Softwarepatente nehmen erste Hürde

Die Ratsversammlung der Europäischen Union (EU) konnte sich über eine Direktive für so genannte Softwarepatente einigen. Dadurch sind jetzt Patente auf Software, Geschäftsmethoden und Programme grundsätzlich möglich. Dieser Schritt gewährleiste die Wettbewerbsfähigkeit Europas, schütze aber gleichzeitig auch den Markt vor unfairen Geschäftspraktiken mit Patenten, teilte die EU-Kommission mit. Das letzte Wort in dieser Frage hat jetzt das EU-Parlament. Daneben scheiterte aber der Rat bei der Einigung über Rahmenbedingungen für ein europaweit einheitliches Patentverfahren.
Zunächst hatte Deutschland den Vorschlag der irischen Ratspräsidentschaft abgelehnt. Erst nachdem “zwei wesentliche Punkte in das Papier aufgenommen worden sind”, wie es aus dem Bundesjustizministerium heißt, stimmten die deutschen Volksvertreter für den überarbeiteten Vorschlag. Dadurch würden die Anforderungen an die Patentierbarkeit einer Erfindung deutlich erhöht. Einzig Spanien hatte gegen den Vorschlag gestimmt. Der Stimme enthalten hatten sich Österreich, Italien und Belgien.

“Wir hoffen, dass das Parlament bei seiner Position bleiben wird”, sagte Florian Müller, Berater des Vorstandes der Softwarefirma MySQL. Diese Hoffnung sei auch begründet, denn “der neue Entwurf ist ein Vom-Tisch-fegen aller Argumente des Parlaments”. Es werde zwar keine leichte Aufgabe, aber schon jetzt formiere sich bei einigen Parteien starker Widerstand gegen Softwarepatente.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) spricht von zwei Verschlechterungen durch den deutschen Kompromiss. So würden Softwarepatente jetzt auch durch Programmansprüche legalisiert. Und das Recht auf Interoperation könne nach der deutschen Einbringung nur noch über aufwändige Kartellverfahren passieren.

“Das ist kein Kompromiss, sondern eine 180-Grad-Wendung der deutschen Ratsmitglieder“, beurteilte ein Experte das Abstimmungsverhalten der Ratsmitglieder. So hatte das Bundesjustizministerium  im Vorfeld angekündigt, gegen den Entwurf zu Stimmen. “Diese Formulierungen sind kaum mehr als Wortspiele, solange die entscheidenden Schlupflöcher im Gesetz nicht geschlossen sind.” Der deutsche Vorstoß sei daher wenig hilfreich.

Die Entscheidung des Rates sei ein großer Schritt und ein wichtiger Beitrag, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, erklärte dagegen Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein. “Wir müssen Investitionen in Innovationen belohnen, damit eine wissensbasierte Wirtschaft in Europa floriert.” In dem Entwurf sei jetzt auch klar festgehalten, dass Geschäftsmethoden oder Computerprogramme, die keine tatsächlichen technischen Neuerungen böten, nicht patentfähig seien. Obwohl durch die neue Direktive in Europa noch keine ‘amerikanischen Verhältnisse’ herrschen, kann durchaus davon die Rede sein, dass vor allem große Konzerne wie Microsoft, SAP oder Nokia einen Sieg errungen haben.

Bevor der Ratsvorschlag verabschiedet wird und somit überhaupt rechtliche Wirkung bekommt, muss er in zweiter Lesung noch das EU-Parlament passieren. Dies tatsächlich vom Volk gewählte Gremium hat zwar kein gestaltendes Mandat und kann dem Rat einen eigenen Vorschlag unterbreiten, muss den Vorschlag des Rates aber absegnen, bevor er in das Gemeinschaftsrecht eingeht. Da das Parlament kurz vor Neuwahlen steht, ist jedoch nicht vor Herbst, voraussichtlich im September, mit einer Abstimmung zu rechnen. Wird der Ratsvorschlag erneut abgelehnt, so wird ein Vermittlungsausschuss einberufen.

Die Meinungslage im Parlament dürfte sich nicht mit der Einigung des Rates decken. Schon einmal hatte das Parlament den Vorschlag des Rates abgeschmettert. Damals war die Kernaussage, dass bei technischen Erfindungen ein Stück Software zum Einsatz komme, und somit auch diese Software patenfähig sei. Trotz verschiedener Änderungen hat sich diese Kernaussage auch im aktuellen Entwurf gehalten.

Falls dieser in zweiter Lesung nicht durch das neu gewählte Parlament abgewiesen wird, so fürchten Politiker und Patentgegner, stünden Zehntausende Jobs auf  der Kippe. Andere sehen das Zusammenbrechen des europäischen Mittelstandes und einen Innovationsrückgang bis hin zum völligen Stillstand.

In den USA können Patente für Anwendungen, die in Software umgesetzt sind, oder auch für Geschäftsmodelle erteilt werden. In Europa sind derzeit Programme noch durch das Urheberrecht abgedeckt. Dadurch ist aber nur das Programm als solches, nicht aber die Idee oder das Verfahren abgedeckt.

Florian Müller von MySQL erklärte, dass das amerikanische Patentgesetzt dennoch in mancher Hinsicht besser sei als das, was der Entwurf des Rates und der Kommission beinhaltet. “Sie werden kaum jemanden finden, der explizit sagt, ‘ich bin für Softwarepatente’.” In den USA seien die Positionen klarer, und deshalb auch ein Stück weit ehrlicher, weil das Patent nicht über das Schlupfloch der Technik erteilt werden müsse, wie das nach dem neuen Vorschlag der Fall sei. “Das Schlupfloch ist in Wahrheit ein Schleusentor”, so Müller weiter.

Zudem gebe es auch beim Europäischen Patentamt keine Institution, die die Entscheidungen der Beamten überprüft. “Will man gegen eine Entscheidung des Patentamtes klagen, dann geht das einfach an eine andere Abteilung weiter”, erklärt Müller. Für Open-Source-Software gibt es besondere Stolpersteine für Patente: “Nach derzeitigem Recht kann auch der Urherber einer Erfindung nach der Veröffentlichung seiner Ergebnisse kein Patent mehr beantragen.” In den USA hat der Autor dann wenigstens noch 12 Monate Anrecht auf ein Patent.

Bei den Beratungen über das Gemeinschaftspatent im Rahmen eines einzigen Europäischer Patentprozesses konnte der Rat hingegen keine Einigung erzielen. Jetzt stünde die gesamte Idee, einen Prozess zu schaffen, mit dem ein europaweites Patent erteilt werde, auf der Kippe, wie ein Sprecher der Kommission mitteilte. In der Lissaboner Agenda von 2000 wurde diese Idee festgelegt. Dadurch sollte die europäische Wirtschaft bis 2010 wettbewerbsfähiger gemacht werden. Scheitert der Entwurf tatsächlich, so müssen Unternehmen auch weiterhin für jeden Staat einzeln ein Patent anmelden.

Eine Einigung scheiterte an der Frage, in wie vielen Sprachen ein Patent vorzuliegen habe. So hatte Spanien dagegen protestiert, dass weite Teile nur in Englisch, Französisch und Deutsch übersetzt werden müssten. Andere Gruppen stellten sich gegen die Forderung, dass wiederum andere Teile eines Patentes in alle 20 Sprachen der Gemeinschaft übertragen werden müssten.

Silicon-Redaktion

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