ago

Sofortzahlungen im Wandel: Sicherheit und KI als treibende Kräfte

Echtzeitüberweisungen erfüllen die Erwartungen der Nutzer an Geschwindigkeit, sind jedoch anfällig für spezifische Sicherheits- und…

4 Stunden ago

Blockaden und Risiken bei APM-Projekten vermeiden

Application Portfolio Management (APM) verspricht Transparenz, mehr IT-Leistung und Effizienz – theoretisch.

2 Tagen ago

BSI-Bericht: Sicherheitslage im Cyberraum bleibt angespannt

Im Berichtszeitraum Mitte 2023 bis Mitte 2024 wurden täglich durchschnittlich 309.000 neue Schadprogramm-Varianten bekannt.

3 Tagen ago

KI-Hype in der Cybersicherheit – oder besser doch nicht?

KI kommt in der Cybersicherheit zum Einsatz, etwa um Abweichungen im Netzwerkverkehr zu identifizieren. Ist…

3 Tagen ago

Netzwerksegementierung schützt vor Angriffen über die OT

Ungepatchte und veraltetete Maschinen-Software ist ein beliebtes Einfallstor für Hacker, warnt Nils Ullmann von Zscaler…

4 Tagen ago